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Start-up gründen: Franziska von Hardenberg übers Gründen

Gerade mal vier Prozent der Start-ups in Deutschland werden allein von Frauen gegründet. Woran liegt das, und wie könnte man es ändern? Die zweifache Gründerin Franziska von Hardenberg hätte da ein paar Ideen.

Vor ein paar Monaten erschien ein Artikel über Sie und andere Gründerinnen, danach hagelte es im Netz gehässige Kommentare. "Würden Frauen weniger Zeit mit Schminken verbringen, wären sie als Gründerinnen erfolgreicher" – das war noch einer der netteren Sprüche. Haben Sie so etwas auch schon in der realen Welt erlebt?

Franziska von Hardenberg: In dieser Schärfe noch nie, Gott sei Dank. Die Reaktionen auf diesen Artikel haben mich deshalb auch sehr erschüttert. Ich hatte wirklich gedacht, wir wären da schon weiter. Doch blöde Kommentare bekomme auch ich manchmal.

Welche zum Beispiel?

Als ich letztens einem Bekannten, der selbst in der Start-up-Szene ist, auf Instagram schrieb, dass ich mein Label "Holy Goldy" gegründet habe, schrieb er zurück: "Schmuck, wie nett, machen ja viele Frauen mit reichem Mann, schön, dass du was gefunden hast, was dir Spaß macht." Als ob mein Business – das ich im Übrigen allein finanziert habe – mein kleines Hobby wäre, neben meinen zwei Kindern. Bullshit!

Wie haben Sie darauf reagiert?

Ich habe ihm mal kurz meine Umsatzzahlen der letzten Monate um die Ohren geknallt.

Studien zufolge hat die Start-up-Szene in Deutschland ein massives Sexismus-Problem. Mehr als die Hälfte der Mitarbeiterinnen von Start-ups haben laut Umfragen schon anzügliche Kommentare zu hören bekommen, etwa 30 Prozent wurden unerwünscht berührt. Haben Sie solche Erfahrungen auch schon gemacht?

Mir selbst ist so was zum Glück noch nie passiert. Aus meinem persönlichen Umfeld kenne ich solche Geschichten aber schon. Gerade erst hat mir eine gute Freundin, die ein großes und sehr erfolgreiches Start-up gegründet hat, erzählt, dass sie einem Mitarbeiter gekündigt hat, der wiederholt Praktikantinnen offensiv angebaggert hat. Vielleicht verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit manchmal leichter, wenn man so eng zusammenarbeitet wie in einem Start-up. Vieles wird auch aus Angst oder Scham nicht angezeigt.

Warum, glauben Sie, ist Ihnen selbst so etwas noch nicht passiert?

Das ist sehr schwer zu formulieren, ohne dass es überheblich klingt oder andere Erfahrungen wegwischt. Ich versuche es mal so: Ich begegne Männern auf Augenhöhe. Ich bin sehr oft mit Männern unterwegs, auch abends, denn viele Deals werden immer noch zwischen drei und vier Uhr nachts an der Bar gemacht.

Für Frauen ein eher schwieriges Setting.

Mir ist es immer gelungen, klare Grenzen zu ziehen. Wenn du mit am Tisch sitzen willst, musst du das Spiel in gewisser Weise mitspielen. Ich finde es schlimm, dass viele Frauen sich aus Sorge, dass Grenzen überschritten werden könnten, erst gar nicht mehr in solche Settings begeben – und sich damit um viele Chancen bringen.

Was hilft Ihnen, das Spiel gut mitzuspielen?

Ich habe ein gesundes Selbstbewusstsein, Respekt vor Leistung, aber keine Scheu, erfolgreichen Männern auf gleicher Ebene zu begegnen. Als ich vor Kurzem Olli Kahn auf einer Veranstaltung getroffen habe, habe ich ihm meine Visitenkarte in die Hand gedrückt und ihm gesagt: "Wenn ich mal was für dich tun kann, melde dich, du hast ja jetzt meine Nummer." Aber wer weiß es schon sicher, vielleicht habe ich bisher auch einfach nur Glück gehabt.

Was denken Sie, muss sich in der Szene verändern, damit auch andere Frauen keinen Sexismus mehr erfahren?

Wir müssen diese Buddy-Bande aufbrechen. Aber das geht nur mit den Jungs zusammen, nicht gegen sie – davon bin ich überzeugt. Mir hat mal eine Freundin gesagt: Wenn ein Mann Angst vor dir bekommt, wird er immer versuchen, dich auszustechen. Da ist was Wahres dran.

Auch abseits von Sexismus gibt es offenbar Hindernisse für Gründerinnen – nur vier Prozent der Start-ups in Deutschland werden allein von Frauen gegründet, sprich: ohne einen männlichen Mitgründer. Und nur bei zehn Prozent sitzt eine Frau mit im Gründungsteam.

Bei diesen Zahlen muss man wissen: Sie beziehen sich vor allem auf mit Venture-Capital, also mit Risikokapital geförderte, wirklich große Start-ups. Es kann funktionieren, so etwas mit einer Familie zu vereinbaren, siehe Lea-Sophie Cramer, Online-Unternehmerin und Mutter zweier Kinder, die mit dem Start-up "Amorelie" enormen Erfolg hatte. Aber es ist knüppelhart. Die ersten fünf Jahre bist du sicher 90 Stunden in der Woche mit dem Aufbau deiner Firma beschäftigt.

Das muss man wollen.

Genau. Aber es ist ja nicht die einzige Form zu gründen. In Deutschland sind fast 40 Prozent aller Selbstständigen Frauen, und es werden immer mehr: Ärztinnen, Physiotherapeutinnen, Goldschmiedinnen ... Nicht jede muss ein "Unicorn", ein milliardenschweres Start-up führen. Es ist oft schon schwer genug, seinen eigenen kleinen Laden zu schmeißen. Auch für diese Frauen brauchen wir bessere Bedingungen.

Dann fangen wir doch mal mit der Vereinbarkeit an. Was würde Gründerinnen mit Kindern das Leben erleichtern?

Da denke als Erstes an ein automatisches Anrecht auf Mutterschutz. Das hat man als Selbstständige nämlich nicht. Und warum darf man das Elterngeld nicht zweckgebunden für Kinderbetreuung einsetzen? Das hätte mir nach der Geburt meiner zwei Töchter sehr geholfen, mein Unternehmen weiter aufzubauen. Das Elterngeld soll jetzt zwar reformiert werden, doch ich finde: Die besondere Situation von Freiberufler*innen wird dabei nicht genug berücksichtigt. Die meisten Selbstständigen, die ich kenne, mussten spätestens acht Wochen nach der Geburt wieder arbeiten, weil sie es sich schlichtweg nicht leisten konnten, länger auszusetzen. Sie hätten sonst Aufträge verloren.

Studien zufolge beginnt die Benachteiligung von Gründerinnen ja schon viel früher: Frauen werben im Schnitt weniger als halb so viel Kapital ein wie Männer, und viele sagen: weil die Investoren eben auch meist Männer sind.

Da ist etwas Wahres dran. Eigentlich suchen alle nur nach Problemlösern für ihre eigenen Themen. Als ich damals auf Investorensuche war, haben die Männer nicht verstanden, warum sie sich Blumen in einem Abo kaufen sollten. Den Frauen musste ich das nie erklären.

Wie kann man das Dilemma lösen?

Man muss den Männern, die vor einem sitzen, besonders überzeugend klarmachen, warum dieses Produkt auch ihr Leben besser machen könnte. Ich bemerke aber auch, dass es zum Glück immer mehr Investorinnen gibt. Dagmar Wöhrl aus der Sendung "Die Höhle der Löwen" ist längst nicht mehr die einzige. Das bringt mich zu einem weiteren Punkt, den ich wichtig finde.

Welcher wäre das?

Wir brauchen in der Gründerszene mehr weibliche Vorbilder, die sichtbar sind und ihr Wissen auch an andere Frauen weitergeben. Und wir müssen jungen Frauen schon früh zeigen, welche Wege ihnen auch abseits der klassischen Berufsausbildungen offenstehen.

Was würden Sie denn einer jungen Frau raten, die sich vorstellen kann, Unternehmerin zu werden?

Probier es einfach aus! Spring! Ich habe mich als Mentorin bei der Initiative "Start-up Teens" und beim Frauennetzwerk "Female Future Force" engagiert, coache Gründerinnen in Berlin. Mir ist es sehr wichtig, andere Frauen dabei zu unterstützen, die ersten Schritte in die Gründung zu machen, ihnen Basiswissen zu Recht, Finanzierung, Marketing zu vermitteln. Das hätte ich mir auch gewünscht, als ich gesprungen bin.

Wie können Frauen einander noch unterstützen?

Wir müssen uns gegenseitig empfehlen. Uneingeschränkt: Die ist super! Die kann das! Punkt. Wenn wir uns nicht gegenseitig pushen, wer macht es denn dann sonst? Und: Bitte lasst uns damit aufhören, uns als Problemfall, als Opfer oder Randgruppe zu sehen. Wir sind 50 Prozent der Gesellschaft! Es ist so cool, eine Frau zu sein, feiern wir das – und bewegen wir was.

Die Anpackerin

Franziska von Hardenberg, 35, hat Marketing und Kommunikationswissenschaften studiert. Nach Stationen bei verschiedenen Start-ups gründete sie 2012 ihr eigenes: "Bloomy Days", einen Onlineversand für Schnittblumen. Das Unternehmen galt als Vorzeige-Start-up und hatte zuletzt 100 Mitarbeiter*innen. 2017 musste es überraschenderweise wegen einer kurzfristig gescheiterten Finanzierungsrunde Insolvenz anmelden. Ein halbes Jahr später launchte von Hardenberg das Schmuck-Label "Holy Goldy". Die Unternehmerin ist Mutter von zwei kleinen Töchtern und lebt mit ihrer Familie in Berlin.

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BRIGITTE 09/2020

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