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Nähe-Distanz-Problem Wie findet man die Balance in einer Beziehung?

Mann und Frau sitzen auf dem Sofa und halten Hände
© Westend61 / Adobe Stock
Das Nähe-Distanz-Problem kann zu Konflikten in Beziehungen führen. Was es damit auf sich hat, woran du es erkennst und wie du es löst, erfährst du hier.

Inhaltsverzeichnis

Wenn es um Beziehungen geht, haben wir Menschen zwei Grundbedürfnisse: das Bedürfnis nach Kontakt und Nähe zu uns selbst sowie das Bedürfnis nach Liebe und Bindung zu anderen. Das klingt erstmal einfach. Kompliziert wird es jedoch, wenn die Beziehungspartner:innen ein unterschiedliches Bedürfnis nach Nähe und Distanz haben oder wenn wir in uns selbst ein Ungleichgewicht zwischen diesen Grundbedürfnissen haben. In beiden Fällen spricht man von einem Nähe-Distanz-Problem.

Wie entsteht ein Nähe-Distanz-Problem?

Es gibt verschiedene Ursachen für ein Nähe-Distanz-Problem. Hier findest du alle auf einen Blick.

  • Dynamischer Prozess: Unsere Persönlichkeit verändert sich ein Leben lang und mit ihr die Bedürfnisse, die wir in Bindungen zum Glücklichsein brauchen. Genauso wandelt sich die Paardynamik. In der Verliebtheitsphase verbringen wir gerne viel Zeit miteinander, während wir im Laufe der Beziehung distanzierter werden. Der Alltag kehrt ein, wir widmen uns Hobbys, Freunden oder brauchen einfach mal Zeit für uns selbst. Genauso gut kann es aber auch andersrum sein. Der dynamische Prozess ist ebenfalls eng gekoppelt an die Lebensphase, in der wir uns befinden. Insbesondere junge Menschen befinden sich in Selbstfindungsprozessen und benötigen Freiräume, um sich auszuprobieren. Im Laufe der Beziehung kann sich dies ebenso ändern. Belastend wird es, wenn dieser Ausgleich nicht auf eine Gegenkraft trifft, sprich: Wenn eine Person klammert, sich der oder die Partner:in aber zunehmend distanziert.
  • Persönliche Erfahrungen: Nahezu jedes Kind erlebt in frühen Jahren eine Missachtung der beiden Grundbedürfnisse. Daraus resultiert ein Gefühl von Verlassenheit (wenn der Wunsch nach Nähe missachtet wird) sowie ein Gefühl von Vereinnahmung (wenn der Wunsch nach Distanz missachtet wird). Diese Erfahrungen resultieren in Grundängsten und manchmal sogar in Persönlichkeitsstörungen, die uns lebenslang – meist unterbewusst – begleiten. Wenn wir also in der Kindheit oft das Gefühl hatten, verlassen zu sein, dann werden wir in Liebesbeziehungen eher zur klammernden Person. Andersherum suchen Menschen, die als Kind stark vereinnahmt und bevormundet wurden, mehr Freiraum in Liebesangelegenheiten. Auch vorausgegangene Partnerschaften haben Einfluss auf unser Nähe-Distanz-Verhalten in neuen Beziehungen. Wurden wir in einer vergangenen Beziehung stark eingeengt, suchen wir in neuen Liebesbeziehungen nach Freiraum. Hat man uns betrogen oder belogen, ist die Angst vor Verlust größer – wir sehen uns deshalb nach Nähe. Alle unsere Erfahrungen sind in unserem Emotionsgedächtnis gespeichert und haben Einfluss auf unser Bindungsverhalten.
  • Bindungstraumata: Aufgrund individueller Vorbelastungen entwickeln viele von uns Ängste in Bezug auf Nähe oder Distanz in zwischenmenschlichen Beziehungen. Dazu zählt unter anderem eine Bindungsangst, welche häufig aus einem angeschlagenen Selbstwertgefühl oder Bindungstraumata resultiert. Gegensätzlich dazu gibt es aber auch eine Verlustangst, die sogenannte Co-Abhängigkeit, die unter anderem dadurch entstehen kann, dass wir in der Vergangenheit hintergangen worden sind.

