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PCO-Syndrom Wenn der Körper plötzlich männlich wird

PCO Syndrom
© Shutterstock/ PH888
Das PCO-Syndrom ist die häufigste weibliche Hormonstörung und einer der Gründe dafür, dass Frauen keine Kinder bekommen können. Was steckt dahinter?
Sabine Hoffmann

Manchmal ist es vor allem ihr Äußeres, unter dem die Betroffenen leiden: eine hartnäckige Akne etwa. Oder Haare, die auf dem Kopf immer weniger werden - dafür aber auf der Oberlippe umso mehr. Manchmal ist es neben dem Haarausfall oder der zunehmenden Körperbehaarung aber auch das Körperinnere, das irgendwie nicht mitspielt. Dass etwa der Kinderwunsch monate- oder gar jahrelang unerfüllt bleibt. Ursache für all das ist ein Polyzystisches Ovarialsyndrom, kurz PCOS.

Eine Krankheit, die häufig vorkommt, aber über die man wenig weiß. Hinzu kommt, dass bei Frauen mit PCOS die typischen Symptome unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Dementsprechend lang und frustrierend ist oft die Odyssee der Betroffenen, bis sie endlich erfahren, was sie wirklich haben.

PCO-Syndrom: Die Symptome im Überblick

  • Zyklusstörungen: seltene oder ganz ausbleibende Regelblutung; unregelmäßige Zwischenblutungen
  • Hirsutismus: ein männliches Behaarungsmuster durch vermehrte männliche Sexualhormone (Androgene) im Körper. Vermehrte Schambehaarung, auch auf den Oberschenkeln sowie vom Bauchnabel abwärts. Haare um die Brustwarzen, auf dem Brustbein, der Oberlippe und am Kinn können ebenfalls vorkommen.
  • Haarausfall
  • fettige Haut und/oder Akne
  • Tendenz zu Übergewicht, vor allem bedingt durch Bauchfett
  • gestörter Fettstoffwechsel
  • verminderte Fruchtbarkeit bis hin zur Unfruchtbarkeit
  • Bluthochdruck
  • zu hoher Blutzucker

PCO-Syndrom: Die Diagnose

"Die Erkrankung ist komplex, die Symptome sind sehr unterschiedlich. Und diese Komplexität macht die Diagnose schwer", sagt Professor Christoph Keck, Leiter des Fachbereichs Gynäkologie am Endokrinologikum Hamburg. Dazu kommt: Das Polyzystische Ovarsyndrom ist nicht einmal medizinisch einheitlich definiert. Und die namensgebenden Zysten in den Eierstöcken (Ovarien) sind eigentlich gar keine. Bei den kleinen Bläschen, die mittels Ultraschall zu sehen sind, handelt es sich vielmehr um unreife Eizellen der Eierstöcke. Diese finden sich übrigens nur bei etwa 70 Prozent der Betroffenen.

Die PCOS-Diagnose erfolgt deswegen meist, wenn von folgenden drei Kriterien mindestens zwei erfüllt sind (und wenn andere Ursachen wie etwa Tumorerkrankungen ausgeschlossen wurden): 1. "Zysten" in den Eierstöcken, 2. ein unregelmäßiger Zyklus, wenn Eisprung und Regelblutung nur selten oder gar nicht stattfinden, und 3. ein Zuviel männlicher Hormone (Hyperandrogenämie) oder des Follikelstimulierenden Sexualhormons (FSH) der Hirnanhangsdrüse, das sich im Blut messen lässt oder durch eine "Vermännlichung" an Haut (Pickel, Akne) und Haar (Haarausfall am Kopf und vermehrte Behaarung am Körper) sichtbar wird. Vermutlich fünf bis acht Prozent der Frauen im sogenannten gebärfähigen Alter sind in Deutschland davon betroffen, manche Schätzungen sprechen sogar von 15 Prozent. Damit ist das PCOS die häufigste hormonelle Störung, unter der Frauen vor der Menopause leiden.

PCO-Syndrom: Die Ursachen

Auch wie die Krankheit überhaupt entsteht, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Deswegen kann man PCOS auch nicht gezielt vorbeugen. Sicher ist, dass die Gene mitentscheiden: Frauen, die betroffen sind, haben oft Mütter mit PCOS oder Väter, die hormonell bedingt früh eine Glatze bekommen haben. "Wie sich die Mutter in der Schwangerschaft ernährt hat, kann aber auch eine wichtige Rolle spielen", sagt Dr. Aida Hanjalic-Beck vom Centrum für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Freiburg.

Das heißt: Nimmt eine Schwangere stark zu, steigt das Risiko ihrer Tochter, später an PCOS zu erkranken. Der Zusammenhang des Syndroms mit dem Gewicht ist insgesamt auffällig: Drei von vier Betroffenen sind übergewichtig, die Diabetes-Gefahr ist erhöht. Offensichtlich gerät also nicht nur das Verhältnis von weiblichen und männlichen Hormonen aus den Fugen, sondern oft auch der gesamte Energiestoffwechsel.

Die meisten Frauen mit PCOS, und zwar selbst die Normalgewichtigen, haben eine sogenannte Insulinresistenz: Ihre Zellen reagieren nicht mehr auf das hormonelle Signal des Insulins, den Zucker aus dem Blut aufzunehmen, der Blutzuckerspiegel steigt daraufhin, und der Körper produziert im Versuch, doch noch gegenzusteuern, immer mehr Insulin. Deswegen haben Frauen mit einem polyzystischen Ovarialsyndrom ein erhöhtes Risiko, Diabetes mellitus Typ II zu entwickeln.

PCO-Syndrom: Die Auswirkungen

Die Insulinresistenz begünstigt einerseits Übergewicht, weil das Hormon den Körper veranlasst, Energie zu speichern, und steigert andererseits die Produktion von männlichen Hormonen in Eierstock und Nebenniere. Und hat eine Frau erst einmal zu viele männliche Geschlechtshormone, senkt dies zusätzlich die Empfindlichkeit der Zellen gegenüber Insulin, so dass wiederum noch mehr dieses Hormons produziert wird.

Ein Teufelskreis mit fatalen Auswirkungen: Denn der weiblichen Fruchtbarkeit liegt ein äußerst sensibles Zusammenspiel verschiedener Hormone zugrunde. Ist es gestört, verändern sich unter anderem auch die Eierstöcke. "Im Randbereich sind dann viele kleine Eizellen perlschnurartig aufgereiht", erklärt Gynäkologin Hanjalic-Beck. "Die Überproduktion männlicher Hormone verhindert das Heranreifen dieser Eibläschen. Der Eisprung ist gestört oder findet gar nicht statt."

Außerdem baut sich die Gebärmutterschleimhaut nicht mehr richtig auf, so dass, selbst wenn eine Befruchtung stattfindet, die Einnistung erschwert ist. Deshalb ist das PCOS auch einer der häufigsten Gründe für ungewollte Kinderlosigkeit. Genau dies war aber wohl nicht immer der Fall, wie manche Experten vermuten. Im Gegenteil: Wahrscheinlich hatten diese Frauen über weite Phasen der Menschheitsgeschichte sogar einen eindeutigen Vorteil in Sachen Fruchtbarkeit. Denn wenn Nahrung knapp ist oder nur sehr unregelmäßig verfügbar, kann nur jemand mit einem derart effektiven Energiehaushalt überhaupt schwanger werden. Erst unter den heutigen Lebensbedingungen und dem allzeit verfügbaren Nahrungsangebot wirkt sich diese Veranlagung negativ aus und begünstigt Diabetes und PCOS.

PCO-Syndrom: Die Therapie

Seinen Lebensstil und seine Ernährung verändern, die Kalorienzufuhr einschränken und sich mehr bewegen - das bringt den gestörten Hormonhaushalt wieder ins Lot: Schmilzt das Körperfett, reagieren die Zellen besser auf Insulin, der Blutzuckerspiegel sinkt und damit auch die Produktion männlicher Hormone. Studien zeigen, dass schon eine Reduktion des Körpergewichts um nur fünf Prozent zu einer deutlichen Besserung der Symptome führt und auch die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft erhöht. Experte Keck räumt allerdings ein, dass genau das Abnehmen für PCOS-Patientinnen häufig sehr schwierig sei - immerhin ist ihr Stoffwechsel genetisch darauf programmiert, Energiespeicher zu bewahren.

Eine Auswertung aus Dänemark kommt zu dem Schluss, dass selbst Betroffene, die weniger als 1000 Kilokalorien pro Tag zu sich nehmen, häufig nur wenig Gewicht verlieren. Oftmals funktioniert das Abnehmen dann nur mit Hilfe von Medikamenten, die die Hormonausschüttung regulieren. "Ziel der medikamentösen Therapie ist, die bestehenden Symptome zu lindern sowie den Stoffwechsel zu normalisieren und auf diese Weise mögliche Spätfolgen zu verhindern", sagt Keck. Denn das hormonelle Durcheinander des PCOS schädige langfristig Herz und Gefäße.

PCOS und Kinderwunsch

Wie die Erkrankung letztendlich noch behandelt wird, ist abhängig vom Kinderwunsch der Betroffenen. Junge Mädchen und Frauen, die nicht schwanger werden wollen, bekommen meist als hormonelle Therapie eine bestimmte Antibabypille verschrieben, um die Hormonproduktion der Eierstöcke zu regulieren. Durch deren antiandrogene Wirkung bessern sich auch die Beschwerden an Haut und Haar.

Möchte eine Frau dagegen Mutter werden, empfiehlt Hanjalic-Beck Hormone, damit es zum Eisprung (Ovulation) kommt. Antiöstrogene (z.B. Clomifen) regen den Zyklus an. Bewährt haben sich zudem Antidiabetika, die selbst dann die Chance einer Schwangerschaft erhöhen, wenn kein Diabetes besteht. Der Wirkstoff Metformin senkt nämlich nicht nur den Blutzuckerspiegel, sondern regt (wie auch Clomifen) den Eisprung und die Follikelbildung an. Zwar ist Metformin zur Behandlung von PCOS nicht zugelassen, doch der Arzt kann es verschreiben, wenn er die Patientin darüber aufklärt.

Oft werden zur Therapie des PCO-Syndroms auch niedrig dosierte Kortisonpräparate verschrieben, die die Produktion männlicher Hormone (Androgene) unterdrücken. Bei manchen Frauen erfüllt sich der Kinderwunsch aber auch erst nach einer Operation, bei der die überzähligen Eibläschen zerstört werden, oder durch eine In-vitro-Fertilisation.

Zwangsläufig behandelt werden muss das PCOS nicht: "Ist die Betroffene schlank, hat mindestens ein bis zwei Mal im Jahr ihre Regel und einen gewissen Spiegel an weiblichen Hormonen, dann braucht man nichts zu machen, wenn die Frau nicht darunter leidet", sagt Hanjalic-Beck und ergänzt: "Manchmal bessert sich die Krankheit auch nach einer Schwangerschaft von selbst. Außerdem werden die Beschwerden nach den Wechseljahren meistens weniger."

PCOS und die Psyche

Viel schwerer als die körperlichen Probleme wiegen für die Betroffenen aber oft ihre seelischen Nöte. So ergab eine Studie am Universitätsklinikum Essen, dass Lebensqualität und -zufriedenheit von PCOS-Patientinnen deutlich reduziert sind: Sie zweifeln an ihrer Weiblichkeit, fühlen sich weniger attraktiv und nicht als vollwertige Frau. Andere Untersuchungen wiesen nach, dass Betroffene häufiger als Gesunde unter Depressionen leiden.

Deswegen ist es wichtig, dass die Frauen nicht nur medizinisch gut betreut werden, sondern auch ihre Psyche stärken. Vielen hilft dabei der Austausch mit anderen in einer Selbsthilfegruppe - und damit die Erfahrung, eben nicht allein zu sein mit dieser rätselhaften Erkrankung.

Text: Sabine Hoffmann; Ein Artikel aus der BRIGITTE Brigitte

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