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Patchwork-Familien: "Für mich ist es die Hölle!"

Patchwork-Familien: Handabdrücke im Sand
© Kateryniuk / Shutterstock
Patchwork-Familien gelten als Modell der Zukunft. Aber ist es wirklich so einfach? Isabella*, 39, überlegt wieder auszuziehen.

Ich habe mir immer eine große Familie gewünscht. Mindestens vier Kinder! Jetzt habe ich fünf - vier Patchwork-Kinder (14, 11 und die 8-jährigen Zwillinge), zudem meine Tochter Mia (4), und denke immer öfter: Das pack ich nicht. Es vergeht kaum ein Tag ohne Streit. Dabei hat es gut angefangen.

Mit dem Zusammenziehen haben die Probleme begonnen

Leif und ich haben uns in seiner Firma kennengelernt. Ich war damals alleinerziehend und hatte gerade wieder angefangen zu arbeiten. Zu irgendeiner Feier brachte er seine Kinder, seine Ex-Frau und deren Freund mit. "Wow", dachte ich, "so freundschaftlich geht das also auch, wenn man geschieden ist." Nicht wie bei mir und Mias Vater, mit dem ich über jede Kleinigkeit streite. Für Mia war Leif gleich wie ein Papa, und seine Kinder mochten mich auch. Sie haben richtig gedrängelt, dass wir zusammen "in ein ganz großes Haus" ziehen. Das haben wir jetzt - und ganz große Probleme dazu.

Leif und seine Ex praktizieren das Doppelresidenz- oder Wechselmodell bei geteiltem Sorgerecht. Ich habe überhaupt keine Rechte. Leifs Kinder bestimmen, wo’s langgeht, und wenn nicht sie, dann ihre Mutter, deren Freund oder ihre Großeltern. Ich brauche zu den Kindern nur zu sagen: "Legt beim Essen bitte das Handy weg", und sofort heißt es: "Du hast uns überhaupt nichts zu sagen, du bist nur unsere Stiefmutter." Einmal ist mir rausgerutscht: "Ihr habt hier gar nichts zu melden." Da war was los! Ihre Mutter hat mich zur Rede gestellt, warum ich so "gemein" zu ihren Kindern bin. Dabei sind die gemein zu mir, vor allem Paula (14). Neulich meinte Leif ganz lieb zu mir: "Das Kleid mag ich an dir." Paulas Kommentar: "Ich finde, es sieht nuttig aus."

Jeder hat was zusagen - nur ich nicht

Sie ist eifersüchtig, das verstehe ich schon. Aber kann sie nicht endlich akzeptieren, dass ich auch zum Leben ihres Vaters gehöre? Die Jungs - der 11-Jährige und die 8-jährigen Zwillinge - sind weniger aggressiv, sie machen einfach, was sie wollen. Lassen alles liegen, wo es hinfällt, essen, wann und wo sie wollen. Wenn ich protestiere, rufen sie ihre Mutter an oder Oma und Opa. Die erkundigen sich dann besorgt, ob es ihren Enkeln wirklich gut geht. Ich muss mich andauernd rechtfertigen.

Leif versucht immer auszugleichen. "Nimm das nicht so ernst, Jungs sind eben so, Paula ist in der Pubertät, wir müssen Geduld haben ..." Er sieht vieles lockerer als ich. Ich finde, die Kinder könnten wenigstens ihr Zimmer aufräumen, mal im Haushalt mithelfen und zu den Mahlzeiten erscheinen, aber Leif meint: "Lass sie doch, die haben genug Stress."

Angeblich dauert es sieben Jahre, bis eine Patchworkfamilie zusammenwächst, habe ich in einem Ratgeber gelesen. Ich weiß nicht, ob ich so lange durchalte.

Die meiste Zeit muss ich ja mit den Kindern klarkommen, Leif ist nur am Wochenende da. Ich arbeite aktuell 50 Prozent in seinem Büro, müsste aber dringend aufstocken. Nur wie, wenn jeder macht, was er will?

Die Zeit zu zweit kommt in einer Patchwork-Familie definitv zu kurz

Wir haben uns x-mal zusammengesetzt, aber die Mutter und ihr Freund sagen immer: "Siehst du das nicht etwas eng? Du bist so streng. Kannst du nicht auch auf die Kinder eingehen?" Hallo? Ich gehe ständig auf sie ein und mache ziemlich viel mit.

Weil die Kinder das so wollen, feiern wir alle gemeinsam Weihnachten, Silvester und Kindergeburtstage. Natürlich bei uns, weil wir das größere Haus haben. Es ist jedes Mal das reinste Chaos. Letztes Jahr waren wir sogar zusammen im Urlaub. Die Ex und ihr Freund sind tagsüber auf ihre Bikes gestiegen und saßen abends gemütlich beim Wein, während Leif und ich die Kinder bespaßt haben. Leif macht das nichts aus, aber mir.

Das Schlimmste ist, dass wir kaum eine Minute für uns haben und immer öfter streiten. Wir haben uns so sehr ein gemeinsames Kind gewünscht, aber das ist auf Eis gelegt.

In dieser Situation wäre ein Baby kompletter Wahnsinn.

Wir haben alles durch, Familienkonferenzen, Mediation, Beratungsgespräche. Dabei ging es meistens nur um die Kinder, also um Leifs Kinder, nicht um mich oder Mia. Zu allem Überfluss hat mir Mias Vater jetzt den zweiten Termin beim Jugendamt aufs Auge gedrückt, weil seine Tochter "mit dieser Situation total überfordert ist".

Das stimmt so nicht, Mia ist ein fröhliches Kind, aber sie spürt natürlich, dass ich viel weniger Zeit für sie habe und oft erschöpft bin. Bloß, was soll ich machen? Ich liebe halt beide - Leif und Mia.

*Alle Namen geändert

Brigitte 23/2018

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