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Miyabi Kawai x Jules von Schönwild "Respekt hört leider oft bei der Kleidergröße auf"

Bloggerin Jules von Schönwild und Miyabi Kawai posieren für ein Foto.
Influencerin Jules von SchönWild und Designerin Miyabi Kawai
© Sheego
Designerin Miyabi Kawai und Curvy-Influencerin Jules @schoenwild kämpfen seit Jahren gegen Stigmata von Curvy-Frauen und setzen sich immer wieder im Netz für mehr Respekt und Toleranz ein. Im Interview sprechen sie mit uns über ihre persönlichen sowie erschreckenden Erfahrungen.

Wir treffen Miyabi Kawai und Influencerin Jules im Rahmen eines Fotoshootings für die Kampagne "Persönlichkeit statt Stereotype – Für mehr Selbstliebe und Akzeptanz" des Plus-Size-Fashionlabels "Sheego". Im Interview sprechen sie mit uns über die Diskriminierung von Curvy-Frauen und was wir tun können, um unsere Sehgewohnheiten zu verändern.

Miyabi Kawai und Influencerin Jules im Brigitte-Interview

Brigitte: Immer öfter hört man, dass besonders Curvy-Frauen im Netz mit Bodyshaming zu kämpfen haben. Seid ihr damit auch schon in Berührung gekommen? Wenn ja, wie geht ihr damit um?

Miyabi: Ja, aber ich hab sehr früh für mich begriffen, dass das nichts mit mir zu tun hat. Ich lasse böse Kommentare bei Social Media meistens stehen und lösche sie nicht. Manchmal, wenn ich merke, da kommt doch sehr viel von einer Person, dann schreibe ich auch mal eine Direktnachricht – wenn ich die Muße dazu habe und in der Stimmung dafür bin – und frage interessiert nach, was ihn an meinem Bild so sehr getriggert hat. Und darauf gibt es oft Reaktionen. Man kann damit die Menschen ein bisschen zum Umdenken anregen, weil sie anfangen sich und ihre Aussagen zu reflektieren.

Ich glaube aber nicht, dass Menschen aus sich heraus böse sind. Die Reaktionen haben einfach ganz viel, ganz oft mit Unsicherheiten zutun.

Begegnen euch diese Diskriminierungen auch im Alltag?

Jules: Leider ja, momentan immer öfter beim Arzt, da werde ich einfach nicht richtig wahr- und ernst genommen. Wenn ich Beschwerden habe oder nur mal einen Check-up möchte, dann bekomme ich sofort gesagt, ich solle abnehmen. Dass mein Gewicht als Symptom und nicht als Ursache gesehen werden soll, kommt meist gar nicht an. Ich werde nicht untersucht, wie eine schlanke Person, die mit ähnlichen Symptomen zum Arzt geht. Es findet stattdessen eine Blick-Diagnose statt.

Ein Arzt hat mir mal eine Telefonnummer in die Hand gedrückt. Als ich angerufen habe, ging eine Adipositas Klinik ran, die mir einen Termin für ein Vorstellungsgespräch für eine Operation vermitteln wollte.

Das ist mir leider nicht nur einmal passiert. Da frage ich mich ehrlich, was mit unserer Gesellschaft nicht stimmt. Das Menschen die Mehrgewicht haben und Hilfe brauchen, keine bekommen. Was passiert im Umkehrschluss? Ich gehe zukünftig mit Angst zum Arzt, weil ich weiß, es wird mir sowieso nicht geholfen. Natürlich wird man dann mit der Zeit krank, weil Menschen mich in diesem System nicht sehen.

Miyabi, du warst im letzten Jahr leider sehr krank und hast dadurch auch stark abgenommen. Wie hat deine Community darauf reagiert?

Miyabi: Es gab sehr viele negative Reaktionen darauf, dass ich so abgenommen habe und das hat mich wirklich geärgert, denn bei mir war es ja krankheitsbedingt – ich bin fast gestorben und wurde künstlich ernährt. Auf der anderen Seite kamen aber auch viele Fragen zu meinen Diäten, wie ich es geschafft habe, so stark abzunehmen. Ich kann diese Fragen ja zum Teil auch verstehen – ich habe viel mit Frauen im Plus-Size-Bereich zutun und da ist der Leidensdruck teilweise einfach so hoch, dass die Leute wirklich dafür bereit sind, ans Äußerste zu gehen. Die sagen dann wirklich, ich würde lieber fast sterben, um abzunehmen, anstatt so dick zu bleiben. Und das ist es nicht wert. Ich habe es unfreiwillig durchmachen müssen. Generell sollte man niemals fragen, warum ein Mensch abgenommen hat – man weiß eben nie, welche Story dahinter steckt.

Was muss sich in der Mode tun, damit sich Curvy-Frauen inkludierter fühlen?

Jules: Ich wünsche mir da mehr Engagement von den Marken. Viele Frauen tragen einfach eine große Kleidergröße, 42 oder mehr. Aber genau da enden die Kollektionen in den Stores. Das Problem: Curvy-Frauen verschwinden aus den Städten – denn gibt es nichts zu gucken, geht man auch nicht zum Shoppen in die Stadt. Und dadurch geht dann schließlich die Sichtbarkeit von Curvy-Frauen total verloren.

Menschen sollten so respektiert werden, wie sie sind und das hört leider oft bei der Kleidergröße auf.

Der Modemarkt lässt sich da einfach wirklich etwas entgehen. Und ich verstehe einfach nicht, woran es liegt, denn das Bedürfnis vieler Frauen ist da und trotzdem ändert sich nichts. Und dabei ist Bekleidung einfach so wichtig, wir drücken damit so viel aus – Stimmung, Emotionen, einfach unseren ganzen Charakter.

Was muss getan werden, damit wir unsere Sehgewohnheiten verändern?

Jules: Wir müssen medial vermitteln, dass man gut ist, so wie man eben ist. Und das ist eine ganz große Aufgabe, die angegangen werden muss. Dafür brauchen wir vor allem mehr Diversität in der Medienwelt. Mehr Moderator:innen, Schauspieler:innen und Vorbilder mit Mehrgewicht. Denn momentan befinden wir uns noch in einem von Schönheitsidealen geprägten System, das Menschen mit Mehrgewicht diskriminiert. Das muss uns bewusst werden und daran muss jeder Einzelne arbeiten.

Denn auch ein Mensch mit Mehrgewicht verdient Respekt.

Verwendete Quellen: instagram.com

ran Brigitte

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