Anzeige

Helfersyndrom Hilfst du zu viel?

Helfersyndrom: Frau tröstet eine Freundin.
© Pixel-Shot / Shutterstock
Menschen mit einem Helfersyndrom stellen sich selbst zurück und geben für andere alles – bis hin zur Selbstaufgabe. Bist du süchtig danach, zu helfen?

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Helfersyndrom?

Jemand erzählt dir von einem Problem – und du springst sofort ein? Wer ein Helfersyndrom entwickelt hat, verspürt einen extremen Drang danach, anderen zu helfen. Für andere da sein und ihre Lasten teilen – das ist erstmal eine wunderbare Eigenschaft. Gerade in der heutigen Zeit, in der viel zu viele in ihrem eigenen Ego gefangen sind, ist es schön, wenn jemand an andere denkt. Wenn du allerdings merkst, dass der Wunsch zu helfen, zwanghafte Ausmaße angenommen hat, könntest du ein Helfersyndrom entwickelt haben. Denn auch wenn Hilfsbereitschaft löblich ist – sie kann in manchen Situationen auch schädlich sein. Nämlich dann, wenn du dich selbst überforderst oder wenn du deine Hilfe anderen aufdrängst – das kann sich dann sogar negativ auf Beziehungen auswirken.

Ist das Helfersyndrom eine Krankheit?

Süchtig danach, anderen zu helfen: so könnte man das Helfersyndrom auch beschreiben. Der Begriff wurde erstmals 1977 vom Wissenschaftler Wolfgang Schmidbauer in einem Buch des Psychoanalytikers genannt. Es handelt sich dabei weder um eine psychische Erkrankung (wie die Depression) noch um eine Persönlichkeitsstörung (wie zum Beispiel der Narzissmus) – trotzdem sollten wir die Thematik ernst nehmen. Ein Helfersyndrom kann dich emotional und auch körperlich stark belasten und damit zu Folgeerkrankungen führen.

Woran erkenne ich, ob ich das Helfersyndrom habe?

Hilfst du gerne und bist dir unsicher, ob bei dir schon ein Helfersyndrom vorliegt? Gewissheit kann das Gespräch beim Therapeuten bringen. Aber es gibt schon ein paar Anzeichen, die im Voraus verraten, ob eine Helfersyndrom-Tendenz vorliegt. Stellst du folgende sechs Merkmale fest, könntest du tatsächlich ein Helfersyndrom entwickelt haben.

1. Körperliche Erschöpfung durchs Helfersyndrom

Ständige Müdigkeit und nichts hilft? Eventuell liegt’s nicht an einem Nährstoffmangel. Denn eine negative Folge des Helfersyndroms ist die starke Erschöpfung, die Betroffene fühlen. Du bist mit dem Kopf ständig damit beschäftigt, Probleme von anderen zu lösen. Dazu kommt oft auch eine physische Komponente: zum Beispiel, wenn du beim Umzug mit anpackst. Zusätzlich zu deinen Alltagssorgen kümmerst du dich auch noch um die Sorgen von anderen. Und das macht einfach müde – irgendwann ist der Tank leer. Daher ist es kein Wunder, dass ein Helfersyndrom oft zum Burnout führt.

2. Deine Probleme bleiben liegen

Jeder von uns hat seine täglichen To-Do’s und die ein oder andere Schwierigkeit, die es zu überwinden gilt. Merkst du, dass deine Belange immer liegen bleiben, weil du dich so sehr für die Probleme von anderen interessierst? Stundenlang eine Freundin trösten, obwohl du noch wichtige Dokumente verschicken musst oder für die Kollegin einspringen und dadurch Probleme beim eigenen Arbeitsplan bekommen – das sind nur zwei von vielen Beispielen, die Menschen mit Helfersyndrom kennen. Natürlich kann man sich und seine Problemchen auch mal zurückstellen. Machen wir das allerdings zu oft, bleiben wir selbst (und unsere Ziele) auf der Strecke.

3. Dein Selbstwert profitiert etwas zu viel

Jemand anderem etwas Gutes tun – das fühlt sich immer gut an. Für jemanden, der ein Helfersyndrom entwickelt hat, bedeutet die gute Tat aber noch sehr viel mehr. Hier ist das Selbstwertgefühl eng mit der eigenen Hilfsbereitschaft verflochten. Das bedeutet: Hilfst du, fühlst du dich stark und selbstbewusst. Hilfst du nicht, kommst du dir nutzlos und wertlos vor.

