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Borderline Beziehung Eine impulsive Persönlichkeitsstörung in der Partnerschaft

Borderline Beziehung: Mann und Frau sitzen angespannt auf dem Sofa
© fizkes / Shutterstock
Die Borderline Beziehung, was ist das überhaupt? Und was hat sie mit der Borderline Erkrankung zu tun? Wir erklären den Begriff, ohne zu stigmatisieren.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Borderline Beziehung?

Der Begriff Borderline Beziehung lässt sich nicht eindeutig definieren, beziehungsweise könnten zwei verschiedene Zustände gemeint sein:

  1. Eine Beziehung, die durch Höhen und Tiefen gekennzeichnet ist
  2. Eine Beziehung mit einer an Borderline erkrankten Person

Beide Arten beschreiben eine Beziehung zwischen zwei Menschen, doch die Borderline-Persönlichkeitsstörung (kurz BPS) spielt im ersten Fall keine Rolle. Vielmehr bedient sich die Definition an den stigmatisierten Eigenschaften der Borderline Erkrankung, wie beispielsweise intensive Emotionen, schnelles Umschlagen von Stimmungen und Streitigkeiten nach einem aufregenden und mitreißenden Beziehungsbeginn. Doch sind nicht alle Beziehungen in ihrer Anfangsphase aufregend, durchgehend positiv und schleichen sich mit der Zeit nicht beinahe immer die ersten Auseinandersetzungen ein?

Durch das Benutzen des Begriffs der Borderline Beziehung für unangenehme Zustände und Beziehungsprobleme kommt es vermehrt zu Verunsicherung für Erkrankte sowie Nicht-Erkrankte, die ihre/n Partner:in nach einem kurzen Blick ins Netz pathologisieren.

So kommt es zu einer einseitigen Verantwortungszuschreibung, wenn die Stimmung des/der Partner/in "plötzlich" und "von einer Sekunde auf die andere" umschlägt. "Mit diesem Menschen muss irgendetwas nicht stimmen". Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass bei einem Extremverhalten und emotional-instabilen Mustern eine psychische Erkrankung oder Persönlichkeitsstörung zugrunde liegen kann, doch das kann nicht das Internet beantworten, sondern sollte von Expert:innen analysiert werden. 

Wenn du glaubst, dein/e Partner/in könnte möglicherweise an Borderline erkrankt sein oder es gibt Beziehungsprobleme in eurem Leben, die mit eigenen Mitteln nicht bewältigt werden können, solltet ihr eine Beratungseinrichtung oder eine psychotherapeutische Sprechstunde aufsuchen und Unterstützung in Anspruch nehmen.

Jede Erkrankung ist individuell und besonders psychische Erkrankungen lassen sich als Laie nicht so leicht abgrenzen. Vielleicht liegst du mit deiner Vermutung richtig, vielleicht liegt der Veränderung eurer Beziehung auch ein ganz anderes Problem zugrunde. 

© Brigitte

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Die Borderline Erkrankung

Eine diagnostizierte Borderline Erkrankung definiert sich laut ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems. 10. Ausgabe), einem internationalem Katalog aller bekannten menschlichen Erkrankungen, unter dem Code F60.3 folgendermaßen:

Eine Persönlichkeitsstörung mit deutlicher Tendenz, Impulse ohne Berücksichtigung von Konsequenzen auszuagieren, verbunden mit unvorhersehbarer und launenhafter Stimmung. Es besteht eine Neigung zu emotionalen Ausbrüchen und eine Unfähigkeit, impulshaftes Verhalten zu kontrollieren. Ferner besteht eine Tendenz zu streitsüchtigem Verhalten und zu Konflikten mit anderen, insbesondere wenn impulsive Handlungen durchkreuzt oder behindert werden. Zwei Erscheinungsformen können unterschieden werden: Ein impulsiver Typus, vorwiegend gekennzeichnet durch emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle; und ein Borderline- Typus, zusätzlich gekennzeichnet durch Störungen des Selbstbildes, der Ziele und der inneren Präferenzen, durch ein chronisches Gefühl von Leere, durch intensive, aber unbeständige Beziehungen und eine Neigung zu selbstdestruktivem Verhalten mit parasuizidalen Handlungen und Suizidversuchen.

