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Intersexualität Was zeichnet intersexuelle Personen aus?

Intersexualität: Person mit LGBTQIA-Flagge steht mit dem Rücken zur Kamera
© nito / Adobe Stock
Was bedeutet Intersexualität? Und welche verschiedenen Arten gibt es davon? Hier erfährst du, wann eine Person als intersexuell bezeichnet wird.

Inhaltsverzeichnis

Ein Luftballon platzt. Rosa Konfetti wirbelt durch die Luft. Eine Mini-Rakete verschießt blauen Staub. Diese Rituale werden hierzulande immer beliebter. Auf sogenannten "Gender-Reveal-Partys" , also Geschlechtsenhüllungs-Partys, überraschen werdende Eltern ihre Freunde und Familien mit einem rosa oder blauen Regen, um zu zeigen: Wir bekommen ein Mädchen – oder eben einen Jungen. Dabei ist eine solche Betonung nicht nur für die heranwachsenden Babys irrelevant, sondern wird auch dem breiten Spektrum menschlicher Körper nicht gerecht. Es ist möglich, eine biologische Frau mit Hoden und ein biologischer Mann mit einer Gebärmutter zu sein – und das sind nur zwei von vielen Variationen zwischen den beiden Geschlechtern. Etwa 1,7 Prozent der Menschen sind intersexuell.

Was versteht man unter Intersexualität?

Intersexualität bezeichnet Menschen, die von Geburt an mit Geschlechtsmerkmalen leben, die eine eindeutige Zuordnung in männlich und weiblich nicht zulassen. Oft bezeichnen sich diese Menschen selbst als intergeschlechtlich, aber auch der Begriff Zwitter (manchmal aber als Schimpfwort empfunden) wird hin und wieder als positive Selbstbezeichnung verwendet. Intersexualität bezieht sich nicht auf das Geschlecht einer Person (wie sie sich selbst in Bezug auf die gesellschaftliche Definition von "männlich" und "weiblich" sieht), sondern vielmehr auf die sexuellen Merkmale, mit denen eine Person geboren wird. Dazu können die äußeren Genitalien (Vagina oder Penis), die inneren Fortpflanzungsorgane (Eierstöcke oder Gebärmutter) oder die Geschlechtschromosomen (das genetische Material, das das biologische Geschlecht einer Person bestimmt) gehören. Intersexualität ist weder eine Form der sexuellen Orientierung noch ein medizinisches Problem. Es handelt sich um eine natürliche Abweichung, die sichtbar sein kann – oder auch nicht. Und die gesundheitlich unbedenklich sein kann – oder auch nicht.

Ist man von Geburt an intersexuell?

Bei etwa jedem tausendsten Kind ist das Geschlecht schon bei der Geburt nicht eindeutig zu erkennen. Viele intersexuelle Menschen stellen aber auch erst während der Pubertät oder der finalen Geschlechtsentwicklung fest, dass ihr Körper und ihre Geschlechtsorgane nicht dem Geschlecht entsprechen, das sie eigentlich leben oder fühlen. Es kann also auch nach der Geburt noch körperliche Transformationen geben.

Wie viele Menschen sind intersexuell?

Intersexuelle Geburten sind häufiger, als man denkt. Eine Studie aus dem Jahr 2019 geht davon aus, dass 1,3 von 1.000 Babys mit erkennbaren intersexuellen Merkmalen geboren werden. Andere Studien ergaben, dass die tatsächliche weltweite Intersex-Rate bei etwa zwei Prozent liegt. Zum Vergleich: Das ist in etwa derselbe Prozentsatz an Menschen, die mit roten Haaren geboren werden.

Was ist der Unterschied zwischen transgeschlechtlich, transident und nicht-binär?

Intersexualität ist sowohl ein biologischer Zustand als auch eine Gruppenidentität für Menschen, die historisch stigmatisiert wurden, weil sie mit Körpern geboren wurden, die nicht der binären Definition von "Junge/Mädchen", "Mann/Frau" oder "männlich/weiblich" entsprechen. Was sind die Unterschiede in den Begrifflichkeiten?

