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Desorganisierte Bindung Was ist ein inkonsistenter Bindungsstil?

Desorganisierte Bindung: Junge Frau am Fenster, blickt raus, es regnet
© Africa Studio / Adobe Stock
Die desorganisierte Bindung ist einer der vier Bindungstypen. Woran kann man sie erkennen und wie wirkt sie sich auf unsere Beziehungen aus?

Inhaltsverzeichnis

Wie wir als erwachsene Personen lieben werden, entscheidet sich schon in der frühen Kindheit. Das ist die Annahme, die der Psychoanalytiker John Bowlby in seiner Bindungstheorie vertritt. Ihren Ursprung finden diese Ergebnisse in den 1960er Jahren. Etwa ein Jahrzehnt später beschäftigte sich die Psychologin Mary Ainsworth ebenfalls mit dieser Thematik und entwickelte sie weiter. Dabei heraus kamen die vier Bindungstypen, die ein Großteil der Psycholog:innen auch heute noch für richtig halten. Sie lauten wie folgt:

  1. Unsicher-vermeidende Bindung
  2. Sichere Bindung
  3. Unsicher-ambivalente Bindung
  4. Desorganisierte Bindung

Mit der Bindungstheorie und der Entstehung Aufteilung in Bindungstypen haben wir uns bereits genauer befasst. In diesem Artikel gehen wir detaillierter auf die desorganisierte Bindung ein.

Was ist eine desorganisierte Bindung?

Der desorganisierte Bindungsstil ist eine Kombination aus dem ängstlichen und dem vermeidenden Bindungsstil. Menschen mit desorganisierter Bindung sehnen sich einerseits verzweifelt nach Zuneigung und wollen sie andererseits um jeden Preis vermeiden. Sie zögern, eine enge romantische Beziehung einzugehen, haben aber gleichzeitig das dringende Bedürfnis, sich von anderen geliebt zu fühlen. Das Bindungsverhalten der Betroffenen ist inkonsistent und schwankt zwischen den Extremen von Vermeidung und Ängstlichkeit. Im Allgemeinen ist der desorganisierte Bindungsstil bisher selten und nicht ausgiebig erforscht.

Wie entsteht eine desorganisierte Bindung?

Die Art der Umgebung, die eine desorganisierte Bindung beeinflusst, beinhaltet eine Betreuungsperson, die beängstigend oder traumatisierend ist. Das führt dazu, dass das Kind ein tiefes Gefühl der Angst und einen Mangel an Vertrauen in andere erlebt – obwohl es sich eine enge Bindung wünscht. Die häufigsten Ursachen für einen desorganisierten Bindungsstil sind Kindheitstraumata, Vernachlässigung oder Missbrauch.

Die Bezugspersonen sind jedoch nicht die einzigen, die das Bindungsverhalten prägen. Der Bindungsstil eines Menschen kann auch durch andere wichtige Beziehungen im Laufe seines Lebens beeinflusst werden, zum Beispiel durch Freundschaften und frühere Liebesbeziehungen. Eine Person kann in der Kindheit eine sichere Bindung gehabt haben, während Verrat und Untreue im Erwachsenenalter zu einer unsicheren Bindung führten.

Anzeichen: Woran erkennt man eine desorganisierte Bindung?

Kinder mit einem desorganisiert-unsicheren Bindungsstil zeigen ein unklares Bindungsverhalten. Ihre Handlungen und Reaktionen auf Bezugspersonen sind oft eine Mischung aus verschiedenen Verhaltensweisen, einschließlich Vermeidung oder Widerstand. Diese Kinder werden als verwirrt beschrieben und wirken in Gegenwart einer Bezugsperson manchmal ängstlich.

Bei Erwachsenen erkennt man eine desorganisierte Bindung mithilfe dieser Anzeichen:

  • Angst vor Ablehnung
  • Unfähigkeit, Gefühle zu regulieren
  • Widersprüchliche Verhaltensweisen
  • Schwierigkeiten, anderen zu vertrauen
  • Hohes Maß an Ängstlichkeit

Wie äußert sich die desorganisierte Bindung in Liebesbeziehungen?

In Beziehungen neigen Menschen mit desorganisiertem Bindungsstil zu unvorhersehbarem und verwirrendem Verhalten. Sie sind abwechselnd unnahbar sowie unabhängig und anhänglich sowie emotional. Während sie verzweifelt nach Liebe suchen, stoßen sie ihre Partner:innen aus Angst vor Liebe weg. Sie glauben, dass sie immer zurückgewiesen werden, dabei sind sie es, die emotionale Nähe vermeiden. Sie fürchten sie, und sie suchen sie auch immer wieder, nur um sie dann wieder zurückzuweisen. Darüber hinaus nehmen sie ihre Partner:innen als unberechenbar wahr, verhalten sich aber selbst in ihren Beziehungen auf unberechenbare Weise, da sie zwischen dem Bedürfnis nach Sicherheit und der Angst hin- und hergerissen sind.

Wie kann man eine desorganisierte Bindung heilen?

Auch wenn romantische Bindungen im Erwachsenenalter nicht genau mit frühkindlichen Bindungen übereinstimmen, steht außer Frage, dass unsere frühesten Beziehungen zu Bezugspersonen eine Rolle für die Entwicklung spielen. Wenn du die Rolle der Bindung besser verstehst, kannst du rationaler einschätzen, wie sich die frühesten Bindungen in deinem Leben auf die Beziehungen im Erwachsenenalter auswirken können. Es ist keine Schande, dir dafür Unterstützung zu holen – zum Beispiel in Form einer Therapie. Hier findest du Tipps für die Therapieplatzsuche. Wenn du feststellst, dass du im Laufe deines Lebens Bindungsmuster entwickelt hast, mit denen du dich selbst nicht wohlfühlst, musst du dich nicht schlecht fühlen. Du kannst nichts dafür. Was du stattdessen tun kannst: Gut zu dir selbst sein, voller Mitgefühl und Selbstvertrauen. Sind wir gut zu uns selbst, dann sind wir es auch zu unseren Mitmenschen. 

Verwendete Quellen: 

  • "Secure Base: Clinical Applications of Attachment Theory", traumatys.com, 1988
  • "Adult attachment, stress, and romantic relationships", sciencedirect.com, 2017
  • "Disorganized attachment and defense: exploring John Bowlby’s unpublished reflections", tandfonline.com, 2017
Brigitte

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