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Vaterkomplex Was sind Anzeichen für Daddy Issues?

Vaterkomplex: Dreiköpfige Familie auf einem Feld
© Helga Bragina / Adobe Stock
Oft wird Frauen ein Vaterkomplex unterstellt. Warum der Begriff sexistisch ist, was man stattdessen sagen kann und warum auch Männer Daddy Issues entwickeln können, liest du hier.

Inhaltsverzeichnis

Der Begriff Vaterkomplex wird häufig abschätzig für Frauen verwendet, die komplexe, verwirrende oder vermeintlich gestörte Beziehungen zu Männern haben. Mit einher geht auch der von Carl Gustav Jung geprägte Begriff Elektrakomplex. Damit wird die besonders starke Bindung zwischen Vater und Tochter bezeichnet, die gleichzeitig aber die Mutter ausgrenzt, beziehungsweise so weit reicht, dass sich Vater und Tochter gegen die Mutter verbünden. Beide Begriffe, der Vaterkomplex und der Elektrakomplex, stehen heutzutage in der Kritik. Sie stammen aus der patriarchalen Frühphase der Psychoanalyse und werden berechtigterweise als sexistisch eingestuft. Schließlich vermitteln sie den Eindruck, die Frau sei das Problem. Ein zeitgemäßer Begriff für den Vaterkomplex ist das Bindungstrauma. In der Popkultur wird hingegen von Daddy Issues gesprochen.

In diesem Beitrag soll es nicht darum gehen, Vätern die Schuld zu geben. Es geht darum, sich die Auswirkungen einer emotional nicht verfügbaren Bezugsperson einzugestehen. Sich selbst gegenüber Mitgefühl zu zeigen und stolz darauf zu sein, dass man eine schmerzhafte Beziehung zu einer Bezugsperson überstanden hat. Das Loslassen der Scham ist ein großer Schritt Richtung Heilung.

Was genau ist ein Vaterkomplex?

Vaterkomplex und "Daddy Issues" sind keine klinischen Begriffe, sondern haben sich in der Popkultur eingebürgert, um Frauen zu beschreiben, die aufgrund einer gestörten Beziehung zu ihrem Vater mit älteren, unpassenden Männern ausgehen oder andere unbewusste Impulse auf die männlichen Partner in ihrem Leben projizieren.

Das Phänomen ist zurückzuführen auf Sigmund Freuds Begriff des Vaterkomplexes, der beschreibt, wie sich die Beziehung eines Mannes zu seinem Vater auf seine Beziehungen als Erwachsener auswirken kann. Ironischerweise werden Männer heutzutage kaum mit dem Vaterkomplex assoziiert – dabei leiden sie genauso unter ihren emotional nicht verfügbaren Vätern. Jede Person, die mit einem emotional unerreichbaren Vater oder einer anderen männlichen Bezugsperson aufgewachsen ist, kann Daddy Issues entwickeln.

Ursachen: Wie entsteht ein Vaterkomplex?

Vaterkomplexe bei Erwachsenen werden durch ein anhaltendes Bedürfnis nach Verständnis, Liebe, Unterstützung und Anerkennung verursacht, das in der Kindheit nicht erfüllt wurde. Diese Bedürfnisse können sich im Erwachsenenalter in schlechten Beziehungsentscheidungen niederschlagen. Die Wissenschaft hat es bewiesen: Menschen, die in ihrer Kindheit ein gestörtes Verhältnis zu ihren Bezugspersonen hatten, haben als Erwachsene möglicherweise Schwierigkeiten, sich an andere zu binden.

Welche Arten von Eltern-Kind-Beziehungen können einen Vaterkomplex auslösen?

Bestimmte Arten von Eltern-Kind-Beziehungen können einen negativen Einfluss auf die Art und Weise haben, wie die Betroffenen mit ihren Beziehungspartner:inen umgehen. Sie hinterlassen Spuren in den Gefühlen einer Person und beeinflussen ihre Wahrnehmung von Liebe und Vertrauen.