Laut Neurologen und Psychater im Netz, dem Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen, leiden etwa drei Prozent der Bevölkerung an einer Borderline-Störung. Dabei scheinen Männer und Frauen in gleichem Maße betroffen zu sein, Frauen begeben sich jedoch häufiger in Therapie.

Borderline Beziehung: Experte Eric Hegmann
Eric Hegmann ist Paartherapeut mit eigener Praxis in Hamburg. Sein Fachgebiet ist die emotionsfokussierte Paartherapie.
© Robert Hilton

Ihren Ursprung hat die Borderline Erkrankung wie jede Persönlichkeitsstörung in traumatisierenden Erfahrungen in der Kindheit und hat weitreichende Auswirkungen auf Beziehungen. "Viele Verhaltensweisen von Betroffenen sind deshalb früh erlernte Schutz- und Überlebensstrategien und in ihrer Ausrichtung sehr sinnvoll", betont Paartherapeut Eric Hegmann. "Gleichzeitig sabotieren sie auch Beziehungen und verhindern überwiegend Bindungen."

Eine Beziehung mit einer an Borderline erkrankten Person zu führen, wird deshalb nicht leicht und eine große Herausforderung. Für die Erkrankung typische Verhaltensweisen werden von der nicht erkrankten Person zunächst persönlich genommen und lösen Angst aus, weshalb es so wichtig ist, Partner:innen über das Krankheitsbild zu unterrichten, damit sie lernen können, mit der Andersartigkeit umzugehen. 

Was sind Borderline-Symptome?

Der Grat zwischen einer impulsiven Persönlichkeit, die durchaus zum natürlichen und menschlichen Verhalten zählt und keiner Erkrankung zugrunde liegen muss, und jemandem, der an Borderline erkrankt ist, ist sehr schmal. Auch zeigt sich die Erkrankung nicht bei jedem Menschen auf gleiche Weise, weshalb die folgenden Symptome und Anzeichen einen Durchschnitt darstellen und in alle Richtungen ausgedehnt werden können:

  • Innere Welt und Gefühle: Borderline Erkrankte empfinden eine innere Leere, in Belastungssituationen kann es zu paranoiden Vorstellungen, Angst oder schweren dissoziativen Symptomen (verzerrte Wahrnehmung des eigene Körpers) kommen.
  • Erlernte Strategien gegen Verlustangst: Aufgrund früherer Trennungs- und Verlusterfahrungen haben Betroffene Strategien erlernt, die ein anstehendes oder vermutetes Verlassenwerden verhindern sollen.
  • Impulsivität und impulsive Reaktionen: Stimmungen können ohne erkenntlichen Grund kippen, Entscheidungen werden (laut Meinung Außenstehender) überschnell getroffen, plötzlicher Hass, Wut- oder Panikausbrüche können auftreten.
  • Widersprüchliches Verhalten: Es kann zu einer On-Off-Beziehung, also dem Anziehen und wieder Wegstoßen von liebenden Menschen kommen.
  • Große Liebesbeweise vs. schnelle Trennungen: Borderline Erkrankte sehen möglicherweise in ihrem/ihrer Gegenüber die einzig wahre und große Liebe, überschütten sie mit Geschenken und denken ans Heiraten. Aus einem solchen Hoch folgt relativ schnell ein Tief.
  • Sehr hohe Erwartungen: Personen mit Borderline fordern von Partner:innen viel Aufmerksamkeit, große Gefühle, Liebe und Zuneigung ein. Jedoch werden diese Wünsche möglicherweise nicht oder nicht direkt kommuniziert.
  • Extreme oder zu wenig Nähe: Borderline Erkrankte haben oftmals Schwierigkeiten damit, wenn der Partner oder die Partnerin für kurze Zeit nicht in ihrer Nähe ist oder verreist. Neben der Angst, verlassen zu werden, können Borderline-Persönlichkeiten eventuell auch mit zu viel Nähe nicht umgehen. 
  • Instabile Selbstwahrnehmung: Betroffene leiden unter einer ausgeprägten und andauernden Instabilität des Selbstbildes und der Selbstwahrnehmung.
  • Selbstschädigendes Verhalten: Beispielsweise durch den Missbrauch von Drogen und Alkohol, häufig wechselnde Sexualpartner:innen, eine riskante Teilnahme am Straßenverkehr oder extremes Essverhalten.
  • Selbstverletzungen: Borderline-Erkrankte könnten sich selbst verletzen. 
  • Impulsive Entscheidungen: Borderline-Persönlichkeiten könnte es schwerfallen, Entscheidungen mit Bedacht zu treffen.
  • Suizidgedanken: Personen mit dem Borderline-Syndrom entwickeln in den schlimmsten Fällen Selbstmordgedanken und drohen damit. Es ist wichtig, solche Äußerungen ernst zu nehmen, denn laut Neurologen und Psychater im Netz haben 60 Prozent der Betroffenen mindestens einen Suizidversuch unternommen.

