Anzeige

50:50 Das Wechselmodell sorgt für Gleichberechtigung

Wechselmodell
© Shutterstock / Maria Symchych
Beim so genannten Wechselmodell wohnen die Kinder eines getrennten Paares abwechselnd bei Vater und Mutter. Kann das funktionieren? Diese Frau hat gute Erfahrungen gemacht - auch wenn es anfangs schwerfiel.

Autorin Lisa Frieda Cossham, 37, hat zwei Kinder im Alter von 15 und 13. Mit ihrem Exmann hat sie ich bewusst für das Wechselmodell entschieden.

"Jeden zweiten Montag verabschiede ich meine Töchter in die Schule und weiß, ich werde sie eine Woche lang nicht sehen. Ich küsse Kinderstirnen, schließe die Tür hinter ihnen und räume auf, sortiere die Stille, die ich inzwischen schätze und am Anfang nur schwer aushalten konnte.

Seit dreieinhalb Jahren leben wir das Wechselmodell, die Kinder wechseln wochenweise. Ich habe gelernt auszuhalten, dass meine Kinder sich mit Menschen anfreunden, die ich nie treffen werde, an Orte verreisen, die ich nicht kenne. Ich muss damit rechnen, ihnen in der Vaterwoche zufällig zu begegnen, als wären wir bloß Bekannte.

Aus der halben Mutter wurde wieder eine ganze

Ein Jahr habe ich gebraucht, um mich als halbe Mutter wieder ganz zu fühlen und in der Situation nicht nur einen Verlust, sondern auch eine Chance zu erkennen: Ich habe mehr Zeit für mich, mehr Kraft für meine Töchter und ein neues Selbstverständnis als Mutter - es ist selbstbewusst.

Wir haben uns damals für das Wechselmodell entschieden, weil alles andere sich fremd angefühlt hätte. Mein Ex-Mann Jan und ich hatten uns immer gleichberechtigt um Martha und Louise gekümmert, das sollte so bleiben. Nur wie? Und würde ich mir das leisten können, denn ich würde ohne Unterhaltszahlungen auskommen müssen, da wir beide etwa gleich verdienen?

Irgendwie fügte sich dann alles. Nach einem Jahr bei meiner Freundin Hanna, die mich und die Mädchen aufgenommen hatte, sind wir in die Dreizimmerwohnung eingezogen, in der wir heute leben. Sie ist 20 Fahrradminuten von ihrem zweiten Zuhause entfernt, wo sie mit ihrem Vater, seiner neuen Frau und deren zwei Kindern wohnen. Ihren Geschwistern, wie Martha und Louise sie selbstverständlich nennen.

Zwei unterschiedliche Welten

Jeden Montag nach der Schule wechseln sie den Haushalt. Ein paar Unterrichtsstunden trennen die zwei Welten, in denen sie aufwachsen.

Ob sie sich in einer mehr zu Hause fühlen als in der anderen, habe ich sie gefragt. Nein, lautet ihre Antwort, was sollen sie auch sagen? Und trotzdem glaube ich ihnen. Bei mir ist es ruhig, in der Patchworkfamilie aufregend. In beiden Haushalten haben sie ein eigenes Zimmer. Und eigene Regeln.

Um sie einander anzugleichen, treffen wir uns zu kleinen Elternabenden. Wir trinken Gin Tonic, teilen die Ferienwochen auf und überlegen, wie wir die Smartphone-Manie begrenzen können. Wir feiern Weihnachten zusammen, auch Geburtstage, die der Kinder sowieso.

Die Harmonie ist uns wichtig

"Ist das nicht absurd?", fragt mich mein Vater am Telefon. Er ist mehrfach geschieden, nicht immer glücklich. Ja, es mag absurd harmonisch wirken. Aber gerade, weil ich mich als Kind oft auf Türschwellen verabschieden musste, habe ich den großen Wunsch, es den Kindern leichter zu machen.

Im Februar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Wechselmodell auch gegen den Willen eines Ex-Partners durchsetzbar ist, wenn es dem Kindeswohl am besten entspricht. Mir gefällt daran, dass das Urteil die gleichberechtigte Verantwortung der Eltern in den Fokus rückt.

Nur kann ich mir kaum vorstellen, wie eine paritätische Erziehungspartnerschaft gegen den Willen eines Elternteils funktionieren könnte. Ständig gibt es etwas zu besprechen: Ist der Cello-Lehrer bezahlt, darf Martha auf diese Party, wer geht zum Elternabend? Wir kommen zum Glück gut miteinander klar, wollen dasselbe für die Mädchen, das macht die Wechsel für Martha und Louise angenehm nebensächlich. Wären wir uneins, wechselten sie ins erklärte Feindesland - kaum vorzustellen, was das für die beiden bedeuten würde.

Gerade eingelebt - schon wieder umziehen

Eine Herausforderung sind die Wechsel auch so. In manchen Wochen klagt Louise, sie habe sich eben erst eingelebt, und schon sei wieder Montag. Ändern wollen die Mädchen aber nichts. Vielleicht, weil sie uns nicht enttäuschen wollen. Oder Angst haben, einen von uns zu vermissen. Vielleicht, weil das Glück der Nähe zu uns Eltern größer ist als die Unruhe der Wechsel.

Und so packen sie weiter jede Woche ihr Zeug: Klamotten, Schulhefte, Instrumente. Was sie mitnehmen müssen, wissen allein sie, Jan und ich haben selten einen Überblick. Sie sind selbstständig geworden. Das Umziehen hat sie zusammengeschweißt, ihr Schwesternverhältnis ist enger denn je. Auch, wenn ich sie gerne länger beschützt hätte vor der Welt da draußen, weiß ich: Als Familie sind wir gewachsen." 

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel