Anzeige

Lieber ehrlich sein! Warum Absagen die Freundschaft stärken

Verabredungen absagen stärkt die Freundschaft!
© six o'clock / Shutterstock
Sagt man Verabredungen mit Freunden ab, klopft das schlechte Gewissen an. Schluss damit: Unsere Redakteurin findet, dass Absagen die Freundschaft sogar stärken.

Ich war heute Abend mit meiner besten Freundin verabredet. Lose. Das machen wir meist so ­– es kann ja was dazwischenkommen. Mir ist nichts dazwischengekommen. Ich fühle mich heute Abend nur nicht nach Quer-durch-die-Stadt-Fahren, sondern eher nach Füße-hoch-Netflix-an. Ich habe ihr abgesagt. Ein schlechtes Gewissen habe ich trotzdem nicht.

Ein Date in der Mittagspause, ein Drink nach Feierabend

Das war nicht immer so. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich mir die Tage vollgeplant. Schließlich musste jeder Mensch, der mir wichtig ist, seinen Platz bekommen. Ein Date in der Mittagspause, ein Drink nach Feierabend. Bloß niemanden enttäuschen, es allen recht machen. Außer sich selbst. Wie das endete, kannst du dir denken. Zum Wochenende, an dem ich endlich die Zeit hätte, die ich bräuchte, hatte ich entweder Migräne ­­– oder fühlte mich so ausgebrannt, dass ich mich nur noch alleine unter der Bettdecke verkriechen wollte.

Heute sage ich immer öfter Verabredungen ab. Das tut aber nicht nur mir, sondern auch meinen Freundschaften gut. Warum?

Für Freundschaften gilt: Quantität ist nicht Qualität

Eigentlich ist die Antwort so einfach: Quantität bedeutet nicht gleich Qualität. Nur braucht man selbst oft ziemlich lange, um sich dessen bewusst zu werden. Quetscht man Termine in einen ohnehin schon vollen Alltag, werden aus Verabredungen Verpflichtungen. Und Verpflichtungen machen selten Spaß.

Gleichzeitig werden sie Freunden nicht gerecht. Niemand möchte als Zeitslot abgehakt werden wie ein lästiger Punkt auf der To-Do-Liste. Denn wenn du eigentlich lieber woanders wärst, lässt du dich selten auf dein Gegenüber ein. Du bist nicht wirklich da, auch wenn du physisch anwesend bist. Und das merkt man dir an.

Tatsächlich glaube ich, dass Freundschaften sogar darunter leiden, wenn du sie einmal pro Woche für die halbe Stunde siehst, in der du lieber schon im Bett wärst, als alle vier Wochen für vier Stunden – oder sogar einen ganzen Tag?

Nimm dir keine Zeit für eine Verabredung, nimm dir Zeit für eine Person

Wie viel Zeit ist dir ein Mensch wert? Schenke sie ihm. Aber erst, wenn du dich selbst versorgt hast. Ganz wichtig an dieser Stelle: Du brauchst keinen Stress, um dich gestresst zu fühlen. Manche Menschen können neben einer 40-Stunden-Woche Sport machen, Freunde treffen, Familie besuchen, den Haushalt schmeißen und schreiben nebenbei locker noch ein Buch. Andere brauchen aber mehr Zeit für sich. Wenn wir schon so sehr auf Individualisierung pochen, lasst uns jedem doch auch ein individuelles Stressempfinden zugestehen.

Echte Freundschaften vertragen Absagen

Wenn du Verabredungen absagst, wenn dir nicht danach ist, stärkst du deine Freundschaft gleich dreifach. Nummer eins: Indem du dich öffnest – und ehrlich zugibst, dass du gerade keine Zeit oder einfach keine Lust hast.

Nummer zwei: Indem du deiner Verabredung signalisiert, dass sie dir zu wichtig ist, um sie abzuhaken, wenn es dir eigentlich gar nicht in den Kram passt. Das zeugt nicht nur von Respekt, sondern auch von Wertschätzung.

Nummer drei: Indem gegenseitige Absagen ein Vertrauen aufbauen, das sämtlichen Druck aus eurer Freundschaft nimmt. Ihr wisst, ihr mögt euch, ihr wisst, ihr wollt euch sehen, ihr wisst, ihr werdet es schaffen – ihr wisst aber auch, dass ihr Gründe habt, wenn es nicht klappt. Und dass keiner es euch übel nimmt.

Wenn jemand kein Verständnis zeigt, ist diese Person vielleicht auch kein richtiger Freund. 

Hab keine Angst, Verabredungen abzusagen

Natürlich muss man Beziehungen pflegen, seien sie familiärer, freundschaftlicher oder romantischer Natur. Aber wenn, dann bitte richtig. Und nicht jede Blume braucht täglich Wasser, um zu überleben. Was ich damit sagen möchte: Echte Freunde bleiben auch, wenn du sie mal eine Zeit lang nicht siehst. Freundschaften verändern sich zwingend mit den Jahren. Das ist normal.

Woher ich das weiß? Meine besten Freundinnen sind absurderweise die Menschen in meinem Leben, die ich am wenigsten sehe. Diesen Sommer war ich mit zwei von ihnen am Meer. Eine von ihnen habe ich ein halbes Jahr nicht gesehen, die andere wochenlang nicht, obwohl wir in derselben Stadt wohnen. Dieses Wochenende gehörte nur uns. Wir haben uns bewusst entschieden, diese Zeit miteinander zu verbringen und nichts lieber zu tun. Und was stellt man an solchen Treffen immer wieder fest? Wahre Freundschaften bemessen sich nicht daran, wie oft man sich sieht – sondern daran, dass es sich jedes Mal so anfühlt, als wäre es gestern gewesen.

Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel