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Kann die richtige Ernährung wirklich heilen?

Kann Essen wirklich heilen: Frau isst Erdbeeren auf einer Wiese
© Jukov studio / Shutterstock
Himbeeren gegen
Krebs oder Kokosöl, um Alzheimer vorzubeugen? Der neue Hype: Lebensmittel, die gegen Krankheiten helfen sollen. Was dran ist und was Quatsch, erklärt der Ernährungsmediziner Prof. Dr. Hans Hauner.

BRIGITTE: Zahlreiche Sachbücher, Artikel und Fernsehformate beschäftigen sich derzeit damit, wie eine gesunde Ernährung Krankheiten wie Diabetes oder sogar Krebs heilen kann. Ist Essen das neue Wundermittel?


PROF. DR. HANS HAUNER: Nein, Essen kann natürlich nicht heilen, aber eine gesunde Ernährung hat schon einen großen Einfluss auf den Erfolg der Genesung - vor allem bei modernen Wohlstandskrankheiten wie Diabetes, Herz- Kreislauf-Erkrankungen, nicht-alkoholische Fettleber, Gicht, Gelenk- und Nierenerkrankungen oder Osteoporose. "Krebszellen mögen keine Himbeeren" heißt ein Buchtitel. Wie können denn sogenannte Krebs-Diäten helfen, die ja oft sehr kohlenhydratreduziert sind? Krebsdiäten sind völliger Unsinn. Bei Krebs ist es sinnvoll, sich gesund zu ernähren und vor allem normalgewichtig zu sein. Über- sowie Untergewicht wirken sich dagegen negativ auf den Krankheitsverlauf aus. 

Es stimmt also nicht, dass Zucker das Wachstum von Krebszellen befördert?

Dass Krebszellen keinen Zucker bekommen, ist praktisch gar nicht möglich. Die Körperzellen und vor allem das Gehirn brauchen Glukose. Darum schwimmt im Blut immer eine ausreichende Menge an Zucker, egal, was Sie essen. Die sogenannte „Keto-Diät“, die nahezu kohlenhydratfrei ist, ist allerdings bestenfalls in Tierstudien erprobt, die sich aber nicht auf den Menschen übertragen lassen. 

Oft liest man auch, dass bestimmte Lebensmittel Entzündungen eindämmen.

Es gibt tatsächlich Nährstoffe, die pro- oder auch antientzündlich wirken. Gesättigte Fette und Transfettsäuren, die in Back- und Frittierfetten stecken, fachen Entzündungen an. Auch beim Zucker gibt es Hinweise, dass er Entzündungen fördert - all diese Produkte sollte man auch aus diesem Grund eher sparsam verwenden. Vollkornprodukte sowie generell eine pflanzliche Kost wirken Entzündungen entgegen. Zudem hat Fischöl eine schwache antientzündliche Wirkung. Studien mit Fischöl-Kapseln oder einem ein- bis zweimaligen Fisch-Konsum pro Woche zeigen, dass sich Gelenkentzündungen etwas bessern und man so eventuell Medikamente einsparen kann. Ähnliches gilt für Multiple Sklerose.

Welche Rolle spielt die Darmflora bei Autoimmunkrankheiten und psychischen Krankheiten wie Depressionen, Alzheimer oder Autismus?


Wissenschaftler untersuchen die Darmflora und ihre Besiedelung mit Bakterien gerade sehr intensiv - und wie sie sich je nach Lebensstil oder Krankheit verändert. Aber wir sind noch meilenweit davon entfernt, hier Ernährungsempfehlungen formulieren zu können.


Bei Diabetes Typ 2 gibt es Patienten,
die ihre Medikamente nach einer Ernährungsumstellung gar nicht mehr nehmen müssen. Wie sieht denn so eine Diabetes-Diät konkret aus? 

Im Prinzip reicht eine gesunde Ernährung, das heißt: Sie ist pflanzlich betont, sollte nicht zu viele hochverarbeitete Lebensmittel sowie wenig gesättigte Fette aus Fleisch und Wurstwaren liefern. Der Anteil an Kohlenhydraten lässt sich nicht genau definieren. Neuerdings werden statt Makronährstoffen eher Lebensmittelgruppen empfohlen: Obst und Gemüse, Vollkornprodukte sowie Fisch und mageres Fleisch sind gut, genau wie fermentierte Milchprodukte wie Joghurt und Käse.

Zuckerhaltige Getränke sind dagegen Übeltäter, die kein Mensch braucht. Zucker in großen Mengen führt nicht nur zu Übergewicht und Diabetes, sondern auch direkt zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei übergewichtigen Diabetes-Patienten ist jedoch das wichtigste Ziel, abzunehmen. Wenn man es schafft, das Gewicht nur um fünf bis zehn Prozent zu reduzieren, dann kann das bedeuten, dass der Betroffene völlig normale Zuckerwerte hat.

Auch über die positiven Effekte des Fastens liest man gerade viel.


Ja, denn Heilfasten wirkt sich zumindest kurzfristig positiv auf viele Stoffwechselkrankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gicht,Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen oder entzündliche Erkrankungen wie Rheuma aus. Entzündungsmediatoren wie Interleukin-6 werden herunterreguliert und Beschwerden, etwa Schmerzen, können sich bessern. Das sind aber nur Kurzzeiteffekte, die Krankheiten werden nicht geheilt, denn man kann ja nicht auf Dauer fasten. Zudem besteht die Gefahr, dass man danach stärker an Gewicht zulegt, was sich dann wiederum schädlich auf den Stoffwechsel auswirkt.

Auch Kokosöl wird gerade stark gehypt, es soll gegen Übergewicht, aber auch gegen Alzheimer helfen, weil es
die Anzahl der antioxidativ wirkenden Enzyme im Körper erhöhen kann ...

Wissenschaftlich ist davon nichts belegt. Kokosöl besteht im Wesentlichen aus gesättigten Fettsäuren, von denen wir ohnehin weniger essen sollten. Zwar handelt es sich dabei zum Teil um mittelkettige Fettsäuren, sogenannte MCTs, wie die Laurinsäure. MCTs sind leichter verdaulich und haben zumindest keine schädliche Auswirkung auf das Cholesterin im Blut. Das reicht aber nicht, um sie in großen Mengen zu empfehlen, der Hype ist für mich nicht nachvollziehbar. Deutlich besser sind Oliven- oder Rapsöl. Sie liefern einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die das Cholesterin senken und Herzkrankheiten vorbeugen.

Krebsdiäten sind völliger Unsinn. Wichtig ist, sich gesund zu ernähren! 

Jeder dritte Bundesbürger nimmt bereits Nahrungsergänzungsmittel wie etwa Vitamin D oder Omega-3-Fettsäuren ein. Ist das wirklich nötig – oder Geldverschwendung?


Gesunde Menschen, die sich einigermaßen ausgewogen ernähren, brauchen keine Nahrungsergänzungsmittel. Sie helfen auch bei keiner Krankheit. Nur dem Vitamin D wird bei Menschen ab dem 60. Lebensjahr ein gewisser Schutz gegen Osteoporose eingeräumt. Auch in der Krebstherapie wird es manchmal empfohlen, dazu gibt es aber noch keine wissenschaftlichen Beweise. Und Veganer sollten in jedem Fall Vitamin B 12 einnehmen. Auch Jod kann knapp werden und sollte dann ergänzt werden.

Welche Lebensmittel sollte man denn auf jeden Fall meiden, um möglichst lange gesund und fit zu bleiben?


Verboten ist nichts. Wenn man mal eine Fanta trinkt, eine Wurst oder ein Croissant isst, ist das völlig unproblematisch, schließlich ist der Stoffwechsel sehr flexibel. Es geht vor allem um das Ernährungsmuster auf lange Sicht. Wenn es langfristig große Mengen an ungünstigen Lebensmitteln vorsieht, dann wird es ein Problem. Ein gesundes Ernährungsmuster ist die mediterrane Diät mit viel Olivenöl und Gemüse. Auch die ovo-lak- to-vegetarische Kost - also ohne Fleisch, aber mit Milch und Eiern – wirkt schützend. Fleischersatzprodukte sind dagegen genauso ungesund wie andere hochverarbeitete Produkte.

Können gesunde Menschen etwas tun, damit sie gar nicht erst krank werden?

Eine gesunde Ernährung kann nicht nur Übergewicht, Diabetes Typ 2 und Herz- Kreislauf-Krankheiten vorbeugen, sondern auch Alzheimer und bestimmten Krebsarten wie Dickdarm-, Brust-, Gebärmutter- oder Leberkrebs. Neuere Metaanalysen zeigen, dass Ballaststoffe vor dem Mammakarzinom schützen, viel rotes Fleisch das Risiko für Dickdarmkrebs und viel Alkohol das für Leberkrebs erhöht. Gegen Depressionen feit eine gesunde Kost jedoch nicht.

Vielen Menschen geht es besser, wenn sie ihre Ernährung umstellen. Liegt das vor allem daran, dass sie sich ihr Essverhalten bewusst machen und aktiv werden oder tatsächlich an den gesunden Inhaltsstoffen von Möhrchen, Brokkoli und Grünkohl?


Das kommt darauf an, von wo man startet. Ein Schweinebraten-Esser wird sich mit einer pflanzenbetonten Ernährung schon allein dadurch besser fühlen, dass er nicht so beschwert und so schnell müde ist. Eine leichte Kost führt einfach zu einem besseren Wohlbefinden. Dazu kommen psychische Effekte: Das heißt, man will sich etwas Gutes tun, sich besser fühlen und dies tritt dann gemäß der Self-Fulfilling Prophecy auch ein. Einzelne Inhaltsstoffe etwa aus Gemüse haben jedoch keine nachweisbare Wirkung auf unser seelisches Wohlbefinden.

Prof. Dr. Hans Hauner,Ernährungsmediziner, ist seit 2003 Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin an der TU München. Interviewerin Kathrin Burger hat übrigens selbst gerade ein Buch zum Thema gesunde Ernährung veröffentlicht: "Besser essen nebenbei" (224 S., 16,90 Euro, Stiftung Warentest).

Interview: Kathrin Burger BRIGITTE 04/2018

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