Anzeichen eines Nähe-Distanz-Problems

Nähe-Distanz-Probleme lassen sich an unterschiedlichen Signalen erkennen. Hier findest du alle auf einen Blick:

Beim Wunsch nach Distanz:

  • Reizbarkeit
  • Abgrenzung vom Partner oder der Partnerin
  • Gespräche werden seltener
  • Verlagern von Prioritäten
  • Kaum Aufmerksamkeit und Beachtung
  • Konflikte

Beim Wunsch nach Nähe:

  • Ignorieren von Grenzen
  • Klammern am Partner oder der Partnerin
  • Suche nach Bestätigung
  • Suche nach permanentem Kontakt
  • eifersüchtiges Verhalten
  • Konflikte
© Brigitte

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Was sind die Folgen des Nähe-Distanz-Problems?

Wenn ein:e Partner:in ein ausgeprägtes Distanzbedürfnis hat und die andere Person zum Klammern neigt, kann es schnell zum Konflikt kommen. Wir Menschen sind Individuen und nehmen aufgrund unserer ganz persönlichen Bedürfnisse die Partnerschaft unterschiedlich wahr. Die klammernde Person könnte sich abgelehnt oder nicht wertgeschätzt fühlen, wenn der oder die Beziehungspartner:in auf Distanz aus ist. Daraus ergeben sich enttäuschte Erwartungen, Schuldzuweisungen, Konfrontationen und Missverständnisse. Gleichzeitig kann sich aber auch die Distanz-Person eingeengt und bedrängt fühlen, wenn die Nähe-Person zu viel Zweisamkeit braucht. Es fehlt die sogenannte Luft zum Atmen. Dies bringt ebenfalls ungute Gefühle mit sich. Weil die Beziehungsbedürfnisse beider Menschen unerfüllt bleiben, ist das Resultat in beiden Fällen eine unglückliche Beziehung, teilweise sogar eine On-Off-Beziehung, was im schlimmsten Fall in einer Trennungskrise enden kann.

Wie kann man das Nähe-Distanz-Problem überwinden?

Mache dir oder deinem Partner, beziehungsweise deiner Partnerin niemals Vorwürfe, wenn das Verhältnis zwischen Nähe und Distanz in eurer Beziehung aus dem Gleichgewicht gerät. Unsere Vorbelastungen sind der Grund für den Bindungsstil, Beziehungsängste oder Bindungstraumata. Dafür können wir nichts. Vielleicht liegt es an unseren Kindheitserfahrungen, vielleicht aber auch daran, dass uns eine toxische Beziehung geprägt hat. Das Gute ist, dass nichts in Stein gemeißelt ist. Wir können aktiv dafür sorgen, dass wir heilen und eine erfüllende Beziehung eingehen, in dem wir das Zwiegespräch mit dem oder der Partner:in suchen oder schon bei der Partnerwahl darauf achten, ob die Bindungsmuster miteinander harmonieren.

Nähe-Distanz-Problem in Partnerschaften lösen

  1. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um das Nähe-Distanz-Problem anzugehen. Essenziell ist ein Zwiegespräch. Wichtig dafür ist, dass ihr euch aktiv Zeit dafür nehmt und das Gespräch nicht zwischen Tür und Angel führt. Plant dieses Gespräch und macht euch Gedanken über eure Empfindungen sowie eure Wünsche und Bedürfnisse. Wichtig dabei ist, dass ihr möglichst gewaltfrei kommuniziert. Verzichtet auf Manipulationsversuche und Schuldzuweisungen. Redet stattdessen über eure Gefühle und vor allem: Begegnet euch offen und respektvoll.
  2. Wenn ihr nach dem Gespräch den Entschluss gefasst habt, eure Beziehung retten zu wollen, dann geht es weiter mit dem nächsten Schritt. Entwickelt neue Routinen, wenn ihr die Bedürfnisse eures Gegenübers kennt. Vielleicht plant ihr private Aktivitäten und gemeinsame Hobbies fest in eurem Terminkalender ein, indem ihr euch fragt, wann ihr gemeinsam Zeit verbringen wollt und wann ihr Zeit für euch selbst braucht. Vielleicht legt ihr aber auch fest, dass ihr nach Feierabend physische Distanz sucht, um eurem Sportprogramm nachzugehen oder den Tag ganz für euch selbst zu verarbeiten. Egal, welche Lösung ihr finden werdet – das Ziel ist ein Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz.
  3. Falls ihr zu zweit auf keinen gemeinsamen Nenner kommt, aber die Beziehung nicht aufgeben wollt, kann auch professionelle Hilfe in Form einer Paartherapie ein Ansatz sein. Hier können Konflikte nachhaltig gelöst und Bindungstraumata an der Wurzel gepackt werden.