  • Eltern, die ihre Kinder zu sehr verwöhnen schenken ihren Sprösslingen viel Aufmerksamkeit und Liebe, was auf den ersten Blick positiv zu sein scheint. Das kann jedoch unrealistische Erwartungen an das, was sich das Kind als erwachsene Person von Beziehungen erhofft, haben.
  • Eltern, die emotional nicht verfügbar sind, können in der Kindheit vielleicht physisch anwesend sein, bieten aber nicht die emotionale Bindung, die ein Kind braucht. So kann sich der Sprössling verlassen und unvollständig fühlen.
  • Eltern, die gewalttätig oder missbräuchlich sind, können ihn ihren Kindern großes Leid sowie psychische Probleme auslösen.
  • Kontrollierende Eltern möchten sich übermäßig in alle Bereiche des Lebens seines Kindes einmischen und versuchen stets, das Kind vor Enttäuschungen zu schützen. Wenn man damit aufwächst, kann das dazu führen, dass man sich eine:n dominante:n Partner:in sucht.
  • Eltern, die körperlich von ihren Kindern abhängig sind: Ein Kind, das damit aufwächst, sich um die Eltern kümmern zu müssen, weil sie nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen, lässt sich im Erwachsenenalter möglichweise leicht manipulieren oder für finanzielle oder sexuelle Zwecke ausnutzen.

Was sind Anzeichen für Daddy Issues?

  • Angst vor dem Alleinsein: Menschen, die von einer romantischen Beziehung zur nächsten springen, haben häufig Angst vor dem Alleinsein. Diese Angst kann so groß sein, dass sich Betroffene mit jeder erstbesten Beziehung zufrieden geben – selbst wenn sie ungesund scheint.
  • Bedürfnis nach Bestätigung: Aufgrund von Verlustangst, haben Menschen mit Daddy Issues manchmal ein unstillbares Bedürfnis, Liebe zu bekommen. Dies kann in Form von ständiger Zuneigung, ständiger Aufmerksamkeit oder Anerkennung zum Ausdruck kommen. Obwohl sich die Person nach einer tiefen Verbindung sehnt, geht sie oft auf ungesunde Weise vor, um diese zu bekommen. So fragen Betroffene ihre:n Partner:in zum Beispiel immer wieder, ob er:sie wütend auf sie ist, oder stellen immer wieder in Frage, ob sie die richtige Entscheidung getroffen haben. Mit der Zeit kann dies die Beziehung belasten.
  • Interesse an älteren Personen: Eine Person mit Daddy Issues fühlt sich möglicherweise nur zu älteren Personen hingezogen. Eine Beziehung mit Älteren kann das Gefühl geben, dass jemand da ist, der sie beschützt. Ob bewusst oder unbewusst, Betroffene sehnen sich nach der fehlenden Liebe, die sie nie erhalten haben.
  • Eifersucht: Wenn Menschen nicht in einer beständigen, liebevollen Umgebung von ihren frühen Bezugspersonen aufgezogen wurden, haben sie als Erwachsene möglicherweise Schwierigkeiten, gesunde Beziehungen zu führen. Ein Anzeichen für ein Bindungstrauma ist übermäßige Angst oder Eifersucht. Hier liest du, wie man Eifersucht loswerden kann.
  • Sex: Manche Menschen, die in dysfunktionalen Eltern-Kind-Beziehungen aufgewachsen sind, haben das Gefühl, dass Sex ihnen die Liebe geben kann, die sie als Kinder nicht erhalten haben. Sie glauben, dass regelmäßiger Geschlechtsverkehr den:die Partner:in dazu bringt, sie mehr zu lieben.

Welche Auswirkungen hat der Vaterkomplex auf spätere Beziehungen?

Ein Vaterkomplex kann weitreichende Bindungsstörungen auslösen. Darüber hinaus zeigt die Forschung, dass Menschen mit unsicheren Bindungsstilen ein höheres Risiko für chronische Schmerzen, schwere Depressionen, Selbstmord und Drogenmissbrauch haben. Die folgenden Bindungsstile werden mit Daddy Issues in Verbindung gebracht.

  • Unsicher-vermeidende Bindung: Eine erwachsene Person mit dieser Art von Bindungsproblem zieht jemanden in ihre Nähe, um ihn dann wegzustoßen, sobald die Dinge intensiv werden.
  • Unsicher-ambivalente Bindung: Ängstlich-ambivalente Vaterkomplexe führen dazu, dass sich manche Menschen unruhig fühlen, wenn sie nicht mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin zusammen sind. Sie sind sehr anhänglich und haben Angst, verlassen zu werden. Der ängstliche Bindungsstil ist eine häufige Ursache für Bindungsangst.
  • Desorganisierte Bindung: Dieser Typus, der oft als unabhängig und selbstbewusst auftritt, lehnt die Vorstellung ab, dass er jemanden braucht, um ganz zu sein. Er kann sich nach körperlicher Nähe sehnen – und diese auch finden –, vermeidet aber emotionale Verstrickungen und versteckt seine Gefühle, wenn er mit emotional herausfordernden Situationen konfrontiert wird.

Wie äußern sich Vaterkomplexe bei Männern?

