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Wenn ein Kind stirbt: Abschied von Pelle (†4) im Kinder-Hospiz Sternenbrücke

Nele (18), Lasse (14) und Jule (12) haben ihren kleinen Bruder Pelle verloren. Er starb am 3. Dezember 2015 im Kinder-Hospiz Sternenbrücke. Wie ihnen die Einrichtung geholfen hat, den Tod von Pelle zu verkraften, erzählen die drei Geschwister im Video für das Dossier "Ein Teil meines Herzens fehlt: Wie Kinder und Jugendliche mit Verlust und Trauer umgehen und was ihnen hilft".

Pelle Ketelsen kam am 31.08.2011 als absolutes Wunschkind zur Welt. Er war ein goldiger Strahlemann, der die Herzen seiner Familie im Sturm eroberte. Vater Karl Heinz, Mama Stefanie und seine Geschwister Nele (18), Lasse (14) und Jule (12) waren überglücklich über seine Geburt. Doch leider war Pelle nicht gesund. "Er hatte das Down-Syndrom und ihm fehlte ein Stück der Speiseröhre", berichtet Pelles Schwester Jule im Gespräch mit BRIGITTE.de, als wir die Familie im August 2019 im Kinder-Hospiz Sternenbrücke in Hamburg treffen.

Der kleine Junge musste sehr oft operiert werden, insgesamt 56 Mal. "Jedes Mal waren seine Geschwister völlig verzweifelt, traurig und gleichzeitig voller Hoffnung und so tapfer", erzählt seine Mutter Stefanie. 

Die Familie Ketelsen: Vater Karl Heinz, Mutter Stefanie und die Geschwister Jule, Lasse und Nele (von links) - in der Mitte ist Pelle in den Armen seiner Mutter zu sehen.
© Privat

Die Operationen schwächten Pelles Körper sehr. Als er acht Monate alt war, kam es zu Komplikationen, ein septischer Schock, Pelle wurde lange reanimiert. Er überlebte, aber seine Organe erlitten schwere Schäden. "Wir lebten 2014 ein halbes Jahr auf der Intensivstation, bis wir ihm dies nicht mehr zumuten mochten. Wir holten ihn nach Hause, hatten ein wunderschönes aber auch schweres Jahr, was wir nur mit Pflegedienst schafften. Aber er war bei uns", erzählt seine Mama. "Pelle hat trotz alledem nur gelacht, hat uns allen so viel Freude geschenkt.

Als sich abzeichnete, dass Pelle nicht mehr lange leben würde, fand seine Familie den Weg in das Kinder-Hospiz Sternenbrücke. Dort wurde die Familie in dieser schwierigen Zeit, zunächst im Rahmen von Entlastungspflegeaufenthalten, aufgefangen. "Die Sternenbrücke ist ein sehr kostbarer und hilfsbereiter Ort. Hier kann man die ganze Zeit mit jemandem reden und man weiß, dass man nicht alleine ist", berichtet Jule. 

Entlastung & Freude für die Familien

Alle Räume in der Sternenbrücke strahlen in sonnigem Gelb, das haben die Kinder sich so gewünscht. Fröhliches Lachen hallt durch die hellen Flure und durch den wunderschönen Garten mit den vielen Spielzeugen. Im ersten Moment ist es schwer vorstellbar, dass hierher Familien mit Kindern kommen, die unheilbar krank sind. Das Kinder-Hospiz Sternenbrücke ist ein Ort, an den Familien kommen, die viel zu früh von ihrem Kind Abschied nehmen müssen.

Seit Mai 2003 hilft die Sternenbrücke unheilbar erkrankten Kindern und jungen Erwachsenen bis zu einem Alter von 27 Jahren, die gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern oder Lebenspartnern in das Kinder-Hospiz kommen können, um dort einen würdevollen Weg bis zu ihrem Tod zu gehen.

Zwar können die Menschen in der Sternenbrücke nicht aufhalten, was das Leben den Familien dort bringen wird, doch sie können ganz viel dafür tun, ihren Weg leichter zu machen. Darum steht auf einer dunkelblauen Wand am Eingang, umgeben von gelben Sternen, der zentrale Gedanke der Sternenbrücke:

Wir können dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben.

"Viele der Kinder, die zu uns kommen, haben Stoffwechsel- und Muskelerkrankungen oder neurodegenerativen Erkrankungen, das heißt, dass die Kinder schwerst mehrfach behindert sind und eine hohe Pflegestufe haben. Einige wenige leiden auch an Krebs", erklärt Initiatorin und Hospizleiterin Ute Nerge, die gute Seele der Sternenbrücke, die diesen Ort geschaffen hat. "Für die Eltern bedeutet das, nachts nie mehr als zwei oder drei Stunden am Stück zu schlafen – und das oft 12, 14, 16 Jahre lang. Wenn man sich das einmal vorstellt, wie es einem selber damit gehen würde, kann man verstehen, dass die Eltern häufig am Ende ihrer Kräfte sind.

Die gelernte Kinderkrankenschwester Ute Nerge hat das Kinder-Hospiz Sternenbrücke aufgebaut.
© Pressestelle

Darum ist es für die Mitarbeiter*innen der Sternenbrücke eine der wichtigsten Aufgaben, die Familien zu entlasten. "Wenn die Familien mit ihren Kindern zu uns kommen, nehmen wir ihnen die Pflege des erkrankten Kindes komplett ab, wenn sie es wünschen, damit die Familien verschnaufen können und einmal wieder füreinander Zeit haben." 

Die Kinder können viele schöne Momente in all den kreativ gestalteten Räumen erleben. Es gibt einen kuscheligen "Snoezelenraum", einen Sinn-und Fühlraum, in dem die Kinder auf einem großen, warmen Wasserbett kuscheln können, einen wunderbaren Raum für Musiktherapie, aber auch einen Raum, in dem die Kinder zum Beispiel Musik hören oder lautstark und ungestört Playstation spielen können, und ein warmes Therapiebad, in dem die jungen Menschen Entlastung und Schmerzlinderung erfahren.

Rituale für den Abschied

Wenn schließlich die Zeit des Abschieds gekommen ist, unterstützen die Mitarbeiter*innen die betroffenen Kinder und jungen Erwachsenen und ihre Familien mit professioneller Trauerbegleitung, Schmerztherapie und liebevollen Abschiedsritualen. 

Schließlich findet jedes Kind, das in der Sternenbrücke verstorben ist, einen Platz im "Garten der Erinnerung". Für jedes Kind leuchtet dort ein Licht in einer kleinen Laterne. Ein großer Engel, der liebevoll zwei kleine Kinder in seine Arme schließt, wacht über all die Lichter und Erinnerungen. "Den Engel hat ein Bildhauer für uns nach den Wünschen der Kinder gestaltet", erzählt Ute Nerge. "Der Moment, als der Engel aufgestellt wurde, war einer der berührendsten Momente, die ich hier im Haus erlebt habe. Ich weiß noch genau, wie ein kleines Mädchen mit Zöpfen neben mir stand. Sie sah sich den Engel an und sagte: 'Mit dem würde ich mitgehen'. Da liefen mir die Tränen über die Wangen". 

Abschied von Pelle

Auch für Pelle steht eine Kerze in diesem Garten. Er starb am 3. Dezember 2015 im Alter von vier Jahren in den Armen seiner Schwester Nele. "Pelle hat sich den Moment gut ausgesucht, in dem er gestorben ist. Die Pflegekräfte waren gerade alle draußen. Es war abends. Mama, Papa, Pelle und ich lagen auf dem Bett, Pelle lag in meinen Armen und dann ist er eingeschlafen. Jule und Lasse kamen direkt dazu und so hatten wir diesen Moment als Familie zusammen. Erstmal saßen wir noch lange auf dem Bett. Dann haben wir Pelle umgezogen. Wir haben ihm seinen Schlafanzug mit den Monstern darauf angezogen, damit all die Monster ihn beschützen werden".