Daher entsteht der ständige Drang, andere zu unterstützen – Hilfe für andere ist dein Selbstbewusstseins-Boost geworden. Dieser Gedanke kann auf Dauer ganz schön toxisch werden. Denn du bist natürlich auch dann eine wertvolle Person, wenn du gerade keine Zeit finden kannst, um anderen zu helfen.

Übrigens: Minderwertigkeitskomplexe können ein Helfersyndrom begünstigen. Mit einer großen Portion Selbstfürsorge kannst du gegensteuern und deine Bedürfnisse besser wahrnehmen.

4. Du übergehst ihr Nein

Du hast deine Hilfe angeboten und ein Nein zurückbekommen? Das passt jemandem mit Helfersyndrom überhaupt nicht. Das Ausschlagen der gut gemeinten Unterstützung löst einen großen inneren Druck aus. Häufig versuchen Betroffene, andere doch noch von ihren Hilfemöglichkeiten zu überzeugen. Das kann wiederum ein großes Unwohlsein beim Gegenüber auslösen, was die Person mit Helfersyndrom aber nicht wahrnimmt, weil sie nur mit dem Gedanken beschäftigt ist, helfen zu müssen.

5. Nein sagen fällt schwer

Eine gute Freundin bittet dich um deine Unterstützung. Du weißt, dein Terminkalender lässt das heute absolut nicht zu. Was tun? Obwohl Menschen mit Helfersyndrom oft genau wissen, dass sie sich selbst überfordern, können sie den Wunsch nach Hilfe trotzdem nicht abschlagen. Nein sagen fühlt sich für sie so an, als ob sie die Person im Stich lassen würden. Deshalb sagen sie lieber zu, bevor sie ihr schlechtes Gewissen einholt. Wer ein Helfersyndrom hat, kann schlecht Grenzen setzen. Eigene Bedürfnisse werden nicht oder sehr selten kommuniziert. Das führt früher oder später zu großem Stress und Überforderung.

6. Du selbst nimmst ungern Hilfe an

Anderen helfen? Immer! Mir selbst helfen lassen? Nicht notwendig! Das ist häufig die typische Helfersyndrom-Denkweise. Für andere würden Betroffene alles tun. Aber genau diese Personen dann selbst um Hilfe bitten? Für jeden, der ein Helfersyndrom entwickelt hat, ist das ein extrem unangenehmes Gefühl. Denn plötzlich ist man selbst nicht mehr der Retter oder die Retterin in der Not, sondern bedürftig – und diesen Rollentausch können Menschen mit Helfersyndrom nicht mit ihrem Selbstbewusstsein vereinen. Daher stehen sie Problemen oft alleine gegenüber und lassen sich nicht helfen, obwohl es sicher Menschen gibt, die ihnen zu gerne beistehen würden.

Hilfst du zu viel? Diese sechs Punkte haben dir hoffentlich einen besseren Blick auf deine eigene Hilfsbereitschaft geben können. Menschen, die sehr empathisch sind, entwickeln besonders häufig ein Helfersyndrom. Hier liest du nach, welche Konsequenzen zu viel Empathie noch haben kann.

Was sind die Ursachen des Helfersyndroms?

Am häufigsten liegen die Ursachen für das Helfersyndrom in der Kindheit. Meist ist die extrem hilfsbereite Haltung auf ein unausgeglichenes Elternhaus zurückzuführen. Zu wenig Liebe, Geborgenheit und Unterstützung kann Minderwertigkeitskomplexe auslösen. Diese wecken den Wunsch, sich durch Helfen zu einer wichtigen Person zu machen. Menschen mit ausgeprägtem Helfersyndrom glauben, dass sie mehr wert sind. Sie sehen sich als leidensfähige Opfer und gleichzeitig als bewundernswerte Helfer. Das kann auch narzisstische Züge haben. In diesem Fall spricht man von: verdeckter Narzissmus.

Was kann ich gegen mein Helfersyndrom tun?

  • Erkenne deine persönlichen Bedürfnisse und setze dich für diese ein. Unterdrücke deine Wünsche nicht, sondern bleibe dir selbst treu. 
  • Denke vor jedem Hilfsangebot über deine Motive nach. Handelst du egoistisch? Willst du dich dadurch wertvoller oder anerkannter fühlen?
  • Sage hin und wieder Nein – insbesondere, wenn das Ja zu den Bedürftigen deinen eigenen Bedürfnissen widerspricht. 
  • Nimm dir regelmäßige Auszeiten, um Stress abzubauen und Energie zu tanken. 

Verwendete Quellen: researchgate.net, casework.eu, Gmel G. Help the helper-addiction research and the helper syndrome. Addiction. 2004 Feb;99(2):154-5.

Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel