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Abnehmspritze Das Mittel gegen Übergewicht?

Abnehmspritze: Junge, hübsche, übergewichtige Frau sitzt nachdenklich auf dem Sofa
© shurkin_son / Adobe Stock
Ein Wirkstoff, der beim Abnehmen hilft – den will ich auch! Wie funktioniert die revolutionäre Abnehmspritze? Für wen ist das Medikament eigentlich gedacht? Und wer trägt die Kosten? Wir beantworten alle wichtigen Fragen.

Inhaltsverzeichnis

Wenn es bloß so einfach wäre – nur einmal pro Woche ein kleiner Piks und Tschüss Gewichtsprobleme! Um es gleich vorwegzunehmen: Dieses Szenario bleibt ein Wunschdenken, auch mit Semaglutid, dem Wirkstoff, der in der viel diskutierten, mittlerweile auch in Deutschland erhältlichen Abnehmspritze steckt. Was sie kann: bei krankhaftem Übergewicht dabei mithelfen, Gewicht zu verlieren. Fachleute, wie zum Beispiel Prof. Dr. Jens Aberle, ärztlicher Leiter des Adipositas-Centrums und Facharzt für Diabetologie und Endokrinologe am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und Präsident der Deutschen Adipositas Gesellschaft, sprechen deshalb auch von einem Meilenstein, einem Gamechanger in der Adipositasbehandlung

Wie wirkt die Abnehmspritze?

Semaglutid und Liraglutid gehören zur Gruppe der sogenannten GLP-1 Rezeptoragonisten oder GLP-1-Analoga. Das sind blutzuckersenkende Substanzen, die ursprünglich der Behandlung von Diabetes mellitus Typ-2 dienen, die aber mittlerweile auch zur Adipositastherapie zugelassen sind. Das Molekül Liraglutid unterscheidet sich minimal, nur in einer Aminosäure, von Semaglutid. In dem Wirkstoff Semaglutid ist das Molekül insofern modifiziert, so dass es sich weniger schnell wieder abbaut. Deshalb genügt es, Semaglutid mit einem Fertigpen nur einmal pro Woche unter die Haut zu spritzen, während Liraglutid jeden Tag gespritzt werden muss.

"GLP-1 ist ein Wirkstoff, der dem natürlich vorkommenden Sättigungs-Hormon GLP-1 (Glucagon-like Peptid-1) ähnelt. Es wird im Darm ausgeschüttet, hat aber nur etwa eine Halbwertzeit von zwei Minuten, bis es abgebaut ist", erklärt Dr. Sonja Senner, Ernährungsmedizinerin aus München im Interview mit BRIGITTE.DE. "Wird es über eine Spritze zugeführt, bleibt dieses körpereigene Hormon länger im Organismus und kann dort auch länger wirken", so die Ärztin weiter. 

Ein GLP-1-Agonist imitiert also das Satthormon. Dieses Darmhormon gibt der Bauchspeicheldrüse den Impuls, vermehrt Insulin auszuschütten, sobald Nahrung verdaut wird und daraufhin der Blutzuckerspiegel ansteigt. Über den Botenstoff Insulin wird dieser Zucker (Glukose) als Energiequelle in die Zellen geschleust und der Blutzuckerspiegel fällt wieder ab. 

Darüber hinaus verlangsamt GLP-1 die Magenentleerung und bremst die Ausschüttung von Glucagon, eines weiteren blutzuckersteigernden Hormons. Das erklärt die Indikation Typ-2-Diabetes, denn bei dieser Stoffwechselerkrankung reagieren die Körperzellen nicht mehr richtig auf Insulin, so dass der Blutzuckerspiegel nicht absinken kann.

Auch das Hungergefühl und das Sattsein folgen einem sehr komplexen hormonellen Regelkreis. Weil dieses GLP-1 nicht nur mit der Bauchspeicheldrüse interagiert, sondern auch im Gehirn, im Hypothalamus, anbindet und dort ein Sättigungsgefühl auslöst, wurde erkannt, dass sich das Antidiabetikum auch gut eignet, um Übergewicht zu bekämpfen. Inzwischen sind GLP-1-Agonisten auch zur Adipositastherapie in Deutschland und Europa zugelassen – Liraglutid seit 2016, das neuere Semaglutid seit 2022. 

Die Gleichung lautet also: Wer das Medikament nimmt, verspürt weniger Appetit, fühlt sich auch schneller satt, isst daher insgesamt weniger und nimmt folglich ab

Für wen eignet sich die Therapie?

Bei dem Wirkstoff Semaglutid handelt es sich um ein verschreibungspflichtiges Medikament, kein Lifestyle-Produkt. Es ist für Menschen mit Typ-2-Diabetes oder Adipositas, also einer schweren chronischen Erkrankung, gedacht und nicht für Leute, die einfach nur ein paar Kilos loswerden möchten, weil sie glauben, dann an- oder auch ausgezogen besser auszusehen. 

Ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 sprechen Mediziner:innen von Adipositas, einer krankhaften Erhöhung des Körperfettanteils. Um deinen BMI zu ermitteln, kannst du unseren BMI-Rechner nutzen. Die Abnehmspritze kann bereits ab einem BMI von 27 verordnet werden, wenn mindestens eine Begleiterkrankung vorliegt, zum Beispiel Bluthochdruck. Ohne Begleiterkrankungen gilt ein BMI von 30 als Grenzwert.

Seinen Ruf als Abnehmmittel verdankt Semaglutid einer Studie, die im Jahr 2021 im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde. Die Teilnemer:innen dieser Studie hatten kein Diabetes, aber einen BMI von über 30 und bekamen das Mittel einmal pro Woche unter die Haut gespritzt. Eine Ernährungsumstellung und zusätzliche Bewegungseinheiten begleiteten diese Phase. Nach insgesamt 68 Wochen hatten die Proband:innen im Schnitt knapp 15 Prozent an Gewicht verloren, etwa ein Drittel von ihnen sogar 20 Prozent. Im Vergleich dazu nahm die Kontrollgruppe, die anstelle des Wirkstoffes lediglich ein Placebo erhielt, nur 1,7 bis 2,4 Prozent ihres Ausgangsgewichtes ab. Klar, dass diese auffälligen Ergebnisse aufhorchen ließen.

Denn: Die Therapie zur Gewichtsabnahme ist immer eine Kombination dieser drei Säulen

  • Bewegung
  • Ernährungsumstellung
  • Verhaltensänderung 

Das Problem bei adipösen Patientinnen und Patienten ist aber, dass sie so krank und immobil sind, dass der Ratschlag 'Bewegen Sie sich mehr' einfach nicht funktioniert. Bewegung macht erst Spaß und tut nicht mehr weh (und das sind die Voraussetzung dafür, regelmäßig und langfristig Sport zu treiben), wenn die ersten Kilos runter sind und nicht mehr die Gelenke und das Herz-Kreislaufsystem überlasten. Wie du die nötige Motivation zum Abnehmen findest, verraten dir unsere Durchhaltetipps.

Ab einen BMI von über 40 steht Übergewichtigen die Möglichkeit einer bariatrischen Operation zu, einer Magenverkleinerung beispielsweise. Doch die kann, wie jeder Eingriff, zu Komplikationen führen. Und wenn jemand eine solche Operation nicht riskieren möchte, oder doch noch „zu wenig übergewichtig" dafür ist? "Diese Patientinnen und Patienten waren bislang total unterversorgt", betont Dr. Sonja Senner. "Genau für diese Menschen kann durch die medikamentöse Therapie eine Behandlungslücke geschlossen werden."

Wieviel Gewichtsverlust erreicht die Abnehmspritze und wie lange dauert die Therapie?

Die bisherigen Studien zeigen, dass sich mithilfe von Semaglutid das Gewicht um 10 bis zu 15 Prozent senken lässt. Der Adipositas-Experte Prof. Dr. Jens Aberle geht davon aus, dass neue Medikamente eine Gewichtsreduktion von 20-22, vielleicht in Zukunft sogar 25 Prozent schaffen werden. Das ergab bereits eine Studie mit dem Dreifach-Agonisten Retatrutid.

Ein Absetzen verändert das Hungergefühl, da das Sättigungshormon nicht weiter ausgeschüttet wird. Daher empfehlen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte eine Einnahme über mehrere Monate, sowie die Kombination mit anderen Lebenstilveränderungen, unter anderem Bewegung, um einen Gewöhnungseffekt zu schaffen und gesündere Routinen (wie kleinere Portionen) zu verinnerlichen. "Nach Studienlage erreichen die Menschen nach Absetzen der Spritzen im Durchschnitt dann mit der Zeit wieder ihr Anfangsgewicht", sagt Dr. Sonja Senner und präzisiert: "Aber das ist nur der Durchschnitt. Es gibt viele Patientinnen oder Patienten, die konsequent multimodal behandelt wurden, die also eine Ernährungsumstellung und Verhaltensänderung gemacht haben und über den regelmäßigen Kontakt mit dem Arzt immer wieder Impulse erhielten. Die können dann auch nachhaltig Erfolg haben." Die medikamentöse Therapie kann dafür der Kickstart sein.

Kommt die Krankenkasse für die Behandlung auf?

Das kommt darauf an, ob die Diagnose Diabetes oder Adipositas lautet. Zwar sind beides erworbene Krankheiten, die sich hauptsächlich auf Bewegungsmangel und falsche Ernährung zurückführen lassen. Und doch zahlen gesetzliche Krankenkassen nur für das Mittel, wenn es gegen die Erkrankung Diabetes mellitus vom Typ 2 eingesetzt wird. Die Begründung: "Weil es in dem Fall nicht primär zum Abnehmen gedacht ist", erklärt Dr. Senner. So wird Semaglutid für die Indikation Diabetes unter dem Handelsnamen Ozempic verkauft, der gleiche Wirkstoff, aber höher dosiert und mit Zulassung für die Adipositastherapie, heißt Wegovy oder Saxenda (und kostet übrigens gut doppelt so viel).

Das liegt daran, dass in Deutschland im Sozialgesetzbuch V steht, dass Appetitzügler oder Stoffe, die beim Abnehmen helfen, nicht erstattungsfähig sind. "Das bedeutet, wir Ärzte können es verschreiben, das Rezept kann auch in der Apotheke eingelöst werden. Aber bei Adipositas zahlt die Kasse nicht, sondern die Patientinnen und Patienten müssen die Kosten selbst tragen."

Warum ist das ein Problem?

Adipositas ist laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell als chronische Erkrankung anerkannt, genau wie Diabetes. Die generelle Wahrnehmung ist jedoch noch eine andere. Viel stärker spielen hier Aspekte wie Schuld, Scham und Resignation eine Rolle. "Bei Adipositas dauert es im Schnitt sechs Jahre, bis Betroffene sich dazu durchringen, sich Hilfe zu holen", weiß Dr. Senner. 

Extremes Übergewicht wird immer mehr zu einer Volkskrankheit und birgt große Gesundheitsgefahren. Laut Berechnungen der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) wird Adipositas in den kommenden Jahren etwa 70 Prozent der Diabetes-Behandlungskosten verursachen, außerdem 23 Prozent der Behandlungskosten für Herz-Kreislauferkrankungen und neun Prozent der Krebs-Behandlungskosten. Heute schon muss das Gesundheitssystem in Deutschland allein wegen Adipositas rund 60 Milliarden Euro pro Jahr aufwenden.