Wenn du in diesen Verhaltensweisen eine Person in deinem Umfeld wiedererkennst, zwinge ihr nicht sofort eine Borderline Erkrankung auf. Eine Diagnose kann nur von Expert:innen erfolgen.

Vermutung einer psychischen Erkrankung: Das Gespräch

Du vermutest bei einem deiner Mitmenschen eine psychische Erkrankung und möchtest das Gespräch suchen? Das ist sehr stark. Wir möchten dir einige Tipps geben, wie diese Unterhaltung für beide Partien so angenehm wie möglich wird. 

  • Versuche, einen ruhigen Tag oder eine ruhige Stunde zu finden, in der ihr ungestört seid. Das kann in der Wohnung, aber auch draußen sein. Versuche, möglichst sachlich zu bleiben und der Person keine Vorwürfe zu machen. Bei der Verwendung der Ich-Form bekommt die Person ein Gefühl dafür, wie es dir in den geschilderten Situationen geht und du verfällst nicht in eine lehrerhafte Rolle.
  • Die Betonung, dass du jederzeit da bist und unterstützt, ist in einem solchen Gespräch das Wichtigste. Erzwinge keine Entscheidungen, sondern sei offen, äußere deine Gedanken und biete deine Hilfe an. Schlage vor, zusammen nach einer Therapie zu schauen und Erstgespräche gemeinsam aufzusuchen.

Experte Eric Hegmann fügt hinzu: "Ein Symptom einer Persönlichkeitsstörung ist die nicht vorhandene Krankheitseinsicht. Das bedeutet, dass die Erkrankten vor einer Diagnose nicht sich selbst als krank erleben, sondern in der Außenwelt und in den Außenbeziehungen die Auslöser ihrer Probleme sehen." Möglicherweise wirst du aus diesem Grund in ersten Gesprächen auf taube Ohren oder eine ablehnende Haltung gegenüber einer Therapie stoßen. 

Die Therapie

Wenn die Person einer Psychotherapie zustimmt, ist der Weg in eine lehrreiche Zeit geebnet. Eine Therapie kann ambulant oder auch stationär stattfinden, in den meisten Fällen werden nahestehende Familienmitglieder oder Partner:innen von Therapeut:innen mit einbezogen. Spezielle Ansätze für die Therapie von Persönlichkeitsstörungen sind die Schema-Therapie nach Jeffrey Young oder die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) nach Marsha Linehan.

Die Borderline Erkrankung in der Beziehung und Freundschaft

Möglicherweise hast du eine Person kennengelernt, die unter der Borderline Persönlichkeitsstörung leidet, sie also von einem/r Psychotherapeut:in diagnostiziert wurde oder dein/e Partner:in befindet sich in Therapie. In diesem Fall wird die Person selbst dir am besten darüber Auskunft geben können, wie sich die Erkrankung äußert, was er oder sie dabei fühlt und wie sie sich auf die Beziehung , Partnerschaft oder den zwischenmenschlichen Umgang auswirken kann.

So kannst du Borderliner:innen unterstützen

Mit viel Liebe, Geduld und Respekt lässt sich das Borderline-Syndrom therapieren. Wenn du dich fragst, was du für deinen Partner, deine Partnerin oder Freundd:innen tun kannst, haben wir hier ein paar Tipps:

  • Auf eine Paartherapie einlassen: Der einfachste Weg, die Persönlichkeitsstörung zu verstehen und zusammen mit deinem Partner oder deiner Partnerin damit zu wachsen, ist eine Paartherapie. Therapeut:innen beantworten alle deine Fragen und du lernst mehr über besondere Verhaltensweisen.
  • Verständnis zeigen: Borderliner:innen nicht für ihre Gefühlsausbrüche und Handlungen zu verurteilen, gibt ihnen Kraft.
  • Bei Beziehungsproblemen nicht der Krankheit die Schuld geben: Eine einseitige Schuldzuschreibung bei Problemen ist der einfachste Weg, doch den oder die Partner:in und ihre/seine Krankheit für alles verantwortlich zu machen, ist nicht fair und entspricht nicht der Wahrheit. Behandle dein Gegenüber in stürmischen Zeiten stets wie jede andere Person: respektvoll, liebevoll und freundlich.
  • Nicht die Rolle des/der Therapeut:in einnehmen: Das würde die Beziehungsdynamik belasten, beispielsweise durch häufige Stimmungswechsel und Schutzstrategien im Bereich Nähe und Distanz.
  • Sicherheit geben: Schenke Erkrankten Sicherheit.
  • Gesunde leben: Wie bei jeder Erkrankung ist ein gesunder Lebensstil für die Genesung essenziell. Regelmäßige Bewegung, gesundes Essen und viel Wasser kann helfen.
  • Mit anderen Angehörigen austauschen: Die Vernetzung mit anderen Personen, die mit Borderliner:innen eine Beziehung führen oder zusammenleben, kann zur eigenen Entlastung beitragen. Teile dein Wissen und erfahre mehr über das Leben anderer.

Das Informieren über die Krankheit und das Annehmen von Unterstützungsangeboten für Angehörige und speziell für Menschen in einer Partnerschaft ist sehr wichtig. Paartherapeut Eric Hegmann betont: "Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie einander Verletzungen unbewusst zufügen werden und lernen und üben Sie Strategien, diese zu heilen. Bemühen Sie sich im Alltag um eine möglichst zugewandte, unterstützende Kommunikation, um damit Ihre Verbindung zu sichern." Zum Selbstschutz rät der Experte auch zu einer eigenen therapeutischen Begleitung, um nötige Grenzen zu definieren, erfassen und setzen zu können. Dort können folgende Fragestellungen beantwortet und Lösungen erarbeitet werden:

  1. Wie gehe ich mit immer wieder kehrenden Selbstmorddrohungen um?
  2. Wie gut kann ich mich bei Stimmungsschwankungen abgrenzen? 
  3. Was macht es mit mir, permanent auf einen Wechsel von Nähe- und Distanzbedürfnissen ausgesetzt zu sein? 
  4. Wie verändert sich dadurch mein Bindungsverhalten
  5. Welche Schutzstrategien nutze ich, welche könnte ich erlernen? 

Persönlichkeitsstörungen können eine Partnerschaft belasten. "Das bedeutet nicht, dass solche Beziehungen nicht erfüllend sein können, aber sie sind eben auch riskant", sagt Paartherapeut Eric Hegmann abschließend. Ein regelmäßiger, intensiver Blick auf die eigene psychische Gesundheit und persönliche Grenzen sollte immer an erster Stelle stehen.

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Verwendete Quellen:

Brigitte

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