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Fernbeziehung auf Dauer Geht das?

Fernbeziehung auf Dauer: Liebespaar
© Rawpixel.com / Shutterstock
Liebe ist die Antwort auf alle Fragen? Nicht ganz. Sie stellt auch ziemlich viele. Psychologe und Paartherapeut Oskar Holzberg beantwortet sie alle.

Kann eine Fernbeziehung auf Dauer gut gehen? Die Frage ist doch eher, ob es mir in einer Fernbeziehung auf Dauer gut geht.

Katja sucht einen Partner per Dating-Portal. Sie bekommt viele Anfragen. Die meisten klingen schrecklich, aber einige gefallen ihr. Eine gefällt ihr gerade ganz besonders. Doch dieser Mann lebt dreihundert Kilometer entfernt, und daher sagt sie ihm freundlich ab. Eine Fernbeziehung ist für sie ausgeschlossen. Sie hat keine Lust auf zwei getrennte Leben, auf dauerndes Reisen. Sie will nicht darauf verzichten müssen, sich spontan zu sehen, und ihr graut vor der fehlenden Rückzugsmöglichkeit, wenn man sich am Wochenende trifft.

Den sicheren Hafen im anderen suchen

Katja ist zu verstehen, denn unser existenziellster Bindungswunsch ist die positive Antwort auf die Frage: "Bist du für mich da?" Bindungsforscher sprechen davon, dass wir den "sicheren Hafen" im anderen suchen, so wie wir als Kinder die sichere Nähe der Eltern gesucht haben. Ein Hafen, den wir in der Not nur per Skype anlaufen können, ist da nicht erste Wahl. Weil wir nicht in den Armen des anderen liegen können. Ihn nicht riechen, seine Wärme nicht fühlen, seinen Herzschlag nicht spüren können. Eine Fernbeziehung ist auf Dauer eine Beziehungsform, die unseren Bedürfnissen widerspricht. Das gilt ganz besonders, wenn wir daran denken, eine Familie zu gründen und mit Kindern zu leben.

Trotzdem beginnen viele Partnerschaften als Fernbeziehung, und viele Paare müssen phasenweise in einer leben. Das bringt seine eigenen Schwierigkeiten mit sich. Wenn Partner sich immer wieder trennen müssen, kann es passieren, dass sie sich – unbewusst – gar nicht mehr so tief aufeinander einlassen, um sich vor Verlustangst zu schützen. Und ein Zeitplan diktiert, wann sie miteinander sein können. Doch Gefühle und Stimmungen halten sich nicht an Verabredungen, und daher kann es sein, dass sie an manchen der herbeigesehnten Wochenenden nicht oder nur schwer zueinanderfinden.

Nicht mit dir und nicht ohne dich
Neu in den Partner verlieben: Oskar Holzberg
Oskar Holzberg, 67, berät seit über 20 Jahren in seiner Hamburger Praxis Paare und ist seit über 30 Jahren verheiratet. Sein aktuelles Buch heißt "Neue Schlüsselsätze der Liebe" (240 S., 11 Euro, DuMont).
© Ilona Habben

Dennoch erleben einige Menschen die Fernbeziehung als vorteilhaft. Weil sie sich zwar Nähe wünschen, sie aber auch fürchten. Sie vertrauen nicht darauf, in einer aus Liebe eingegangenen Abhängigkeit eigenständig bleiben zu können. Ihre Beziehungsgefühle stimmen mit dem steten Wechsel zwischen gemeinsam und getrennt überein: "Nicht mit dir und nicht ohne dich", mit garantiertem Schutz vor Einengung und Alltagstrott. Zwei Menschen dieses Bindungstyps finden sich eher selten in einer festen Partnerschaft zusammen. Aber für solche Paare kann eine Fernbeziehung auf Dauer gut gehen.

Für alle anderen gilt, dass diese Dauer nicht ewig sein sollte. Denn die Kräfte unserer Bindung sind so tief und körperlich in uns angelegt, dass alles in uns danach strebt, die Ferne in der Beziehung zu überwinden. Doch gilt das noch? Immer mobiler, immer globaler unterwegs, werden wir mehr Fernbeziehungen haben. Gewöhnt an das Leben in der virtuellen Welt werden sich Menschen vielleicht über ihre Smartphones tief verbunden fühlen. Und den fehlenden Körperkontakt durch mehr Kontakt ihrer Körper zur Yogamatte und dem Laufband herstellen. Werden Fernbeziehungen dann auch auf Dauer gut gehen? Oder hat diese Zeit schon begonnen?

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BRIGITTE 09/2021 Brigitte

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