Was kostet die Abnehmspritze?

Der Preis für eine Vier-Wochen-Ration (= vier Spritzen) beträgt gut 300 Euro. Im Vergleich ist das noch relativ preiswert: In den USA wird die gleiche Menge für 1350 US-Dollar verkauft.

Welche Nebenwirkungen können auftreten?

"Grundsätzlich wird laut Studien das Medikament gut vertragen", sagt Dr. Sonja Senner. Als häufigste Nebenwirkung werden in Studien Übelkeit genannt.Es kann auch mal zu Erbrechen kommen, zu Durchfall oder zu Verstopfung. "Wegen dieser möglichen Magen-Darm-Symptomatik wird das Mittel auch aufdosiert, das heißt, man beginnt mit einer ganz niedrigen Dosis und die wird jede Woche stufenweise erhöht. Damit sich der Körper daran gewöhnen kann." Deshalb hält es die Ernährungsmedizinerin, die auch den Online-Anbieter GoLighter.de berät, auch für richtig und wichtig, dass das Medikament nur auf Rezept erhältlich ist und dass die Patient:innen im ärztlichen Kontakt bleiben.

Bei längerer Anwendung können auch Gallensteine entstehen. Das liegt aber nicht ursächlich an der Abnehmspritze, sondern geschieht auch, wenn jemand auf anderem Wege deutlich Gewicht abbaut. Denn beim Abnehmen fallen ganz generell mehr Stoffwechselprodukte an, die möglicherweise kristallieren.

"Die Abnehmspritze ist kein Wundermittel für alle. Sie unterliegt einer strengen Indikationsprüfung durch einen Arzt. Bei der Therapie der Adipositas sollte sie stets als eine Säule von einem multimodalen Therapiekonzept gesehen werden", betont Dr. Senner. "Das Medikament ersetzt nicht eine Ernährungsumstellung. Denn es ist ja auch wichtig, eine vitaminreiche Ernährung zu erreichen. Viele adipöse Menschen sind mangelernährt, nehmen zu wenige Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe auf. Nur wenn die Behandlung Hand in Hand geht, möglichst multimodal und mit realistischen Zielen, wird man überhaupt Langzeiteffekte erzielen können", sagt die Ärztin.

Gibt es den Wirkstoff auch in Tablettenform?

Semaglutid ist ein Protein, ein Eiweiß. Wird es geschluckt, daut die Magensäure das Molekül an und macht es somit unwirksam. Zur Behandlung von Diabetes Typ 2 hat die Europäische Kommission bislang ein orales Semaglutid zugelassen. Es enthält einen Wirkstoff, der der die Aufnahme verbessert. Doch dieses Medikament muss nüchtern eingenommen werden und auch danach darf mindestens eine halbe Stunde lang weder gegessen noch getrunken werden. Nichtsdestotrotz kommt dieses orale Semaglutid auf eine Bioverfügbarkeit von höchstens 1 Prozent.

Das ist bei einem neuartigen oralen GLP-1-Agonisten, der sich noch in der Entwicklungs- und Prüfphase befindet, anders. Orforglipron wirkt ebenfalls auf den GLP-1-Rezeptor, ist aber kein Protein, das durch Enzyme im Magen-Darm-Trakt abgebaut wird. Daher wirkt es, wie bisherige pharmakologische Studien zeigen, egal, ob es mit oder ohne Nahrung eingenommen wird. Erste Ergebnisse zeigen bei Adipositas einen Gewichtsverlust von 14,7 Prozent nach 26 Wochen. Es wird sich zeigen, ob und wann das Mittel tatsächlich auf den Markt kommt.

Zum Weiterlesen: Wie Abnehmen ohne Sport gelingen kann und unsere besten Abnehmtipps erfährst du hier. Auch ein paar wertvolle Tipps fürs Abnehmen ohne Hunger haben wir für dich parat.

Quellen:

Brigitte

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