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Trüffel: Schwarze Diamanten aus Frankreich

Trüffel: Dinkelrisotto mit Trüffel und Fischfilet
© Thomas Neckermann
Trüffel gehören zu den teuersten Lebensmitteln der Welt. In der Trüffelsaison bricht in der Drôme Provençale in Frankreich das Jagdfieber aus. Ein Ortstermin - und drei Rezepte.

Die aktuellen Nachrichten werden heftig diskutiert in den Bistros und Bars des südfranzösischen Departements Drôme Provençale. Allerdings nicht von November bis März. In dieser Zeit fließt der Strom der Weltereignisse nahezu unbemerkt an der Region vorbei. Haustüren werden gut verschlossen, Vorhänge zugezogen, und bevor man sich in der Frühe auf seine geheimnisvollen Wege macht, sieht man sich dreimal verstohlen um.

Es ist Trüffelsaison in der Drôme. Und ihre Einwohner verfallen daher in ein kollektives Jagdfieber. Gejagt wird der Schwarze Diamant. Damit ist einer der kostbarsten Speisepilze der Welt gemeint, die schwarze Trüffel, die von den Einheimischen hier Rabasse genannt wird.

Die Trüffelsuche hat eine lange Tradition in der Drôme. Und ebenso lang ist die Tradition der Geheimniskrämerei darum.

Schon vor hunderten von Jahren stahlen die Bauern sich im Winter in die Wälder, um nach den Rabasses zu graben. Denn seit der Renaissance erzielen die Pilze hohe Preise. Wer fündig geworden war, tat gut daran, gekonnt zu untertreiben. Denn die Behauptung, nichts gefunden zu haben, hätte Argwohn erregt. Und die Wahrheit - Raubgier. Auch den Ort des Fundes hielt man besser geheim.

Früher zog man mit Schweinen los, um die stark duftenden Pilze unter der Erde aufspüren. Denn weibliche Schweine erinnert der Trüffelgeruch an einen attraktiven Eber. Allerdings sind die Tiere nur schwer davon abzuhalten, ihren Fund aufzufressen. Deshalb setzt man heute Hunde ein, denen ein Stück Käse als Belohnung reicht. Es soll jedoch schwer sein, die Hunde abzurichten. Wer es geschafft hat, prahlt lieber nicht damit - das Tier könnte sonst leicht gestohlen werden.

Wer Trüffeln sucht, muss schweigen können. Das Business ist seit Jahrhunderten äußerst diskret. Und es hat seine ganz speziellen Rituale.

Auch das belgische Ehepaar Bénédicte und Philippe Appels musste diese Rituale lernen, als es vor neun Jahren in die Drôme kam. Die beiden hatten sich während eines Urlaubs in die Landschaft zwischen Rhône und Alpen verliebt. In die leuchtenden Lavendelfelder, die sanften Hügel, die hübschen Sandsteinhäuschen, kurz: in den südfranzösischen Charme der Gegend, die weniger überlaufen ist als die benachbarte Provence.

Bénédicte und Philippe fanden eine alte Mühle nahe dem Städtchen Grignan - und beschlossen, ganz neu anzufangen. Bénédicte gab ihren Job im Marketing eines internationalen Konzerns auf, und Philippe verabschiedete sich von seiner Position als Chef eines Autohauses in Brüssel. Mit viel Liebe bauten die beiden Belgier ihre Mühle zu einer edlen Gästeherberge um.

Bénédicte, die bis dahin, so sagt sie, nur Nudeln zubereiten konnte, übernahm das Kochen für die Gäste. Das musste natürlich mit Trüffeln sein - denn die Küche der Drôme ist ohne sie nicht denkbar. Heute gilt Bénédicte als eine der besten Trüffelköchinnen Frankreichs, ihre Menüs, in denen sie nicht mit den Edelpilzen spart, sind berühmt.

Wenn man sie fragt, wie sie das geschafft hat, sagt sie nur so leichthin: "Ach, das Kochen haben mir meine Nachbarinnen beigebracht."

Während Bénédicte das Verarbeiten erlernte, versuchte ihr Mann, die besten Trüffeln zu beschaffen. Das brauchte seine Zeit. Zeit, bis er die richtigen Leute kannte, Zeit, bis die richtigen Leute ihn kannten. Denn an Fremde verkauft hier keiner gern. Davon kann man sich auf dem berühmten Trüffelmarkt in Richerenches selbst überzeugen. Während der Saison werden hier jeden Samstag bis zu 800 Kilogramm der Pilze umgesetzt, im Wert von mehreren hunderttausend Euro.

Wer aber an einem Samstagmorgen in die Avenue de la Rabasse einbiegt, die Hauptstraße des Marktes von Richerenches, sieht davon: nichts.

Keine Trüffelberge, keine lauten Rufe, kein Geschacher. Nur ein paar bunte Stände, an denen Käse, Gebäck, einige einsame Rabasses und viel Schnickschnack, wie Trüffelessig, verkauft werden. Und damit wird hier ein Vermögen verdient?!

Philippe, der seine Gäste gern auf den Markt begleitet, grinst. Dann steuert er eine unauffällige Seitengasse an, den Cours du Mistral. Ein paar blattlose Platanen säumen die Gasse, darunter parken einige dunkle Kombis. Leute sind zwischen den Autos unterwegs. Sie tragen Kunstlederjacken oder dunkle Anoraks. Die meisten von ihnen halten eine weiße Supermarkt-Plastiktüte in der Hand. Leute auf dem Weg vom Markt nach Hause. Möchte man meinen.

