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Beim Kinderarzt: Die wichtigsten Fragen

Impfung ja oder nein? Mandeln raus? Antibiotika oder lieber nicht? Was ist eigentlich richtig? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Ist Krankengymnastik sinnvoll?

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"Unser elf Monate alter Sohn krabbelt noch nicht. Die Kinderärztin hat Krankengymnastik verschrieben. Es gibt jedes Mal Geschrei - das ist doch keine Förderung, sondern Stress pur!"

Immer noch hält sich das Vorurteil, dass ein Kind krabbeln muss, bevor es laufen lernen kann. Dabei fängt etwa jedes siebte Kind ohne Krabbel-Vorstufe an zu laufen. Außerdem gibt es riesige zeitliche Unterschiede: Ein Kind läuft mit neun Monaten, das andere erst mit anderthalb Jahren. Wenn Ihr Sohn sich sonst in seiner Motorik gut entwickelt, ist Krankengymnastik also unnötig. Fragen Sie Ihre Kinderärztin, ob die "Krabbelschulung" der einzige Grund für die Verschreibung war.

Müssen all die Impfungen wirklich sein?

"Andauernd müssen wir mit unserem Baby zum Impfen. Dabei haben wir unsere Zweifel... Sind wir denn eigentlich dazu verpflichtet, diese ganzen Termine mitzumachen?"

Impfungen sind in Deutschland keine Pflicht, es gibt aber Immunisierungen, die von der Stiko (Ständigen Impfkommission) empfohlen und deswegen von den Krankenkassen bezahlt werden. Doch nicht alle Kinderärzte finden die Impfempfehlungen sinnvoll. So ist umstritten, ob die Windpockenimpfung schon mit einem Jahr sein muss, denn mit zehn Jahren haben 94 Prozent der Kinder eine echte Windpockeninfektion durchgemacht, die meist komplikationslos verläuft und lebenslang schützt. Der Impfschutz dagegen wird mit der Zeit schwächer. Es besteht deshalb die Gefahr, sich als Erwachsener zu infizieren und dann schwer zu erkranken. Viele Kinderärzte raten deshalb dazu, erst dann zu impfen, wenn ein Kind mit zwölf Jahren immer noch keine Windpocken hatte.

Grundsätzlich aber ist zu sagen: Es gibt heute viel mehr Impfungen als früher. Und das hat dazu beigetragen, gefährliche Krankheiten und ihre Komplikationen sehr stark zurückzudrängen. Mehr dazu finden Sie unter www.brigitte.de/impfen.

Was tun bei Bettnässen?

"Unsere Tochter ist vier und pinkelt nachts noch ins Bett. Wir sind mit den Nerven am Ende, aber der Kinderarzt will nichts unternehmen."

Die meisten Kinder sind mit drei tagsüber und mit vier nachts trocken. Wegen der großen individuellen Unterschiede reagieren Kinderärzte aus gutem Grund erst, wenn ein Kind mit fünf Jahren noch mindestens zweimal im Monat das Bett nass macht: Dann wird mit Hilfe von Ultraschall und Labortests nach körperlichen Ursachen geforscht.

Eine Vierjährige wird aber wahrscheinlich bald ganz von selbst trocken. Man kann ihr dabei helfen: etwa mit einem Kalender, auf den man nach jeder trockenen Nacht eine Sonne malt. Wenn das nicht hilft, gibt es Klingelhosen oder -matten, die das Kind beim ersten Tropfen mit einem Ton wecken sollen. Das Geräusch lässt aber oft eher die Eltern aufschrecken als ein Kind im Tiefschlaf. Medikamente, die die Harnbildung hemmen, werden im Allgemeinen erst bei älteren Kindern eingesetzt.

Ist mein Kind zu dick?

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"Die Kinderärztin findet unser Kind zu dick. Dabei ist es rundum gesund! Bei uns in der Familie sind wir eben alle etwas mollig."

Schlankheitswahn ist bei Kindern bestimmt nicht angebracht. Aber wenn ein Kind deutlich zu dick ist, wird das im wahrsten Sinne des Wortes häufig zur Last für sein ganzes Leben. Gerade hat eine dänische Studie bestätigt, dass zu dicke Kinder als Erwachsene ein deutlich höheres Infarktrisiko haben, selbst wenn sie dann schon nicht mehr übergewichtig sind. Der liebende Blick der Eltern ist übrigens oft blind. In einer britischen Untersuchung erkannte nur ein Viertel der Eltern von übergewichtigen Grundschulkindern, dass ihr Kind tatsächlich objektiv zu schwer war.

Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Ihr Kind zu Übergewicht neigt, bietet ein Internet-Test erste Anhaltspunkte. Fragen Sie auch Lehrer oder Erzieherinnen, ob sie den Eindruck haben, dass Ihr Kind sich im Vergleich zu Gleichaltrigen gern und ausreichend bewegt.