Später zündeten Nele, Lasse und Jule alle Kerzen im Garten der Erinnerung für ihren Bruder an. "Dann sind wir mit Pelle zusammen rausgegangen und haben ein Lied gesungen, das wir in der Sternenbrücke immer singen, wenn ein Kind verstorben ist. So wurde Pelle sozusagen aufgenommen, von den anderen Kindern in dem Garten."

Alle Rituale, die nach dem Verlust eines Kindes ihren Raum finden, werden sorgsam von den Mitarbeiter*innen der Sternenbrücke begleitet.

Danach verbrachte die Familie noch gemeinsame Zeit mit Pelle im Abschiedsraum der Sternenbrücke und bemalte in einem anderen Raum den Sarg für den kleinen Jungen. "Wir haben Pelles Sarg ganz bunt bemalt", erzählt Nele. "Das war gut, denn so ein Sarg ist an sich ja echt gruselig. Wir haben einen Schlumpf darauf gemalt, einen Engel, einen Sternenhimmel und eine Wiese ... alles ganz bunt, damit er sich darin auch wohlfühlt". 

Auf den Deckel des Sarges schrieben seine Eltern:

Wir haben dich geliebt ... nein, wir lieben dich noch! Wir waren dir voraus ... Wollten dir noch die ganze Welt zeigen. Jetzt bist du uns voraus ... und wenn es soweit ist, zeigst du uns das Paradies. Mama & Papa

Zeit für Erinnerung

Auch nach dem Verlust eines Kindes steht die Sternenbrücke den verwaisten Familien weiter zur Seite. Jedes Jahr gibt es beispielsweise einen "Tag der Erinnerung", zu dem die Familien sich treffen und ihrer verlorenen Kinder gedenken. Dazu schreiben die Familien beispielsweise Briefe der Erinnerung an ihre Kinder, die an diesem Tag verbrannt werden, damit die Worte im Rauch zu den Kindern gen Himmel aufsteigen. Ein Termin, der auch der Familie Ketelsen sehr wichtig ist. 

"Ich denke, wir werden noch sehr lange und sehr oft hierherkommen", sagt Jule. "Einfach weil dieser Ort uns so sehr mit Pelle verbindet", erklärt Nele. Bruder Lasse ergänzt: "Die Sternenbrücke ist ein Ort voller Leben. Selbst wenn es einem schlecht geht, kann man hierher kommen und sich erinnern. Man das Gefühl, hier leben die Menschen weiter, die man verloren hat, und das ist ein wirklich schönes Gefühl."

Auch Mutter Stefanie empfindet das so: "Der Garten der Erinnerung ist für uns ein emotional sehr schöner Ort. Trotz der ganzen Traurigkeit überkommt uns hier das Gefühl, Pelle ganz nah zu sein. Alles wirkt so nah, so klar, so tief, einfach nur vertraut. Die ganze Sternenbrücke ist unser Zufluchtsort.

Helfen & Spenden

Um eine einfühlsame und umfassende Begleitung der betroffenen Familien finanziell sicherstellen zu können, ist das Kinder-Hospiz Sternenbrücke auf Spenden und Unterstützung angewiesen. Wie du dem Kinder-Hospiz Sternenbrücke eine Spende zukommen lassen kannst, erfährst du hier: sternenbruecke.de/spenden. Aktuelle Informationen zu den Möglichkeiten der ehrenamtlichen Mitarbeit in der Sternenbrücke findest du hier: sternenbruecke.de/ehrenamtliche-mitarbeit.

Das BRIGITTE-Buch

© Diana Verlag / Pressestelle

Ute Nerge hat über ihre Arbeit und das Kinder-Hospiz Sternenbrücke ein Buch geschrieben: "Ein Regenbogen zu den Sternen". Im Shop der Sternenbrücke könnt ihr es bestellen.

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