Aber die Menschen mit den weißen Tüten haben ein anderes Ziel. Sie steuern auf die geparkten Kombis zu. Die Heckklappe der Autos ist geöffnet, daneben steht jeweils ein Mann. Man geht zu einem dieser Männer und zeigt ihm verstohlen den Inhalt seiner Tüte: schwarze Trüffel. Wie viele, soll besser kein anderer sehen.

Der Mann wirft einen prüfenden Blick auf die Ware. Wenn er interessiert ist, wird sie mit einer Briefwaage gewogen, die blickgeschützt im Kofferraum steht. Dann wird leise über den Preis diskutiert, so leise, dass kein Konkurrent mithören kann. Danach schreibt der Mann den ausgehandelten Betrag auf einen Zettel und gibt ihn dem Trüffelverkäufer. Der geht damit zum Fahrersitz des Wagens, wo ein weiterer Mann sitzt. Durchs Fenster wandert der Zettel hinein und retour kommt: ein Bündel Geldscheine, das hastig weggesteckt wird. Der Marktpolizist, der hier jeden Samstag zur Abschreckung von Taschendieben patrouilliert, sieht mit gelassener Miene zu. Die Steuer auch.

Die Käufer sind Großhändler, erklärt Philippe. Die meisten von ihnen beliefern europäische Spitzenrestaurants. Händler und Lieferanten kennen und vertrauen einander meist seit Jahren.

Wer als Fremder hier reinplatzt, wird ignoriert. Oder man dreht ihm die weniger wertvollen Brumale-Trüffel an, die den Rabasses sehr ähneln. Auch ihm sei das passiert, sagt Philippe.

Ein Mann mit einem schwarzen Filzhut kommt dazu, der typischen Kopfbedeckung des Trüffeljägers. Er ist ein Freund von Philippe, seinen Namen sagt er nicht. Wie alle hier kennt er den Tageskurs, obwohl niemand laut darüber spricht, was er bekommen hat: Heute gibt es um die 500 Euro für ein Kilo. Wer gut verhandeln kann, holt 600 Euro oder mehr heraus. Kein schlechter Preis.

Doch Philippes Freund klagt, die Ernte sei in diesem Jahr miserabel, und er werde die Cavage, die Trüffelsuche, jetzt aufgeben. Philippe bleibt gelassen. "Das Jammern gehört hier zum Ritual", sagt er. Genauso wie der anschließende Rosé-Wein im Restaurant "L'Escapade" gegenüber dem Markt. Alles, was Trüffeln hat (oder hatte), trifft sich hier um Punkt eins. Man schimpft, man diskutiert, man untertreibt. Und dann isst man seelenruhig die traditionelle Brouillade, das Trüffelomelett, das 30 Euro kostet.

Die Klagen sind aber nicht ganz grundlos. Seit Jahrzehnten sinkt die Menge der wild gefundenen Trüffeln, das liegt an der Klimaerwärmung, aber auch an der wachsenden Zahl der Jäger. Wer es sich leisten kann, legt deshalb einen Trüffelhain an, einen so genannten Truffière. Die Setzlinge, meist junge Stein eichen, kann man überall kaufen. An den Wurzeln dieser Eichen sollen bereits Trüffelsporen haften. Ob das wirklich so ist, kriegt man allerdings erst zehn Jahre später heraus. So lange brauchen die Pilze, um zu wachsen. Wenn sie es denn tun.

Philippe besitzt einen Hain. Einen mit Trüffeln. Er fährt uns dorthin. Wo "dorthin" ist, dürfen wir allerdings nicht verraten. Eine Mischlingshündin begleitet uns, mehr dürfen wir auch nicht verraten.

"Allez!", ruft Philippe. Die Hündin läuft querfeldein, die Nase am Boden. Nach zwei Minuten gräbt sie neben einer Eiche ein kleines Loch. Vorsichtig sondiert Philippe die Erde mit einem Eisenhaken. Dann zieht er einen walnussgroßen schmutzigen Stein heraus. Eine schwarze Trüffel. Sie dürfte etwa 50 Euro wert sein. Ein Feld voller Geld. Wie schön.

Es gebe Leute, die spannten zur Nacht Nylonschnüre zwischen ihre Bäume, erzählt Philippe. Die Schnüre seien mit einer Klingel verbunden. Bei Alarm gehe der Eigner sofort mit einem Gewehr raus. Geschossen werde aber nicht auf die Diebe - sondern auf deren Hund. "Das wirkt." Und sein Hain? Och, sagt Philippe gedehnt, er habe da einen Deal mit dem Nachbarn...

Was Philippe erntet, landet nicht auf dem Markt, sondern direkt in Bénédictes Küche. Und sie zaubert damit. Heute gibt es Salat mit dicken Scheiben schwarzen Trüffeln, Jakobsmuscheln, getrüffelte Taube und zum Dessert ein Trüffel-Tiramisu. Dieser unscheinbare Pilz, der so riecht wie alter Knoblauch und aussieht wie ein schmutziger Stein - er ist den ganzen Rummel wert.

Text: Katja Jührend Fotos: Michael Gregonowits

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