Die Abwesenheit oder Nichtverfügbarkeit einer Mutter oder eines Vaters fordert jeweils ihren eigenen Tribut und kann sich bei Söhnen und Töchtern unterschiedlich auswirken.

Im Fall von Vätern und Töchtern, lernt ein junges Mädchen mit einem emotional oder physisch nicht verfügbaren Eltern möglicherweise nicht, wie man eine Partnerschaft auf gesunde Weise führt. Sie lernt nicht, wie eine gesunde Beziehung unter Erwachsenen aussehen könnte. Ein missbrauchender oder gleichgültiges Elternteil kann dazu führen, dass ein heranwachsendes Mädchen oder eine heranwachsende Frau befürchtet, dass sie keine Liebe verdient oder es richtig ist, von Partner:innen schlecht behandelt zu werden.

Männer, die in ihrer Kindheit keine positive Vaterfigur hatten, können in vielerlei Hinsicht Probleme entwickeln. Ohne eine Bezugsperson, die ihnen vorlebt, wie eine gesunde Beziehung zu Menschen und Familie aussieht, können Männer zu abwesenden oder missbrauchenden Vätern und Partnern heranwachsen. Damit einher geht auch ein geringes Selbstwertgefühl, die Unfähigkeit, ihre Emotionen selbst zu regulieren sowie Probleme, sich zu öffnen und sich anderen gegenüber verletzlich zu zeigen. All dies kann ihre Fähigkeit, vertrauensvolle, intime Beziehungen aufzubauen, beeinträchtigen.

Während unsicher gebundene Frauen eher zu einem ängstlich-besorgten Bindungsstil neigen, deuten einige Untersuchungen darauf hin, dass der vermeidend-dissidentische Stil bei Männern häufiger vorkommt.

Wie kann ich einen Vaterkomplex loswerden?

  • Wenn Kinder von ihren Eltern verletzt werden, neigen sie dazu, sich selbst zu hassen, nicht die Eltern. Überlege, wie du dich mit deinen Bezugspersonen gefühlt hast, als du aufgewachsen bist. Welche Überzeugungen über dich selbst hast du entwickelt, als deine Bedürfnisse nicht erfüllt wurden?
  • Lass deine Traurigkeit zu. Gib dir den Raum, über das zu trauern, was du nicht bekommen hast. Nur so kannst du heilen. Schenke deinem Schmerz Anerkennung und dir selbst so viel Liebe und Zuneigung, wie möglich.
  • Frage dich, wie diese Glaubenssätze dein Leben im Hier und Jetzt beeinflussen. Hältst du dich klein? Suchst du nach Bestätigung von außen, um dich gut zu fühlen?

Um Bindungsprobleme zu lösen und die Fähigkeiten zur Emotionsregulierung zu verbessern, kannst du auch die Hilfe eines:einer qualifizierten Therapeut:in in Anspruch nehmen. Diese Expert:innen helfen dir dabei, neue Wege zu finden, um in Zukunft eine gesunde und liebevolle Partnerschaft zu führen.

Fazit: Wie problematisch ist der Begriff Vaterkomplex?

Wie eingangs berichtet, wird der Begriff Vaterkomplex häufig abwertend bezeichnet und vornehmlich gegenüber weiblich gelesenen Personen. In diesem Beitrag haben wir erörtert, woher die Bezeichnnung kommt, was sich dahinter verbirgt und woran man Daddy Issues erkennt. Zahlreiche Studien unterstreichen die Annahme, dass emotional unerreichbare Bezugspersonen unser Bindungsverhalten im Erwachsenenalter beeinflussen können. Die Forschenden unterstreichen aber auch, dass jede Person Vaterkomplexe entwickeln kann – männlich wie weiblich. Genauso können uns auch weibliche Bezugspersonen daran hindern, einen gesunden Bindungsstil zu entwickeln. Um beide Parteien in Schutz zu nehmen – Elternteile, weil sie es vielleicht nicht besser wussten und Kinder, weil sie nichts für ihre Erfahrungen können – wäre der Begriff Bindungstrauma wohl eine bessere Alternative zum Vaterkomplex.

Verwendete Quellen:

  • "Bowlby's secure base theory and the social/personality psychology of attachment styles: Work(s) in progress", psycnet.apa.org, 2002
  • "Attachment Style, Sexual Orientation, and Biological Sex in their Relationships With Gender Role", sciencedirect.com, 2020
  • "Insecure attachment and drug misuse among women", psycnet.apa.org, 2019
  • "Insecure Attachment, Dysfunctional Attitudes, and Low Self-Esteem Predicting Prospective Symptoms of Depression and Anxiety During Adolescence", ncbi.nlm.nih.gov, 2009
joe Brigitte

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