  • Transgeschlechtlich/nicht-binär: Trans* Menschen identifizieren sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Manche inter* Menschen fallen in diese Kategorie.
  • Transident: Transidente Menschen sind von Geburt an klar als männlich oder weiblich beschrieben, fühlen sich jedoch dem jeweils gegenteiligen Geschlecht zugehörig.

Ursachen für intersexuelle Variationen

  • Chormosomenkombinationen
    Viele intersexuelle Geburten sind auf Variationen der Geschlechtschromosomen zurückzuführen, die sie von ihren Eltern erben. Um das zu verstehen, müssen wir in die Biologie eintauchen. In den meisten Fällen steuert die Mutter ein X-Chromosom bei, während der Vater entweder ein X- oder ein Y-Chromosom verleiht. Ein Großteil der intersexuellen Menschen hat Chromosomenkombinationen, die sich von XY (typisch für Männer) und XX (typisch für Frauen) unterscheiden. Diese Kombinationen können zu Abweichungen bei den äußeren Genitalien, den inneren Geschlechtsorganen und den Geschlechtshormonen führen.
  • Hormonspiegel
    In einigen Fällen verändern sich die Geschlechtsmerkmale eines Fötus, wenn der Testosteron- oder Östrogenspiegel zu hoch oder zu niedrig ist. Auch dies kann genetisch bedingt sein, aber auch durch Krankheiten, Medikamente oder Gifte verursacht werden, die die Produktion von Hormonen stören.

Welche Arten von Intersexualität gibt es?

Für die Bestimmung der Intergeschlechtlichkeit müssen Hormone und Gene mittels Blutuntersuchungen überprüft werden. Vornehmlich sind es Gendefekte, die eine klare Einteilung der Chromosomen in XX (Frau) oder XY (Mann) verhindern. Da diese bei unauffälligem Aussehen nicht routinemäßig nach der Geburt festgestellt werden, kommt es oft vor, dass bei manchen Menschen Intergeschlechtlichkeit erst viel später festgestellt wird.

Insgesamt gibt es sehr viele Ausprägungen und Syndrome von Intergeschlechtlichkeit, daher stellen wir in Kürze zwei bekannte Merkmale vor.

  • AGS: Das Adrenogenitale-Syndrom ist am weitesten verbreitet. Dabei weisen die Babys zwar weibliche Chromosomen auf, gleichzeitig kommt es aber zu einer verstärkten Produktion von Androgenen, wie etwa Testosteron. Wenn keine Behandlung erfolgt, kommt es mit der Zeit zu einem Vermännlichen der äußeren Geschlechtsmerkmale.
  • AIS: Das Androgenresistenz-Syndrom zeichnet sich dadurch aus, dass Betroffene mit männlichen Chromosomen (XY) geboren werden, jedoch der Körper die ausgeschütteten Androgene (männliche Hormone) teilweise nicht annimmt. In der Folge können die Genitalien weiblich erscheinen und da sich die Hoden im Inneren befinden, werden die "Mädchen“ oft erst in der Pubertät überrascht, wenn die Menstruation ausbleibt.

Intergeschlechtliche Menschen möchten mit Begrifflichkeiten wie "Syndrom" oder "Defekt" nicht als krank angesehen werden, da sie nicht in jedem Fall behandelt werden müssen. Vielmehr kann von einem natürlichen Charakteristikum gesprochen werden. Inter* bedeutet übersetzt "zwischen zwei oder mehreren Merkmalen" und ermöglicht schlichtweg neue Informationen – keine Krankheiten.

Wie ist die rechtliche Situation von intersexuellen Menschen in Deutschland?

