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"Head of Menstruation" erzählt: 5 Gedanken, die dir deine Periode versüßen

Cordelia Röders-Arnold
© Verena Brandt
Ihr Schreibtisch ist unter einem Haufen Tampons begraben. Die Menstruation ist ihre Passion. Cordelia Röders-Arnold arbeitet als "Head Of Menstruation" für den Kondom-Hersteller "einhorn" – warum sie sich so gerne mit der Monatsblutung beschäftigt, verrät Cordelia hier im Gespräch mit BRIGITTE.de.

Sie ist die Frau für die roten Tage. Cordelia Röders-Arnold, 31 Jahre alt, ist verantwortlich für die Entwicklung von innovativen Periodenprodukten bei dem jungen Berliner Unternehmen "einhorn", das vegane und nachhaltige Designkondome und Periodenprodukte entwickelt.

Wer sich noch an die zwei Typen in den Einhorn-Kostümen erinnert, die vor drei Jahren in einem sehr lustigen Video erzählt haben, dass sie das beste Kondom der Welt entwickeln wollen ... genau die sind das. 

Was macht eine "Head Of Menstruation"?

Als wir erfahren haben, dass die Berliner Einhörner jetzt eine "Head of Menstruation" haben, wollten wir natürlich sofort wissen: Was um alles in der Welt macht diese Frau? Und kann sie uns irgendwie dabei helfen, die allmonatliche rote Welle etwas besser zu ertragen

Jepp, kann sie. Mit wirklich liebevollen und kreativen Gedanken zur Menstruation. Alle Details hier im BRIGITTE.de-Interview: 

BRIGITTE.de: Liebe Cordelia, andere Leute finden die Periode eklig und sind froh, wenn sie vorbei ist, du beschäftigst dich den lieben langen Tag mit der Menstruation. Wie um alles in der Welt wird man "Head of Menstruation"?

Cordelia Röders-Arnold: Ach, das geht relativ einfach. Man entwickelt ein unbändiges Interesse für ein spezifisches Thema, in meinem Fall Menstruation. Man kündigt seinen sicheren Konzernjob, geht in ein Start-up, in dem sich alle ihre Aufgaben und Titel selbst aussuchen können und entwickelt eine Umfrage zur Periode in Deutschland. An der nehmen 20.000 Menschen teil und teilen ihre persönlichsten Geschichten zu dem Thema. Mit all diesem Wissen im Kopf wird man plötzlich in einem sozialen Netzwerk nach dem eigenen Jobtitel gefragt, überlegt kurz und tippt "Head of Menstruation". Und plötzlich ist man das. Bumms – fertig.

Was genau tust du als "Head of Menstruation"? Ständig neue Tampons entwickeln?

Ständig neue Tampons? Nee! In unserer großen Periodenumfrage fanden wir heraus, dass die Menschen sich nicht den x-ten Tampon mit heißester neuer Supertechnologie wünschen. Die Menstruierenden schrieben uns, was sie sich wünschen, sei ein neuer Umgang mit dem Thema Periode und nachhaltige Produkte, die man im Drogeriemarkt kaufen kann. Wir haben über ein Jahr lang an unserem neuen Periodensortiment mit Tampons, Binden, Slipeinlagen aus 100 Prozent fair gehandelter Bio-Baumwolle und den Papperlacups, den beiden Menstruationstassen gearbeitet – und seit dem 1. März gibt es sie nun in jedem "dm", online entsprechend auf www.einhorn.my. Wir wollen mit unseren Produkten die Welt retten und etwas verändern, dafür braucht es nicht ständig neue Tampons, sondern ständig neue Impulse.

Hast du ein paar Tricks für Frauen, die ihre Periode nur anstrengend finden? Gedanken, die es leichter machen, die monatliche rote Welle zu ertragen?

Für mich war der erste Schritt zum entspannteren Umgang mit der Periode, zu verstehen, warum die Periode überhaupt ein Tabu-Thema ist, warum wir nicht laut im Büro nach einem Tampon fragen oder zur Chefin oder zum Chef sagen: "Ich hab' starke Periodenkrämpfe. Ich komm heute nicht zur Arbeit". Das habe ich mich selber nie getraut. Ich habe einen TEDX-Talk mit dem Titel "6 things men need to know about periods" gehalten, da arbeite ich die Geschichte des Menstruationstabus auf. Ich zeige, dass die Annahme, die Periode sei unrein, die Aufforderung, sie diskret zu behandeln und sich bitteschön zusammenzureißen, Jahrtausende alte Ideen des Patriarchats sind, die dazu dienten, Frauen klein und besonders während der Menstruation aus der Gesellschaft fernzuhalten.

Noch heute werden in ländlichen Regionen Nepals Frauen während der Menstruation in winzige Hütten außerhalb des Dorfer verbannt. Sowas gibt es bei uns in Deutschland nicht, aber trotzdem herrscht laut unserer Umfrage sehr viel Scham und Verunsicherung rund um das Thema Periode. Sich mit den absurden historischen Gründen dieser Scham zu beschäftigen, fand ich nicht nur unglaublich interessant, sondern es hat mein Verhältnis zur Periode stark positiv verändert. 

Wenn wir Blut, Krämpfe und ruinierte Unterwäsche einmal beiseite schieben, ist die Periode ein unglaublich komplexer und beeindruckender Vorgang, der unsere Körper jeden Monat aufs Neue auf eine potentielle Verdopplung vorbereitet.

Der zweite, noch wichtigere Schritt war für mich, zu verstehen, was eigentlich während der Periode in meinem Körper passiert. Zuvor hatte ich einmal im Monat über die Schmerzen geflucht, mir Schmerzmittel eingeworfen und eben irgendwelche Tampons benutzt – that’s it. Irgendwann fiel mir auf, dass ich gar keine Ahnung habe, was da eigentlich genau passiert. Ich fing an, meinen Zyklus zu tracken, meine Temperatur zu messen, das gab ich wieder auf, weil es mir zu anstrengend war.

Aber das Interesse war geweckt, ich wusste nun, was Zervixschleim ist und warum er während des Zyklus die Konsistenz verändert, ich wusste, wie sich der Muttermund während des Eisprungs anfühlt, dass nicht eine Laune der Natur, sondern der Cortisolüberschuss vor der Periode macht, dass ich wahnsinnig Lust auf Donuts habe und verstand, dass Prostaglandine die kleinen Scheißer sind, die die Krämpfe im Unterleib veranstalten. Ich lernte, dass, wenn die Krämpfe sehr stark sind, man sich eben nicht zusammenreißt, sondern zum Arzt geht und checkt, ob es nicht doch Endometriose sein könnte, eine Krankheit, die eine von zehn Frauen betrifft und erst nach 10 Jahren entdeckt wird, weil Frauen gesagt wird, die Schmerzen seien normal.

All dieses Wissen macht die Periode nicht zum Spaziergang und nein, nicht jede muss sie lieben. Aber ich bin überzeugt, dass wir die Periode deutlich besser ertragen können, wenn wir besser verstehen, warum was passiert, und wenn wir sie positiver wahrnehmen. Wenn wir Blut, Krämpfe und ruinierte Unterwäsche einmal beiseite schieben, ist die Periode ein unglaublich komplexer und beeindruckender Vorgang, der unsere Körper jeden Monat aufs Neue auf eine potentielle Verdopplung vorbereitet. Schwangerschaften zu zelebrieren, darin sind wir schon ziemlich gut, für Periode wünsche ich mir das Gleiche und wenn das nicht geht, wünsche ich mir einfach einen entspannteren Umgang damit. Einen normalen Umgang, den wir dann auch unseren Söhnen und vor allem Töchtern mitgeben können, denn ob sie die Periode ihr Leben lang als Stärke oder als Schwäche wahrnehmen – darüber entscheiden wir.

Jetzt wird's mal kurz persönlich, aber euch kann man das hoffentlich fragen: Verwendet ihr Frauen bei "einhorn" lieber Tampons oder eher Menstruationstassen?

Klaro. Wir verwenden fast alle Menstruationstassen, mussten ja alle Modelle durchtesten, bevor wir den für uns perfekten Cup fanden. Eine meiner Kolleginnen benutzt noch keine, sie ist noch nicht bereit für den Cup – und das ist okay. Deshalb bieten wir das gesamte Sortiment an, wir möchten, dass jede die nachhaltige Alternative zu dem Produkt findet, das für sie am besten funktioniert, und gleichzeitig möchten wir vorsichtig dazu motivieren, mal etwas Neues auszuprobieren, zum Beispiel den Cup. Ich persönlich liebe den Cup, aber manchmal hab' ich dann auch Bock auf 'nen Tampon. Ich möchte natürlich auch immer ganz viele neue Produkte selbst ausprobieren. Manchmal denke ich deshalb, ich hätte gern öfter meine Tage. Dann kommen sie und ich denke "Naja, ach komm, reicht schon so." 😄 

Habt ihr eigentlich auch etwas gegen Schmerzen während der Periode? Und wenn nicht, was sind eure besten Tipps für entspannte Tage?

Wir haben auf Instagram eine große Perioden-Community gegründet, dort kann man die Tipps ganz vieler Menstruierender nachlesen. Einige schwören auf Magnesium vor der Periode, oder Frauenmanteltee bei Schmerzen. Viele Menstruationstassen-Benutzerinnen sagen tatsächlich, dass sie weniger Schmerzen haben, seit sie den Cup benutzen. Man vermutet, dass der Druck in der Vagina, der zu den Krämpfen führt, bei einem Cup geringer ist als bei Tampons. So richtig erforscht, wieso, weshalb, warum ist das zwar noch nicht – aber Hauptsache, weniger Schmerz!

Vielen hilft es auch, über den Schmerz zu sprechen und festzustellen, dass man damit nicht allein ist. In unserer Umfrage sagten 60 Prozent der Menstruierenden, dass sie unter Unterleibskrämpfen leiden. Am meisten Empathie wünschten sich die Teilnehmenden von ihren Partnern und Partnerinnen. Deshalb haben wir Männer unter Hypnose Periodenkrämpfe spüren lassen – Empathie, auch von Menschen, die keine Periode haben oder weniger darunter leiden, ist besonders wichtig. Das Video zu dieser Aktion siehst du hier:

Hypnose-Experiment: So reagieren Männer, wenn sie Regelschmerzen spüren
© einhorn Berlin

Binden heißen bei euch "Ja, ich will mich binden!", Slipeinlagen "One Schritt Wonder" und Menstruationstassen "Papperlacup" – wie kommt ihr eigentlich auf diese schrägen Namen? Mittags bei einem Sekt im Kreativ-Workshop?

Ja, das ist eine schöne Vorstellung. In Wahrheit haben wir ein unfassbar gutes Design-Team: Teresa, Sandra und Liz, die haben alle Verpackungsdesigns und -texte entwickelt. Die drei sind so schon krass gut und wenn die dann abends den Sekt auf- und die Nächte durchmachen, dann kommen all diese crazy Namen und Sprüche und Kuriositäten dabei heraus. Das klingt jetzt sehr nach Party, aber der Prozess der Verpackungsgestaltung war für die drei Designerinnen echt harte Arbeit.

Wer unsere Produkte einmal in der Hand gehalten und die Verpackungen und all die Details inspiziert hat, merkt, da stecken wahnsinnig viele Gedanken und sehr viel Liebe drin. Textmäßig sind auch andere "einhörner" begabt: Francis Protokolle vom wöchentlichen Teammeeting lesen IMMER ALLE, weil sie unfassbar unterhaltsam sind, unser Fairstainability-Team textet auch super, sodass ihre Newsletter an das Team trotz stressigem einhorn-Alltag nicht ungelesen bleiben, weil sie das Thema Nachhaltigkeit spannend rüberbringen können und wenn Markus erstmal aufdreht, Stichwort "One Schritt wonder", muss man sich auch festhalten. Ich entwickele lieber Konzepte und plane, meine Königsdisziplin ist das superkreative Texten überhaupt gar nicht, da hilft auch kein Sekt. Aber ich weiß, wer’s kann – und das ist die Hauptsache.

Euch bei "einhorn" liegen ja die Materialien und die Herstellungsweise von Kondomen und Periodenprodukten sehr am Herzen – magst du uns dazu etwas mehr erzählen?

Unbedingt! Im Zentrum unseres Handelns steht, was wir "Fairstainability" nennen. Uns ist sowohl bei unseren Kondomen, als auch den Periodenprodukten wichtig, dass die Produkte möglichst gut für die Umwelt sind. Greta Thunberg streikt nicht aus Spaß jeden Freitag für den Klimaschutz. Wir müssen unseren Planeten retten und wir versuchen mit unseren Produkten einen kleinen Beitrag zu leisten. Damit, dass die TamTampons kein Plastik enthalten, Padsy, unsere Binde in umweltfreundlicheres Bio-Plastik aus Maisstärke eingepackt ist und die Außenverpackung unserer Kondome in den Papierkorb darf.

Statt die fertigen Bio-Produkte unserer Lieferanten einzukaufen und unseren Namen draufzuschreiben, hat unser kleines Team wirklich jeden Stein im Produktionsprozess umgedreht, jedes Rädchen im System hinterfragt und gefragt: Geht das nicht bitte noch nachhaltiger? Aber auch die Herstellungsweise schauen wir uns ganz genau an. Als wir unseren Lieferanten sagten, dass wir nur mit ihnen arbeiten, wenn wir unsere eigene Bio-Baumwolle aus Tansania in die Lieferkette reinkriegen, sind die fast vom Glauben abgefallen.

Bio-Siegel und Zertifikate sind super, aber wir wollen es immer viel genauer wissen. In Tansania lernten wir die Baumwoll-Bäuerinnen kennen, wir zupften mit ihnen die Bio-Baumwolle selbst vom Feld und arbeiten seit fast einem Jahr mit der bioRe Stiftung zusammen, die vor Ort die Menschen in der Landwirtschaft unterstützt, ihnen Abnahmegarantien gibt und über dem Marktpreis bezahlt. Mit jedem Kilo in unseren Produktionen verbrauchte Bio-Baumwolle gehen 30 Cent an die Stiftung für Brunnenbauprojekte in Tansania. Und damit sind wir noch lange nicht in unserem persönlichen Fairstainability-Olymp angekommen – unser Anspruch liegt noch viel höher als zum Beispiel Bio-Plastik aus Maisstärke und wir arbeiten jetzt schon an noch nachhaltigeren Ideen.

Arbeiten bei euch mehr Frauen oder mehr Männer?

Fast Hälfte Hälfte. Wir sind 11 Frauen und 9 Männer.

Aber bei aller Freude am Thema: Geht es dir nicht ab und an auf die Nerven, ständig über die Menstruation zu sprechen und zu nachzudenken?

Neee! Das Thema Periode ist ja viel, viel mehr als Tampons und Blut. Die Mission, das Tabu der Periode abzubauen, hat für mich ganz viel mit Feminismus, der Gleichberechtigung aller Geschlechter und der Rolle der Frau zu tun. Auch politische Themen sind Teil dessen: Auf Periodenprodukte zahlen wir in Deutschland 19 Prozent Mehrwertsteuer, dabei gibt es einen vergünstigten Steuersatz von 7 Prozent für Güter des täglichen Bedarfs. International wurde bereits in vielen Ländern die Mehrwertsteuer auf Periodenprodukte gekippt, wie wir das in Deutschland umsetzen können, daran arbeiten wir gerade auf Hochtouren. Über Themen wie dieses und darüber, welche anderen Hindernisse wir für eine gleichberechtigte Gesellschaft noch überkommen müssen, kann man, glaube ich, gar nicht zu viel nachdenken. 

Aus aktuellem Anlass: Von wie viel Milliliter Blutverlust pro Periode geht ihr bei der Produktion eurer Tampons aus? 

Der durchschnittliche Blutverlust pro Periode liegt bei circa 60 Milliliter. 

Wie viele Milliliter Blut sollen eure Tampons, Pads, Menstruationstassen etwa fassen? 

Das wird nur bei der Tasse in Milliliter getestet, weil sie ein Gefäß ist und Tampons und Binden absorbieren. Sonst gilt:

  • Tampon piccolo = 6-9 g
  • Tampon normalo = 9-12 g
  • Tampon super = 12-15 g
  • Papperlacup Größe 1 = 17 ml 
  • Papperlacup Größe 2 = 26 ml 
  • Slipflip Slipeinlagen = 9 g
  • Padsy Bonjo = 35 g
  • Padsy Nuit = 42 g

Wie wurden diese Daten ermittelt? 

Unsere Produktionspartner führend ständig entsprechende Tests durch, denn es gibt strenge ISO-Normen und spezifische Testmethoden für die Saugfähigkeit von Tampons und Binden. Die international einheitliche Sprache sind die "Drops" auf der Verpackung, hier ist klar geregelt, wie viel Gramm Flüssigkeit dein Tampon aufnehmen muss, damit Du ihn mit zwei Drops bewerben/verkaufen darfst.

Und habt ihr aktuelle Daten dazu, was Frauen in etwa für welche Periodenprodukte an Geld ausgeben?

Laut unserer Umfrage sind es durchschnittlich (allerdings ohne Verhütungsmittel und neue Unterwäsche ohne Flecken ...) 9,20 Euro im Monat. So kommen wir auf circa 4.200 Euro.

Liebe Cordelia, herzlichen Dank für dieses spannenden Interview und noch viel Erfolg bei eurer "einhorn"-Mission!

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