Nähe-Distanz-Problem beim Kennenlernen lösen

  1. Auch in der Kennenlernphase kommst du nicht ums Kommunizieren herum. Trau dich, deine Bedürfnisse klar zu benennen – schließlich geht es um dich und dein Liebesglück. Wenn du ein Mensch bist, der viel Nähe und Zuneigung braucht, dann ist eine Person mit großem Freiheitsdrang vielleicht nicht immer die beste Wahl – auch wenn ihr viele andere Gemeinsamkeiten habt. Solange ihr euch offen und ehrlich miteinander austauscht, können viele Beziehungsprobleme schon früh vermieden werden.
  2. Beobachte auch dich selbst. Gerade beim Kennenlernen neigen wir gerne dazu, der Person Prioritäten einzuräumen, die noch nicht angebracht sind – vielleicht aus fehlender Selbstliebe und der Suche nach Bestätigung. Genauso kann es aber auch sein, dass wir aufgrund von Beziehungsängsten sehr distanziert sind und der Person kaum eine Chance geben, uns wirklich kennenzulernen. Versuche, deine Bedürfnisse nach Nähe und Distanz im Gleichgewicht zu halten, indem du dich immer wieder selbst reflektierst.

Was tun, wenn sich das Nähe-Distanz-Problem nicht lösen lässt?

Es kann nie verkehrt sein, eine Beziehung oder eine Ehe retten zu wollen. Ganz im Gegenteil: Es zeugt von Mut und Reife, sich Problemen zu stellen. Doch manchmal müssen wir einsehen, dass es uns nur noch unglücklicher macht, an einer unglücklichen Beziehung festzuhalten. Die wahre Liebe muss nicht für immer sein und Trennungen sind kein Zeichen von Versagen. Loslassen ist schwer und ruft Liebeskummer und Trennungsschmerz hervor. Loslassen macht aber auch Platz für neues.

Warum ist Distanz in einer Beziehung wichtig?

Dass wir in einer Beziehung mit unserem Partner oder unserer Partnerin eine Symbiose eingehen müssen, ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Eine Partnerschaft besteht nicht ausschließlich aus physischer und psychischer Nähe. Ganz im Gegenteil. Distanz ist essenziell für die Liebe. Auch wenn wir eine Liebesbeziehung eingehen, bleiben wir ein Individuum. Ein autonom lebendes Wesen mit eigenem Freundeskreis, Hobbys, Meinungen und Gedanken. Mit psychischer Nähe geht immer auch die psychische Distanz einher. So ist gewährleistet, dass wir etwas Eigenes erleben und uns selbst treu bleiben. Denn das ist doch die wahre Magie der Liebe: Dass wir individuelle Menschen sind, aber trotzdem ein gemeinsames Leben führen können. Am Ende ist es die Distanz, die Nähe schafft.

Fazit: Was ist das optimale Verhältnis von Nähe und Distanz in einer Beziehung?

Wie eingangs erwähnt, ist die Verteilung von Nähe und Distanz in der Partnerschaft dynamisch. Sie ist stetig im Wandel und bedingt durch unsere Lebensphase, die Beziehungsphase oder andere äußere Einflüsse wie Beruf und Schicksalsschläge. Durch diesen fortlaufenden Prozess sind wir immer wieder angehalten, die Balance zu finden und an der Beziehung zu arbeiten. Denn so schön die Liebe auch sein kann, sie wird nicht so erfüllend bleiben, wenn wir nicht immer und immer wieder unsere Beziehungsmuster und Verhaltensweisen innerhalb der Beziehung hinterfragen und optimieren. Essenziell dafür ist, stets miteinander zu kommunizieren und niemals mit den eigenen Bedürfnissen hinter dem Berg zu halten. Das Verhältnis von Nähe und Distanz in Beziehungen lässt sich nicht pauschalisieren. Es muss sich für alle Beteiligten gut anfühlen. Manchmal brauchen wir viel Abstand, manchmal mehr Nähe. Das alles ist völlig legitim und umsetzbar, sofern wir darüber reden.

Verwendete Quellen:

Brigitte

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