Praxis oder Hausbesuch?

"Neulich hatte unsere zweijährige Tochter hohes Fieber. Der Kinderarzt hat trotzdem verlangt, dass wir mit ihr in seine Praxis kommen, und hat sich geweigert, sie bei uns zu Hause zu untersuchen."

Eigentlich gehört es zu den Pflichten von Praxisärzten, ins Haus zu kommen, wenn ein Besuch der Praxis der Patientin oder dem Patienten aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann. Zumutbar oder nicht - darüber gehen die Meinungen von Kinderärzten und Eltern allerdings häufig auseinander. Hohes Fieber bei einem Kind sehen die meisten Ärzte nicht als zwingenden Grund für einen Hausbesuch.

Für die Untersuchung in der Praxis spricht, dass dort viel sicherer und schneller eine Diagnose gestellt werden kann, weil zum Beispiel Blut-, Urin- oder Ultraschalluntersuchungen sofort gemacht werden können. Bevor man sich für einen Kinderarzt entscheidet, kann man vorab klären, ob er auch Hausbesuche macht.

Sind Antibiotika sinnvoll?

"Unsere Dreijährige hatte schon öfter Mittelohrentzündung. Aber der Kinderarzt verschreibt nie ein Antibiotikum. Würde die Entzündung damit nicht schneller heilen?"

Da gehen die Meinungen weit auseinander. In Holland bekommt nur jedes dritte Kind mit Mittelohrentzündung ein Antibiotikum, in den USA sind es über neunzig Prozent. Viele Studien haben aber gezeigt, dass eine unkomplizierte Mittelohrentzündung mit und ohne Antibiotika gleich schnell abklingt. Meist überwiegen also die Nachteile einer Antibiotika-Behandlung wie Übelkeit und Durchfall und die Gefahr, resistente Keime zu züchten. Antibiotika machen Sinn bei Kindern unter drei Jahren, wenn die Kinder sich richtig krank fühlen und Fieber haben oder wenn sich die Beschwerden nach zwei bis drei Tagen nicht bessern.

Müssen die Mandeln raus?

"Unser Sohn kommt bald in die Schule. Der HNO-Arzt meint, wir sollen ihm vorher noch die Mandeln rausnehmen lassen, weil er zwei-, dreimal pro Jahr eine Mandelentzündung hat. Aber ist das wirklich sinnvoll?"

Hier lohnt es sich, eine zweite Meinung einzuholen, zum Beispiel vom Kinderarzt. Denn die Mandeln haben eine wichtige Abwehrfunktion, damit Keime nicht bis in Bronchien und Lunge vordringen. Eine Mandelentfernung kann Sinn machen, wenn eitrige Entzündungen sehr häufig (mehr als sechsmal pro Jahr) auftreten, wenn die Mandeln chronisch entzündet oder extrem vergrößert sind. Denn dann können sie Schlucken und Atmung behindern, das Kind schnarcht oder hat im Schlaf sogar Atemaussetzer und ist dann tagsüber müde und unausgeglichen. Übrigens gibt es auch eine schonendere Methode als die herkömmliche Operation: Dabei werden die Mandeln nicht komplett entfernt, sondern lediglich mit dem Laser verkleinert.

Ist mein Kind hyperaktiv?

"Unser achtjähriger Sohn eckt in der Schule an. Seine Lehrerin und der Kinderarzt halten ihn für hyperaktiv und wollen ihn mit einem Medikament ruhigstellen. Aber zu Hause kommen wir ganz gut mit ihm klar... "

Die Diagnose ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitätssyndrom) sollte immer ein Experte stellen (etwa in einer Spezialambulanz oder beim Kinderpsychiater). Laut einer US-Studie werden immer wieder Kinder mit Methylphenidat oder anderen Wirkstoffen (Produktnamen u. a. "Ritalin", "Strattera", "Concerta") behandelt, bei denen die Diagnose gar nicht sicher ist. Dabei können die Pillen Nebenwirkungen wie Schlafstörungen, Depressionen oder Gewichtsabnahme haben. Generell verteufeln sollte man die Medikamente aber nicht. Denn eingebettet in ein therapeutisches Gesamtkonzept können sie in schweren Fällen für ADHS-Kinder der einzige Weg sein aus dem Teufelskreis von überschießender Aktivität und Aggression und Außenseiterdasein. Manche Eltern möchten aber zunächst lieber eine sanftere Methode versuchen, z. B. Homöopathie, Biofeedback oder gezielte Bewegungsprogramme.

Fachliche Beratung: Dr. Franz Bundscherer, Kinderarzt

Text: Dr. Sabine Thor-Wiedemann Foto: Getty Images Illustration: Andreas Jakobs Ein Artikel aus der BRIGITTE 25/08

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