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Traumhaftes Süditalien Apulien: Alles, was ich liebe

Apulien: Gravina am Rand einer Karstschlucht
© Steffen Schulte-Lippern / Brigitte
In Apulien findet unsere Autorin Annette Rübesamen all das, was sie an Italien so liebt: das Licht, das Meer und barocke Städtchen.

Der Prinz von Nardò durchquert sein Reich auf einem alten Herrenfahrrad. Ohne Eile kurvt er durch die verwinkelten Altstadtgassen, vorbei an barocken Palazzi aus buttergelbem Sandstein, heiter verschnörkelten Kirchenfassaden, hübsch gemeißelten Portalen. Der Prinz sieht alles und grüßt alle. Vor dem Palazzo Dell’Abate springt er vom Sattel, um ein paar Blumentöpfe in Position zu rücken.

Antonello Rizzello hat in Paris viel Geld verdient, bevor er in seine Heimat Salento im Süden Apuliens zurückkehrte, um Nardò, das Dornröschen unter den apulischen Stadtschönheiten, wachzuküssen. Heute ist "Tag der offenen Innenhöfe", organisiert von Rizzellos Verein "Dimore Storiche Neretine" ("Nardòs historische Häuser"), der die Besitzer der prächtigsten Barockresidenzen angeregt hat, ihre Tore aufzusperren. In manchen Höfen geigen an diesem Nachmittag Kammerorchester; in anderen tragen Gymnasiast:innen aufgeregt kunsthistorische Details vor, und Neugierige schauen in versteckte Orangengärten und alte Stallkammern.

Apulien ist die neue Toskana

Apulien sei die "neue Toskana", hört man immer wieder: jede Menge Olivenöl und Wein, rustikale Küche, hübsche Städtchen und die schönsten Immobilien. Und Promis vom Rang einer Helen Mirren oder eines Francis Ford Coppola, die sich hier Anwesen zugelegt haben. Alles wie im Chianti also, nur nicht so teuer, dafür aber ins kräftige Licht des Mezzogiorno getaucht.

Tatsächlich fühlt sich meine Reise durch Hacke und Absatz des italienischen Stiefels an, als blätterte ich durch die Sommerausgabe eines coolen Wohnmagazins.

Kein Objekt, in das ich nicht sofort einziehen würde! Ob es „Trulli“ sind, die runden Zipfelmützenhäuschen, die sich gern in kleinen Grüppchen zusammendrängen. Oder "Masserien", imposante und kantige Gutshäuser, an deren Fassaden schon mal schmale Außentreppen zu zinnenbewehrten Flachdächern hinaufführen. Auch die "Lamias" gefallen mir, niedrige Steinhäuschen, von Bäuer:innen während der Arbeit in Olivenhainen und Weingärten genutzt. Alle locken mit dem Versprechen schattiger Frische, führen aus der Hitze des Südens hinein auf kühle Steinböden. Darüber wölben sich Tuffsteinblöcke zu stern- oder tonnenförmigen Deckengewölben, wie wir Nordlichter sie nur aus der Kirchenarchitektur kennen.

Man müsste gar nicht viel machen, denke ich jedes Mal, wenn ich durch ein Fenster spitze oder eine Tür aufdrücke. Nur mal kurz die Wände weißen. Ich würde einen Strohhut an die Wand hängen, ein paar Bücher in die Mauernischen stellen und einen Stuhl vor die Tür, wo das gewaltige Sägen der Zikaden die heiße Luft in eine vibrierende Wand verwandelt.

Apulien: Trulli
Zipfelmützen-Dorf Alberobello ist die "Hauptstadt der Trulli", sehr touristisch und überlaufen. Aber die Häuschen gibt’s zum Glück überall in Apulien
© Steffen Schulte-Lippern / Brigitte

An Bausteinen herrscht in Apulien kein Mangel. Es gibt den Trani-Stein, der wie weißer Marmor glänzt. Es gibt den cremegelben Lecceser Stein, der sich schnitzen lässt wie Butter und der Stadt Lecce konditorartig verzierte Barockfassaden beschert hat. Und es gibt Steine, die einfach so herumliegen. "Das alles hier ist verkarsteter Kalkstein", sagt Giuseppe Carlucci, keuchend über den Lenker seines Mountainbikes gebeugt, während wir im kleinsten Gang zwischen Hafer- und Weizenfeldern eine lange Steigung hochkeulen. Wir machen eine Radtour durch den Nationalpark Alta Murgia, eine lang gezogene, nahezu baumlose Hochebene im apulischen Binnenland.

Alles recht steinig hier

In der Ferne kauert auf einem Hügel, ein wenig unheimlich anzusehen, das Castel del Monte, die 800 Jahre alte, achteckige Stauferburg, ein frühes Beispiel für puristische apulische Ferienhausarchitektur – man weiß es nicht genau, aber Hausherr Friedrich II. kam vermutlich nur zur Jagd vorbei. Ansonsten ist die Besiedelung äußerst spärlich hier, nur 15 Kilometer Luftlinie von der Adriaküste entfernt: Es gibt keine Dörfer, kaum Höfe, nur Trockenmauern, die das karge Hochplateau wie schief eingenähte Reißverschlüsse durchziehen, und halb verfallene Schafställe. Alles aufgetürmt aus hellgrauen Kalksteintrümmern. "Wer in Apulien Land bestellen wollte, musste erst mal endlos viele Steine aus der Erde klauben", erzählt Giuseppe Carlucci.

Er war in der Finanzbranche tätig, bevor er den Taschenrechner gegen ein pinkes Bike tauschte. Seither arbeitet er als Natur-Guide und begeistert seine Gäste für die einzigartige Pflanzenwelt des Nationalparks. Hier eine dornenreiche Wildbirne! Dort der Riesenfenchel, in dessen hohlem Stängel Prometheus den Menschen einst das Feuer gebracht haben soll. Wir bremsen vor einem Stacheldrahtzaun. Samtrote Libellen stehen in der Luft, darunter weht etwas in der Sommerbrise, das wie silbernes Feenhaar aussieht. "Stipa austroitalica", sagt Giuseppe. Man müsse wissen, dass die Murge lange Zeit als Truppenübungsplatz gedient haben. Irgendwann sei es den Umweltschützer:innen zu viel geworden: "Sie fanden diese rare, schützenswerte Grasart und hielten sie den Generälen unter die Nase. Tja, und so wurde 2004 der Nationalpark gegründet." Eine schöne Geschichte! Italien wäre allerdings nicht Italien, wenn nicht trotz Nationalparkstatut immer mal wieder Panzer zu Manövern über das bedrohte Feenhaar rasselten, wie Giuseppe durchblicken lässt. An diesem Sommertag aber stört nichts die wilde, weite Steppeneinsamkeit.

Lauschige Sommerabende im Freien

So wie Apuliens Landhäuser an heißen Tagen ins Innere locken, so locken die Städte in der Kühle des Abends ins Freie, auf die Plätze. Glänzend gepflasterte Gassen verwandeln sich in der Dämmerung in Open-Air-Wohnzimmer. Möbliert mit rausgeschleppten Küchenstühlen, auf denen man sich zu Plausch und Entspannung niederlässt. So war es in Trani, dem blendend weißen Adriastädtchen, wo zur blauen Stunde die Fischer direkt von ihren Kuttern zarte Kalmare und graurosa Krebse verkauften, das Kilo für schlappe zehn Euro.

Apulien: Fischerboote im Hafen
Mit Chuzpe Bei den Fischern von Trani ergattern die frechen Möwen bisweilen einen fetten Happen
© Steffen Schulte-Lippern / Brigitte

Und so ist es in Gravina in Puglia, das sich im Süden des Nationalparks an den Rand einer Karstschlucht klammert. Unten im grün zugewachsenen Canyon quaken Frösche, oben in der Altstadt knutschen Teenies auf Steinbänken.

Gravina hat sich die feierliche Bürgerlichkeit des Südens bewahrt, wo die Welt so wirkt, als sei sie in den 50er-Jahren mit Bügelstärke fixiert worden.

Nur das weltberühmte Alberobello hat seine Unschuld verloren und sich mit perfekt restaurierten, weiß gekalkten Trulli und Busladungen voller Tourist:innen zu einer Kreuzung aus Schlumpfdorf und Neuschwanstein entwickelt.

Da fahre ich lieber gleich weiter; schließlich stehen im restlichen Valle d’Itria noch genügend andere Trulli herum, grau und ehrlich, als Endpunkte krummer Mäuerchen, hinter denen krumme Bäuerchen unter Walnuss- und Feigenbäumen die Hacke schwingen. Oder ehemalige Steuerberaterinnen mit langen Locken und Kreolen in den Ohren preisgekrönte Spitzen-Rosés keltern.

Apulien: Winzerin
© Steffen Schulte-Lippern / Brigitte

Flora Saponari wartet am Gartentor im Schatten einer großen Pinie. Hinter dem Häuschen leuchtet Rebenlaub in sorgfältig gehegten Reihen. Das Weingut Vignaflora ist winzig – zwei Hektar Boden, die Flora von ihrem Großvater geerbt hat. Sie hat Susumaniello-Reben gepflanzt, eine halb vergessene autochthone Sorte, der ein schwieriges Naturell nachgesagt wird. Ein kleines Wunder, denn aus diesen roten Trauben keltert sie nicht nur einen Rosato – das hatte vor ihr noch kaum jemand gewagt –, er gewann auch gleich im ersten Jahr die nationale Rosé-Goldmedaille.

Kann man sich mehr wünschen? Flora lacht ihr großes, herzliches Lachen unter dem weißen Sonnenhut. "Noch zwei Hektar Land mehr wären nicht schlecht", findet sie. Wir stehen unter dem Vordach am großen Steintisch. Die schöne Winzerin hat Focaccia in Stücke geschnitten, deren grobe Salzkörner in Pfützchen grünen Olivenöls schmelzen. Der Wein, den sie einschenkt, hat die Farbe von Rhabarber, er schmeckt kräftig und elegant zugleich. Kein Vergleich mit der oft blässlichen Rosé-Konkurrenz aus dem Norden Italiens.

"Ja", sagt Flora, "hier in Apulien haben die Dinge Struktur, Wurzeln und Haltbarkeit. Nichts bei uns ist oberflächlich."

Daran muss ich denken, als ich in Dörfern einkehre, die zur Feier ihrer Heiligen die Straßen seit dem 17. Jahrhundert mit "Luminarie" schmücken, riesigen, lichterbesetzten Holzgerüsten als Zeichen der noch heute tiefen Religiosität des Südens. Diese Konstruktionen sind höher als die Häuser und verzaubern die Dörfer nachts in funkelnde Lichttempel.

Apulien: Altar
Bei Freunden Im Hof der "Masseria Palombara" gibt es einen kleinen Altar
© Steffen Schulte-Lippern / Brigitte

Ein Stück einer solchen Luminaria haben sich Angelo und Fabiola Lippolis gesichert und auf dem gepflasterten Hof der familieneigenen Masseria bei Oria aufgestellt. Gut 300 Jahre alt ist das Gutshaus, dazu gehört ein Steinbruch. Angelo zeigt ihn mir am nächsten Morgen: Ein alter Tunnel führt von der Masseria unter der Straße hindurch auf ein Stoppelfeld, auf dem ein paar regelmäßige Steinstufen zu sehen sind. "Ab 300 vor Christus wurde hier Tuffstein zum Bau von Häusern und Stadtmauern abgebaut", erzählt er. "Erst von den Messapiern, den südapulischen Urbewohnern. Dann von Römern und den Basilianer-Mönchen."

In Apulien wissen sie eben schon sehr, sehr lange, aus welchem Stoff die Träume sind.

Annettes Reisetipps für Apulien

HOTELS IN APULIEN

Masseria Palombara. Im 400 Jahre alten Anwesen der Familie Lippolis fühlte ich mich wie bei Freunden zu Hause – nichts erinnert an ein Hotel. Von der kleinen Espressomaschine beim Frühstück über die selbst geschreinerten Holztischchen in den Zimmern bis hin zu den luftigen Schattenplätzen unter dem Schilfdach ist alles sehr liebevoll und persönlich gestaltet und arrangiert. DZ/F ab 132 Euro (Oria, Contrada Palombara, Strada Provinciale 57 per Manduria km 2,5, Tel. 08 31/84 97 84, masseriapalombara.eu).

Borgo Beltrani. Das kleine B&B liegt mitten in der Altstadt von Trani. Aparte, weiß gekalkte, puristische Zimmer. Frühstück gibt es auf der Dachterrasse mit Kathedralen- und Meerblick. Das ganze Jahr über wird hier die Osterspezialität des Ortes serviert: Ricotta, Orange, Ei und Salami. DZ/F ab 100 Euro (Trani, Via Beltrani 27, Tel. 08 83/89 84 21, borgobeltrani.it).

La Corte. Die schicksten Ferienwohnungen im Salento hat der reizende Belgier Vincent de Cat in der Altstadt von Nardò eingerichtet – mit Geschmack, viel Sinn für Design und edlem Vintage-Mobiliar. Apartment ab 245 Euro (Nardò, Tel. (0)3 33/449 78 86, nardosalento.com).

RESTAURANTS IN APULIEN

Bistrot 27. Wenige Tische, aber umso mehr fantastische Antipasti! Wie sie es in der winzigen Küche schaffen, Köstlichkeiten wie Mini-Fleischrouladen, gefüllte Zucchiniblüten, gratinierte Paprikaschoten und "Parmigiana bianca" herzustellen, wird auf ewig das Geheimnis von Mimmo und Maddalena bleiben. Nichts für Veggies – es dominieren Fleischgerichte (Trani, Piazza Gradenigo 5, Tel. (0)3 88/091 93 00).

Pescheria 2 Mari. In diesem modernen Glaskasten-Restaurant verstehen sie sich ganz hervorragend auf rohen Schwert- und Thunfisch, Langusten, Scampi und Zahnbrasse, alles hübsch arrangiert, dazu herrlich kalte Rosés und Weißweine (Savelletri, Piazza Amati 8, Tel. 080/482 91 61).

Mezza Pagnotta. Nach einer Entdeckungsfahrt durch den Nationalpark Alta Murgia stärkt man sich am besten mit einer Entdeckungsreise durch die "ethnobotanische Küche" im Städtchen Ruvo. Längst vergessene Kräuter und Pflanzen verarbeitet Francesco Montaruli zu fantasievollen Kreationen. Kleine Portionen, höhere Preise, aber maximale Sinnesfreuden (Ruvo di Puglia, Via Rosario 9–13, Tel. (0)3 47/999 64 75).

L’Antica Locanda. Im Frühsommer unbedingt die zarten Weinrebentriebe "Cime di Vigna" probieren, die Chef Pasquale Fatalino kurz blanchiert und dann mit Knoblauch, Essig und Öl anmacht. Ein Gedicht! Ebenso köstlich schmecken im Gewölbekeller die Orecchiette aus geröstetem Weizen und der apulische Klassiker "Fave e Cicoria", Bohnenpüree mit Zichorie (Noci, Via Spirito Santo 49, Tel. 080/497 24 60, pasqualefatalino.it).

ERLEBEN IN APULIEN

Biken in Alta Murgia. Der Nationalpark eignet sich für Radtouren, weil auf den Straßen kaum Verkehr herrscht und die Steigungen überschaubar sind. Auf der Höhe der Ortschaften Ruvo und Corato wurden sieben MTB-Routen angelegt (Ciclovia Alta Murgia), die auch Sehenswürdigkeiten wie Nekropolen und das Castel del Monte einschließen. Markiert sind die Wege nicht, aber es gibt hervorragendes Infomaterial und Leihfahrräder (für geführte Touren) im Nationalpark-Zentrum in Ruvo (Ruvo, Via Valle Noè 5, parcoaltamurgia.gov.it).

Vignaflora. Die beste Adresse für alle, die einen eleganten, ausdrucksvollen Rosé lieben. Wer lieber Rotwein trinkt: Den hat Flora Saponari auch im Sortiment – reinsortig aus ihren Susumaniello-Trauben. Besuche unbedingt telefonisch anmelden! (Castellana Grotte, Via Alfredo Oriani 1, Tel. (0)3 47/322 98 58, vignaflora.it)

Olio Merico. 1800 Olivenbäume besitzt Consiglia Lisi im Süden des Salento – einige davon sind an die 1000 Jahre alt. Consiglia bietet neben Verkostungen ihrer Bio-Öle auch Spaziergänge zu diesen lebenden Zeitzeugen an (Miggiano, S.P. 181 Specchia – Stazione 9, Tel. (0)3 40/345 03 18, oliomericosalento.com).

Porto Selvaggio. Mal was anderes als Sandstrand: Schon der meditative Anmarsch durch den duftenden Pinienwald zur Klippen- und Felsbucht im Naturpark Porto Selvaggio nördlich von Gallipoli trägt spürbar zur Erholung bei (Nardò, Via Litoranea Sant’Isidoro – Santa Caterina).

Bootstour. Im Juli und August lädt Nicola Tedeschi Tourist:innen auf sein Fischerboot "Marilena", schippert mit ihnen vor der Küste Tranis auf und ab, lässt sie Netze auswerfen, kocht für alle, macht Musik und hält zum Baden in einer schönen Bucht. Und zum Finale wird der gefangene Fisch unter den Gästen verlost. Ein Erlebnis! (Trani, Molo Santa Lucia, Tel. (0)3 31/628 98 13)

TELEFON

Italien hat die Landesvorwahl 00 39. Die erste Null der Ortsvorwahl wird auch aus dem Ausland mitgewählt, nicht aber die erste Null von Mobilnummern (beginnen mit einer 3).

Gut zu wissen

An vielen der architektonischen Schätze in Nardò und Umgebung würde man blicklos vorbeilaufen. Gut, dass der von Antonello Rizzello gegründete Verein "Dimore Storiche Neretine" dafür sorgt, dass Palazzi und Villen, Masserien und Türme die verdiente Aufmerksamkeit erhalten. Er hat einen Führer herausgegeben (Verkauf im Sitz des Vereins), organisiert Führungen und Rundgänge (Nardò, Monastero Santa Teresa, Corso Garibaldi 29, Tel. 08 33/193 60 43).

Brigitte

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