  • Gerade für Eltern kann der Umgang mit einem intergeschlechtlichen Kind eine Herausforderung sein. Für eine lange Zeit haben Ärzte den Eltern empfohlen, sich frühzeitig im Kindesalter für Operationen und Eingriffe und damit auch für die klare Festlegung auf ein Geschlecht zu entscheiden. Das hing auch damit zusammen, dass gesetzlich bereits in der ersten Woche nach der Geburt mit dem Geschlechtseintrag eine Einteilung in männlich oder weiblich verlangt wurde.
  • Im Jahr 2005 wurden die Leitlinien für geschlechtsangleichende Operationen angepasst. Nicht nur Eltern, sondern auch Kinder sollten darüber entscheiden dürfen – wenn sie alt genug sind. Rund 21 Prozent der intersexuellen Kinder unter 10 Jahren wurden trotzdem operiert, obwohl es keine medizinische Notwendigkeit gab.
  • Im Jahr 2021 wurde das Gesetz zu geschlechtsangleichenden Operationen erneut verändert. Operationen, die nur zum Ziel haben, das körperliche Erscheinungsbild eines Kindes an das männliche oder weibliche Geschlecht anzupassen, sind verboten. Die Operationen müssen seitdem einzig dem Wohl des Kindes dienen.
  • Seit Ende 2018 ist das sogenannte dritte Geschlecht laut Personenstandsgesetz akzeptiert und inter* Menschen können sich unter der Bezeichnung "divers" eintragen lassen. Demzufolge ist auch der Druck nicht mehr so hoch, die viel kritisierten Operationen verfrüht durchzuführen. So können die Kinder später selbst entscheiden, ob sie sich einem Geschlecht zugehörig fühlen oder ihre Rolle als inter* Person in der Gesellschaft und im Alltag leben möchten.

Diskriminierung intersexueller Menschen

Intersexuelle Personen sind auch heutzutage noch immer wieder Verachtung, Missbrauch, Diskriminierungen und körperlichen Schäden ausgesetzt. Selbst in der Medizin wurden intersexuelle Variationen lange Zeit als Störungen der sexuellen Entwicklung bezeichnet. Ein im Jahre 2021 verabschiedetes Gesetz zum Verbot von Geschlechtsangleichungen bei intergeschlechtlichen Kindern hat darunter zwar einen Schlussstrich gezogen, doch fühlen sich Betroffene häufig immer noch ausgegrenzt und falsch. Aus diesen Gründen bezieht sich das "I" in "LGBTQIA+*" auf intersexuelle Menschen, obwohl intersexuell zu sein keine sexuelle Orientierung ist. Studien in den USA haben ergeben, dass diese Diskriminierung die psychische Gesundheit von intersexuellen Menschen beeinträchtigen kann.

Zusammenfassung

Es gibt viele Variationen von Intersexualität. Manchmal werden intersexuelle Merkmale bei der Geburt festgestellt, während andere erst später im Leben (oder gar nicht) erkannt werden. Intersexuelle Menschen werden häufig diskriminiert und sind schädlichen Praktiken ausgesetzt, die ihnen die Autonomie über ihren eigenen Körper nehmen. Dazu gehört die Durchführung von geschlechtszuweisenden Operationen direkt nach der Geburt, die den Eindruck erwecken, dass intersexuelle Menschen anormal sind – obgleich sie gesunde Körper haben. Eine wachsende Intersex-Bewegung hat sich zum Ziel gesetzt, diese Einstellungen zu ändern, indem sie das Bewusstsein für die Rechte intersexueller Menschen schärft und für sie eintritt.

Auch bei der sexuellen Orientierung gibt es viele Formen. Hast du dich schon mal gefragt: Was ist pansexuell? Oder was ist Sapiosexualität? Zu guter Letzt verraten wir dir auch noch den Unterschied zu demisexuell, Allosexualität, bigender und omnisexuell.

Verwendete Quellen:

  • "Intergeschlechtlichkeit – Was ist das?" im-ev.de, Stand: Juli 2023
  • "Intersexualität / intersexuell", Sauer, Arn (2018): LSBTIQ-Lexikon. Grundständig überarbeitete Lizenzausgabe des Glossars des Netzwerkes Trans*Inter*Sektionalität. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn
  • "Bundestag verabschiedet Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung", im-ev.de, Stand: Juli 2023
  • "A national study on the physical and mental health of intersex adults in the U.S.", journals.plos.org, 2020
  • "Intersex", medlineplus.gov, Stand: Juli 2023
  • "Explaining Disorders of Sex Development & Intersexuality", healthychildren.org, Stand: Juli 2023
  • "inter*", antidiskriminierungsstelle.de, Stand: Juli 2023
Brigitte

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