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Psychologie Psychiater verrät: 5 positive Effekte unserer Angst, die wir oft vergessen

Psychologie: Eine Frau auf einem Berg
© rdonar / Shutterstock
Angst zählt für viele Menschen eher zu den unangenehmen Gefühlen. Doch wie andere Emotionen hat Angst einen Sinn und hilft uns durchs Leben. Der Psychologe Professor Doktor Andreas Ströhle von der Berliner Charité hat uns verraten, welche positiven Effekte Angst für uns haben kann.

Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum: Angst ist üblicherweise kein Spaß. Wie Trauer, Wut und Ekel gehört Angst gemeinhin zu den Emotionen, die wir nicht gerne empfinden und die wir mit unangenehmen Erfahrungen verbinden. Dennoch hat Angst wie Trauer, Wut und Ekel in unserer Gefühlspalette ihre Daseinsberechtigung. Wie unsere anderen Emotionen navigiert uns unsere Angst durch das Leben. Manchmal hilft sie uns dabei, Entscheidungen zu treffen, manchmal versetzt sie uns in einen Zustand, in dem wir bestimmte Situationen am besten bewältigen können. Ein Leben ohne Angst wäre möglicherweise spaßig – wahrscheinlich aber nicht besonders erfolgreich oder lang. 

Vor diesem Hintergrund erscheint es generell sinnvoll, uns mit unserer Angst ein wenig auszukennen und mit ihr Freundschaft zu schließen. Begleiten wird sie uns sowieso, solange wir fühlen, und mit ziemlicher Sicherheit möchte sie uns gar nichts Böses. Professor Doktor Andreas Ströhle, leitender Oberarzt sowie Leiter der Spezialambulanz für Angsterkrankungen an der Charité Berlin hat uns verraten, was Angst uns Positives bringen kann, sofern sie ein gesundes Maß nicht überschreitet.

5 positive Effekte von Angst, die wir viel zu oft vergessen

Angst macht uns auf Bedrohungen und Gefahren aufmerksam

"Angst ist grundsätzlich ein Warnhinweis beziehungsweise eine Alarmreaktion", sagt Andreas Ströhle. Die Emotion dient dazu, uns Risiken erkennen zu lassen und vor Gefahren zu beschützen.

Zum Beispiel vor einem schnellen Auto. Oder vor Einsamkeit. Oder vor Krieg.

Dabei kann sich Angst körperlich äußern und beispielsweise unsere Schweißproduktion ankurbeln, unseren Puls beschleunigen, unseren Blutdruck in die Höhe treiben und so die Durchblutung unserer Muskeln fördern. Oder sie macht sich in unseren Gedanken bemerkbar, zum Beispiel in Form von Sorgen und Grübeln. So oder so, wenn uns etwas Angst macht, können wir das kaum ignorieren – und genau das ist der Sinn dieser Angstsignale, denn wenn uns etwas Angst macht, ist es in der Regel wichtig, dass wir einen Weg finden, damit umzugehen.

Zum Beispiel nach links und rechts schauen, bevor wir eine Straße überqueren. Oder unsere Freundschaften und Beziehungen pflegen. Oder flüchten, wenn wir angegriffen werden. 

Angst hilft uns, uns zu fokussieren

"Eine gesunde Angstreaktion bewirkt im Idealfall, dass wir unsere Ressourcen maximal zur Verfügung haben, um die bedrohliche, angstauslösende Situation erfolgreich zu bewältigen", sagt der Psychiater. Körperliche Funktionen wie Verdauung und Stoffwechsel werden bei Angst meist heruntergefahren, während die Durchblutung der Muskeln und gewisser Hirnareale verbessert wird. Typischerweise können wir uns im Angstzustand leichter auf die eine Sache fokussieren, die uns Angst macht, und andere Dinge ausblenden. Wir bündeln und konzentrieren unsere Energie darauf, die bedrohliche oder angstauslösende Angelegenheit zu meistern.

