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Peinlich, peinlich! Das erzähl ich nicht mal meinem Arzt ...

Peinlich, peinlich! Das erzähl ich nicht mal meinem Arzt ...
© Concept Photo/shutterstock
Manche Beschwerden sind uns einfach etwas peinlich – vor allem, wenn sie intime Bereiche des Körpers betreffen. Warum wir unsere Hemmungen trotzdem überwinden sollten!

Nacken- oder Knieprobleme, Erkältung: Darüber sprechen wir ohne Scheu mit Freundinnen und in der Mittagspause mit den Kollegen. Anders sieht es bei Symptomen aus, die gesellschaftlich tabu sind. Die möchten einige am liebsten nicht mal ihrer Ärztin oder ihrem Arzt offenbaren.

"Viele Betroffene haben ein schlechtes Gewissen und fürchten, die Beschwerden durch mangelnde Hygiene selbst verschuldet zu haben", erklärt Prof. Dr. Uwe Gieler, Psychodermatologe und Leiter der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des Universitätsklinikums Gießen.

Also schweigend leiden, um nicht negativ aufzufallen? Bloß nicht, sagt Prof. Dr. Elisabeth Merkle, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe aus Bad Reichenhall: "In den meisten Fällen riskieren Sie eine Verschlechterung, wenn Symptome unbehandelt bleiben." Sie rät dazu, frühzeitig mit einem vertrauten Mediziner zu sprechen, der Hausärztin oder dem Gynäkologen, die sich Zeit nehmen und einfühlsam auf die Bedenken eingehen können. Denn: So peinlich uns manches Leiden sein mag, in den meisten Fällen gibt es wirksame Therapien.

Blasenschwäche

Nach einer Schwangerschaft, durch Übergewicht oder eine angeborene Bindegewebsschwäche kann es auch jungen Frauen passieren, dass die Blase nicht mehr vollkommen dicht hält. Mit steigendem Alter wächst die Zahl der Betroffenen. Geschätzt 10 Millionen Deutsche haben zeitweilig oder chronisch mit Inkontinenz zu tun. Doch 65 Prozent der Frauen können sich aus Scham nicht zu einem Arztbesuch überwinden, wie eine Marktforschungsumfrage von "Always Discreet" herausfand. Stattdessen schränken sich viele von ihnen im Alltag unnötig ein, unternehmen etwa keine weiten Reisen mehr, tragen aus Angst vor Flecken dunkle Kleidung oder verzichten auf Sex.

"Dabei gibt es viele Möglichkeiten, diesen Frauen zu helfen", sagt Prof. Dr. Elisabeth Merkle. "Das reicht von Beckenbodengymnastik über medikamentöse Behandlungen oder eine Therapie mit Pessaren, die Blase und Harnröhre stützen, bis hin zu operativen Lösungen. Auch die Versorgung mit geeigneten Inkontinenzprodukten ist sehr wichtig und hilft den Frauen, Lebensqualität zurückzugewinnen." Unbehandelt sollte man die Blasenschwäche keinesfalls lassen, in der Regel verschlimmern sich die Beschwerden. "Vor dem Arztbesuch ist es günstig, über zwei, drei Wochen ein Tagebuch zu führen", rät die Gynäkologin. Trinkmenge, Toilettengänge, in welchen Situationen kommt es zum unwillkürlichen Harnabgang? "Das erleichtert die Diagnose und damit eine schnelle therapeutische Lösung."

Fuß- und Nagelpilz

Juckreiz zwischen den Zehen, gerötete schuppende Haut an den Fersen oder verfärbte, verdickte Nägel: Eine Pilzinfektion ist unangenehm – und ansteckend. Rund ein Drittel aller Deutschen kennt das Problem aus eigener Erfahrung. "Viele ignorieren die Anzeichen aber lange und kommen zu spät in die Sprechstunde", sagt Prof. Dr. Uwe Gieler. Das kann gefährlich werden: "Bei Fußpilz dringen durch Risse in der betroffenen Hautregion leichter Bakterien ein, manchmal entsteht dann eine Wundrose oder sogar eine Sepsis, die sofort mit Antibiotika behandelt werden muss."

Nagelpilz breitet sich ebenfalls oft aus, geht auf andere Nägel über oder wandert von der Spitze bis zum Nagelbett. Erkennt man Fußoder Nagelpilz früh, genügt es meist, die Stelle lokal mit Antimykotika (Anti-Pilz-Mitteln) zu behandeln, die es rezeptfrei in der Apotheke gibt. Lavendelöl hat sich in einer Studie ebenfalls als wirksam erwiesen, doch Untersuchungen zu Dosierung und Konzentration stehen noch aus. Generell und auch zur Vorbeugung wichtig: Zehenzwischenräume nach dem Baden oder Duschen immer gut trocken tupfen – in feucht-warmem Milieu fühlen sich Pilzsporen besonders wohl. Und: Während der Infektion Handtücher, Fußfeile etc. nicht mit der Familie teilen!

Mundgeruch

"Selbst feststellen kann man schlechten Atem eigentlich nicht", sagt die Berliner Zahnärztin Aviva Grinfeld, die eine spezielle Sprechstunde zum Thema Mundgeruch anbietet. "Geschätzt 30 Prozent meiner Patienten kommen, weil sie einen unangenehmen Geschmack bemerken und das abklären lassen möchten. Die anderen sind auf Hinweise des Partners angewiesen oder spüren eine abwehrende Reaktion anderer Menschen." Die Ursachen?

In selteneren Fällen Stoffwechselveränderungen, etwa durch Diabetes, Erkrankungen von Magen und Speiseröhre oder Entzündungen von Nasennebenhöhle oder Mandeln. In über 90 Prozent der Fälle aber sind Bakterien im Mundraum die Übeltäter. Umso wichtiger ist es, regelmäßig zur Zahnreinigung und zahnärztlichen Kontrolle zu gehen. "Die Bakterien tummeln sich auf der Zunge, in tiefen Zahnfleischtaschen oder am Rand schlecht sitzender Füllungen und Kronen. Und weil sie Schwefelverbindungen produzieren, verursachen sie den unangenehmen Geruch", so Grinfeld. Sobald das Problem erkannt ist, setzt die entsprechende Therapie ein. Etwa gründliche Zungen- und Zahnreinigung, Parodontitisbehandlung oder die Erneuerung von schlecht sitzendem Zahnersatz.

"Keiner, der Mundgeruch hat, muss deshalb verzweifeln", so die Zahnärztin. "Das Problem ist weit verbreitet, jeder Vierte leidet zeitweilig darunter, bei sechs Prozent der Bevölkerung besteht – unbehandelt – chronisch schlechter Atem. Ein kompetenter Zahnarzt wird die Ursache aber rasch finden und beheben."

Warzen

Leider verbreiten sie nicht nur auf der Hexennase im Märchenbuch ihren Schrecken, sondern auch im echten Leben. "Am häufigsten treten durch Papillomaviren ausgelöste Warzen an Händen und Füßen auf, meist bei Patienten, deren Hautbarriere geschwächt ist, oder die an schlechter Durchblutung leiden", sagt Facharzt Uwe Gieler. Zwar können die Viren übertragen werden, durch einen Händedruck allein steckt sich aber niemand an, beruhigt Gieler. Rund drei Prozent der Erwachsenen leiden unter Warzen, Kinder sind mit etwa 10 Prozent und Jugendliche mit bis zu 30 Prozent weit häufiger betroffen.

"Die individuelle Behandlung richtet sich nach der Region und den Beschwerden. Unter anderem kommen Kälte- oder Lasertherapien, chemische Mittel zum Auftragen auf die Haut oder chirurgisches Entfernen infrage", so Gieler. Rezeptfrei gibt es Pflaster oder Tinkturen mit Salicyl-, Chloressig- bzw. Ameisensäure, da ist allerdings oft Ausdauer gefragt, und Produkte, die das Vereisungsprinzip nutzen. Sogar das "Warzenbesprechen" scheint zu wirken, sagt Gieler: "In Studien mit Kindern zeigte sich ein heilsamer Effekt, wenn die Warze verbal weggeschickt und ein Placebo, etwa Kochsalzlösung, aufgetupft wurde."

Hämorrhoiden

Beim Stichwort Po denkt man am liebsten an etwas Knackiges. Blutungen und ausgestülptes Gewebe? Nein, danke! Trotzdem: "Etwa 80 Prozent aller Deutschen im Alter ab 45 leiden zumindest phasenweise unter Hämorrhoiden", sagt Gynäkologin Prof. Dr. Elisabeth Merkle. Auch in der Schwangerschaft machen sich die Quälgeister oft bemerkbar. Bei denen handelt es sich sachlich betrachtet schlicht um Schwellkörper am Darmausgang, die uns eigentlich "abdichten" sollen. "Drückt aber das Gewicht eines Kindes darauf, oder leidet jemand langfristig unter Verstopfung und presst beim Stuhlgang zu stark, dann können diese Schwellkörper am Darmende austreten und sich vergrößern", erklärt die Medizinerin.

Im Anfangsstadium lassen sich die Beschwerden oft durch Kamillensitzbäder oder mit Hamamelis-Salbe (z.B. "Hametum") lindern. Auch kleine Änderungen des Lebensstils helfen, das Übel zu beseitigen, etwa mehr Bewegung sowie eine ballaststoffreiche Ernährung. Schwangerschaftsbedingte Hämorrhoiden bilden sich zum Glück in der Regel von allein zurück. Bei genetischer Vorbelastung und ungünstigen Lebensgewohnheiten kann sich das Problem allerdings verschlimmern. Manchmal ist dann sogar ein chirurgischer Eingriff notwendig. In jedem Fall gilt der Rat von Gynäkologin Elisabeth Merkle: "Lassen Sie analen Juckreiz und Blutungen unbedingt schnell untersuchen, auch, um andere Darmerkrankungen auszuschließen."

Scheidenpilz

Fast jede Frau kennt das lästige Jucken und Brennen "da unten". "Wahrscheinlich weil es sich um die häufigste und zugleich harmloseste vaginale Infektion handelt, die schnell und einfach zu behandeln ist, erlebe ich bei jüngeren Patientinnen eher weniger Hemmungen", sagt Gynäkologin Elisabeth Merkle. "Ältere Frauen tun sich aber immer noch schwer damit. Frage ich vorab nach Rötungen der Scheide, antworten viele peinlich berührt: Ich weiß nicht, da habe ich noch nicht nachgeschaut."

Grundsätzlich gilt: Gefährlich werden kann der Pilz nicht, da er im Gegensatz zu anderen Infektionen niemals aufsteigt. Wer die Symptome schon kennt, kann also rezeptfreie Zäpfchen und Salben aus der Apotheke holen und sich den Praxisbesuch sparen. Erstmalig auftretende, unklare Beschwerden sollten Sie aber immer abklären lassen. Und meldet sich der Scheidenpilz in kurzen Abständen immer wieder, muss man auf jeden Fall genauer nach den Ursachen forschen. Übrigens wird eine Infektion nicht durch mangelnde Hygiene begünstigt. Eher das Gegenteil ist der Fall, deshalb wird zur Vorbeugung empfohlen, den Genitalbereich maximal einmal täglich zu reinigen, lauwarmes Wasser genügt. Wer trotzdem nicht auf Seife oder ähnliches verzichten möchte, sollte spezielle Intimpflegeprodukte verwenden.

Reizdarmsyndrom

Charme verbreitet der Darm meist nur auf Bestsellerlisten, normalerweise ignorieren wir die eigene Verdauung lieber, soweit es eben geht. Vom Reizdarmsyndrom Betroffene werden hingegen jeden Tag auf unangenehme Weise daran erinnert. Geschätzt 12 Millionen Deutsche, darunter mehr Frauen als Männer, kämpfen mit Blähungen, Bauchkrämpfen oder auch starkem Stuhldrang und Durchfall.

"Die Erkrankung ist sehr schambesetzt, weil die Patienten im Extremfall tatsächlich befürchten müssen, in die Hose zu machen", sagt Gieler. "Betroffene stehen unter Dauerstress, ziehen sich teilweise völlig aus dem sozialen Leben zurück und müssen immer eine Toilette in der Nähe haben." Zusätzlich fürchten viele den Stempel "psychisch krank", da oft keine organische Ursache gefunden wird. Die gute Nachricht: Es gibt wirksame Strategien zur Darmregulierung, Medikamente (unter anderem pflanzliche Mittel wie "Iberogast") und psychotherapeutische Maßnahmen. Auf jeden Fall sollte man Magen-Darm-Probleme untersuchen lassen, da auch eine chronisch-entzündliche Erkrankung, Allergien oder Intoleranzen dahinterstecken können.

Text: BRIGITTE.DE 2/2016<br/><br/>Autorin: Tanja Pöpperl

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