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Mann kümmert sich ein Jahr um Kinder und bekommt 5.000 Euro Belohnung. Geht's noch?!

Mann geht in Elternzeit – und wird dafür als Spitzenvater gefeiert
© Halfpoint / Shutterstock
Ein Mann wird zum Spitzenvater des Jahres ernannt und kassiert 5.000 Euro Preisgeld dafür. BRIGITTE.de-Redakteurin Katrin Otrzonsek hält es für einen Schlag ins Gesicht aller Mütter. Mit der Meinung ist sie nicht alleine.

In Gütersloh, Nordrhein-Westfalen, gibt es die Großbäckerei Mestemacher. Diese hat den großartigen Plan, Väter dafür zu belohnen, wenn sie sich um ihre Kinder kümmern. So weit, so unterstützenswert.

Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich die Verantwortlichen einen Preis ausgedacht: "Spitzenvater des Jahres." Dieser ist mit 5.000 Euro dotiert und wird seit nun 14 Jahren verliehen. Diesmal geht die Auszeichnung an Daniel Eich (36) aus Königswinter, die er letzten Freitag, am Weltfrauentag, verliehen bekam. Schirmherrin ist niemand geringeres als unsere Bundes-Familienministerin Franziska Giffey (SPD).

Dieses Jahr löst die Preisverleihung große Empörung aus. Der Grund ist offensichtlich, wenn man sich die Rahmenbedingungen einmal näher anschaut.

Frau leistet Phänomenales – geehrt wird ihr Mann

Daniel Eich ist verheiratet mit der Astronautin Dr. Insa Thiele-Eich. Die 35-Jährige schrieb eine Doktorarbeit zum Thema "Auswirkungen des Klimawandels auf Bangladesch", ist studierte Meteorologin, wissenschaftliche Koordinatorin am Meteorologischen Institut der Universität Bonn und soll 2020 als erste deutsche Astronautin zu einer Forschungsmission auf die ISS fliegen. Zwischendurch hat sie drei Kinder zur Welt gebracht.

Zusammengefasst heißt das also: Frau leistet Phänomenales, ihr Mann wird dafür ausgezeichnet. Tut mir leid, aber: Würg kotz. Oder in den Worten einer Twitter-Userin ausgedrückt:

Ich habe mir diese Meldung immer wieder durchgelesen und kann es immer noch nicht fassen. Ganz versimpelt erzählt könnte diese Meldung auch lauten: Mann macht als Vater, was Frauen als Mütter seit Jahrhunderten tun und wird dafür gefeiert und mit 5.000 Euro belohnt.

Ist das schwarzer Humor? Ein schlechter Witz? Ist es vielleicht eine Nachricht des Satire-Magazins Postillon? Leider nein. Es ist unsere Realität, das Abbild der deutschen Gesellschaft im Jahr 2019. Es ist ein Beweis dafür, dass wir noch weit, weit weg von echter Gleichberechtigung entfernt sind.

Eine weitere Stimme aus dem Netz bringt die logische Konsequenz dieser Auszeichnung folgendermaßen auf den Punkt:

Leider ist das nur Wunschdenken – schließlich wird von Frauen erwartet, dass sie sich um die Kinder kümmern. Geht eine Frau in Elternzeit, wird es als Selbstverständlichkeit gesehen, der es keiner zusätzlichen Belohnung, Vergütung oder Ehrung bedarf.

Ganz im Gegenteil: Frauen, die Kinder bekommen, enden häufig in Altersarmut, weil sie jahrelang finanzielle Einbußen für ihre Kinder hinnehmen. Durch die Bank sind Mütter einer Doppelbelastung aus Beruf und Mutterdasein ausgesetzt. Was sie dafür bekommen? Wenn sie Glück haben, ein paar bewundernswerte Worte. Wenn sie Pech haben, nur Mitleid und Nachteile im Berufsleben.

Nur Mitleid und Nachteile im Berufsleben

Wofür zum Teufel bekommt ein Mann, der ein Jahr lang auf seine eigenen Kinder aufpasst, also nun eine Auszeichnung? Mit welchem Recht stehen ihm 5.000 Euro Belohnung zu? Wieso wird er für eine Leistung gefeiert, die Millionen Frauen weltweit über Generationen hinweg für lau erbringen?

DasWestfalen Blattformuliert es so: "Frühstück machen, dafür sorgen, dass die Kleinen in den Kindergarten und in die Schule kommen, Einkaufen, Kochen, den Haushalt führen und vor allem: Organisieren. Wenn der Spitzenvater über sein Tageswerk berichtet, unterscheidet es sich nicht von dem einer Spitzenmutter."

Ein Schlag ins Gesicht aller Frauen

Die ursprüngliche Intention des Preises in allen Ehren – denn natürlich sollte man es unterstützen, wenn sich Männer mehr um die Kindererziehung kümmern, aber: Dieser Preis ist einfach unverschämt. Es ist ein Schlag ins Gesicht aller Frauen, die mindestens ein Jahr lang Elternzeit genommen haben. Es ist eine Bloßstellung, Herabsetzung und Dreistigkeit Generationen von Frauen gegenüber, die sich um die Kindererziehung gekümmert haben. In meinen Augen ist das, was in Gütersloh geschehen ist, eine Demütigung aller Mütter.

Das einzige, was mich aufmuntert, ist der Humor einiger Kritikerinnen. Die Twitter-Userin Anna Aridzanjen schreibt etwa:

Mann bekommt 5.000 Euro, weil er sich die Hausarbeit mit seiner Frau teilt

Für alle, die sich jetzt fragen, von welchem "Thorben" hier die Rede ist: Es kommt noch dicker. Die Auszeichnung zum "Spitzenvater des Jahres" bekam nämlich nicht nur der Astronautinnen-Gatte, sondern auch ein gewisser Thorben Hinsche. Womit er die Ehre verdient hat? Nun ja, er teilt sich mit seiner Frau Laura die Hausarbeit. Kein Witz.

Auch Thorben bekommt also den Ehrentitel und 5.000 Euro dafür verliehen. Und seine Frau Laura, die sich die Hausarbeit mit ihm teilt? Die geht natürlich leer aus – obwohl sie exakt die gleichen Tätigkeiten ausführt wie ihr Mann. Parallelen zur deutschen Gesellschaft, in der Frauen in der Regel schlechter vergütet werden für die gleiche Leistung, die Männer erbringen, sind leider deutlich erkennbar.

Wer hinter dem grotesken Preis steckt

Aus meiner Wut wird Traurigkeit, als ich erkenne, wer diesen Preis ins Leben gerufen hat. Denn es handelt sich keineswegs um einen Mann, wie man leicht denken könnte, sondern um die Chefin der Bäckerei Mestemacher:

Prof. Dr. Ulrike Detmers (62), Unternehmerin, Wirtschaftsprofessorin, Frauenrechtlerin, erste Präsidentin des Verbandes Deutscher Großbäckereien e.V., Trägerin des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (2008), zweifache Mutter und dreifache Großmutter. Kurzum: eine faszinierende, starke Frau, die sich für die Frauenquote und Chancengleichheit einsetzt.

Liebe Frau Prof. Dr. Detmers: Bitte fördern Sie weiterhin die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern, Müttern und Vätern. Aber bitte, bitte, bitte: Verlieren Sie beim Fokus auf die "guten" Männer, die Frauen nicht aus den Augen!

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