Angst hilft uns, uns zu motivieren

Einige Ängste können uns antreiben und uns dazu animieren, sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen und Verhaltensweisen an den Tag zu legen. "Prüfungs- und Versagensängste führen zum Beispiel dazu, dass wir uns auf eine Prüfung angemessen vorbereiten", sagt Andreas Ströhle, "aber natürlich nur, wenn sie in einem gesunden Rahmen bleiben." Ähnliches gilt etwa für die Angst vor Jobverlust oder vor Armut, die uns idealerweise dazu anhalten, unsere Arbeit zu erledigen beziehungsweise uns anderweitig um ein geregeltes Einkommen zu bemühen. Völlige Abwesenheit von Angst würde in solchen Bereichen bedeuten, dass uns die Prüfung, der Jobverlust oder Armut letztlich egal wären und mit der Einstellung würde es uns wahrscheinlich schwerer fallen, uns zum Lernen, Arbeiten oder Geldsparen zu motivieren.

Angst lässt uns erkennen, was wir wollen

Unsere gesunden Ängste beziehen sich in der Regel auf Aspekte, Dinge, Personen oder Bereiche, die uns etwas bedeuten. Wenn wir beispielsweise Angst haben, einen Menschen zu verlieren, spricht das dafür, dass uns dieser Mensch wichtig ist. Und dass wir ihn in unserem Leben wollen. Haben wir Angst, in einer bestimmten Angelegenheit zu versagen, scheint es für unser Selbstbild oder unseren Selbstwert eine Bedeutung zu haben, uns in dieser Sache zu beweisen. Angst vor der Zukunft zeigt uns, dass wir ein gewisses Bedürfnis nach Kontrolle, Planung, Struktur und Klarheit haben – und unser Leben möglichst proaktiv gestalten möchten. 

Angst lässt uns erkennen, was uns essenziell wichtig ist

In extremen Angstsituationen, etwa bei einem Unfall oder wenn ein möglicherweise gefährliches und hoch ansteckendes Virus in Umlauf ist, sehen wir typischerweise sehr klar, was uns wirklich wichtig ist – und sei es, dass wir oder unsere Liebsten am Leben bleiben. Viele Menschen verspüren zum Beispiel den Drang, ihre Nächsten noch einmal zu sprechen, wenn ihre Existenz ernsthaft bedroht ist. Werden wir wiederum mit einer schweren Krankheit oder mit dem Tod eines:r Angehörigen konfrontiert, kann uns das dazu veranlassen, unser Leben zu ändern und unsere Prioritäten völlig zu verschieben. Es ist nicht wünschenswert, in eine Situation zu geraten, in der wir Todesangst ausstehen müssen, doch die Erfahrung dieser Angst kann uns unter sehr glücklichen Umständen im Anschluss bereichern.

Gesunde versus krankhafte Angst

Bei den genannten Punkten sind wir stets von einer gesunden Angst ausgegangen – in der Regel erfahren wir die unterstützende Wirkung der Emotion nicht, wenn wir zu wenig oder zu viel Angst haben. "Wir können uns unsere Angst-Leistungskurve wie ein umgekehrtes U vorstellen", sagt Andreas Ströhle, "bei einem optimalen Angstlevel ist unsere Leistungsfähigkeit zur Bewältigung der fraglichen Situation auf dem Höhepunkt, zu viel oder zu wenig Angst führt hingegen zu einem Leistungsabfall." Vor allem zu viel Angst ist in unserer Gesellschaft ein Problem, von dem viele Menschen betroffen sind. In folgendem Artikel erfährst du, woran du erkennen kannst, dass du zu ängstlich bist.

Andreas Ströhle
Andreas Ströhle ist Psychiater und Psychotherapeut an der Charité Berlin.
© Urban Zintel / Privat

Prof. Dr. med. Andreas Ströhle ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er ist leitender Oberarzt, Leiter des Fachbereichs Affektive Störungen und der Arbeitsgemeinschaft und Spezialambulanz für Angsterkrankungen an der Charité Berlin. Zusammen mit seinem Kollegen PD Dr. Jens Plag hat er das Buch "Keine Panik vor der Angst" (Random House) veröffentlicht, das die Hintergründe von Panik und Angst erklärt und Strategien zur Bewältigung aufzeigt. Für die Gesundheitsplattform doctist hat Prof. Ströhle zusammen mit seinem Kollegen den Videokurs "Panik verstehen und besiegen" entwickelt. In sechs Modulen lernst du alles Wichtige über Angst und Panikattacken und erhältst hilfreiche Tipps und Strategien für den Weg zurück in ein angstfreies Leben.

Brigitte

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