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Köln-"Tatort": Von Menschen und Monstern

Köln-"Tatort": Von Menschen und Monstern
© WDR/Uwe Stratmann
Gewalttätige Jugendliche, überforderte Eltern und Ohnmacht auf allen Seiten - der neue "Tatort" aus Köln ist eine der besten Folgen des Jahres.

Alles deutet auf einen entspannten Feierabend hin - zwar ohne die übliche Currywurst, dafür aber mit einer Flasche Bier für den Heimweg: Als Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) in einer U-Bahn-Haltstelle Zeuge einer brutalen Schlägerei wird und dazwischen geht, wird er selbst geschlagen und schließlich auf die Gleise gestoßen - kurz bevor die Bahn einfährt.

Gleich die ersten Minuten des neuen "Tatorts" aus Köln sind rasant. Während Ballauf mit kleineren Blessuren davon kommt, fällt das Opfer der Schlägerei ins Koma und stirbt wenig später. Die Täter sind schnell gefunden. Während andere "Tatorte" an dieser Stelle enden, geht es in Köln erst richtig los.

Täter aus gutem Hause

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Die mutmaßlichen Täter sind Jugendliche aus gutbürgerlichem Hause, die der Polizei bereits bekannt sind. Die gängigen Klischees von straffälligen Problemjugendlichen aus sozialen Brennpunkten mit schwierigen familiären Verhältnissen greifen also nicht. Aber was treibt diese jungen Menschen an? Langeweile? Frust? Das wird nicht klar. Notwehr sei es gewesen, sagt die Täterin, während ihr Freund den Kommissaren selbstbewusst die Stirn bietet. Und dafür sorgt, dass Ballauf von seinem Chef an die kurze Leine genommen wird und Kollege Freddy Schenk (Dietmar Bär) allein ermitteln muss (eine ähnliche Situation kennen wir aus dem letzten München-"Tatort").

Und die Eltern? Die haben in ihrer Überforderung längst resigniert und den Zugang zu ihren Sprösslingen verloren. Einzig die Mutter der Täterin versucht die Gewaltbereitschaft ihrer Tochter mit noch mehr Liebe und Zuwendung zu kompensieren. Hier zeigt sich auch, wie treffend der Titel "Ohnmacht" diesen "Tatort" zusammenfasst. Ohnmächtig sind alle - von den Menschen in der U-Bahn-Haltestelle, die glotzen, aber nicht eingreifen, bis hin zu den Eltern, denen ihre Brut entglitten ist.

Hier lohnt sich jede Minute

Redakteurin Insa Winter und "Tatort"-Schauspieler Klaus J. Behrendt haben eine Gemeinsamkeit: Beide sind in Ibbenbüren aufgewachsen.
Redakteurin Insa Winter und "Tatort"-Schauspieler Klaus J. Behrendt haben eine Gemeinsamkeit: Beide sind in Ibbenbüren aufgewachsen.
© Jaane Christensen

Früher wäre der Kölner "Tatort" in ein Erklärstück über Zivilcourage und Gewalt abgedriftet, heute versteht man sich darauf, nicht alles erklären und abbilden zu müssen. Warum werden manche Menschen zu Gewalttätern? Und wie reagiert die Umwelt darauf? Wer trägt die Verantwortung? Auf manche Fragen gibt es keine Antworten. Stattdessen dürfen am Ende auch mal fette Fragezeichen bleiben.

Ballauf und Schenk mausern sich nach ihren zwei letzten, düsteren Fällen "Franziska" und "Der Fall Reinhardt", die dem Zuschauer bisweilen richtig zugesetzt haben, zu Experten für besonders gute Sonntagabendunterhaltung. Davon können sich andere "Tatort"-Teams einiges abschauen. "Ohnmacht" ist ein überaus gelungener "Tatort" über Zivilcourage, Verantwortung, Macht und Machtlosigkeit mit unverbrauchten, neuen Gesichtern - und bleibt bis zum überraschenden Ende spannend. Jede einzelne Minute lohnt sich. Für mich schon jetzt einer der besten "Tatorte" des Jahres.

Tatort: Ohnmacht, Sonntag, 11. Mai 2014, 20.15 Uhr, ARD

Sollten Sie den "Tatort" verpasst haben, können Sie sich die aktuelle Folge bis sieben Tage nach Ausstrahlung (aus Jugendschutzgründen jeweils in der Zeit von 20 bis 6 Uhr) in der ARD-Mediathek anschauen.

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