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Equal Care Day Wahre Gleichberechtigung: Gibt's das nur beim Wechselmodell?

Wechselmodell: Mutter küsst Tochter
© Rido / Adobe Stock
Echte Gleichberechtigung zwischen Eltern gibt es meist nur im Wechselmodell. Steile These? Unsere Autorin lebt es und schreibt hier, warum.

Eines vorab: Dies ist keine Empfehlung, sich zu trennen! Wir haben es dennoch getan und leben seit vier Jahren das Wechselmodell. Wir, das sind unsere Töchter, 8 und 11, der Papa und ich. Gleichberechtigung war schon ein Thema, das uns als Paar beschäftigt hat, doch wir sind erst wirklich gleichberechtigt, seit wir das Wechselmodell leben.

Über gleichberechtigte Elternschaft wird viel diskutiert. Ein Familienleben, in dem beide Elternteile Care Arbeit in gleichem Maße übernehmen und in gleichen Teilen finanziell abgesichert sind, ist das Ideal. Vor allem für die vielen Frauen, die sich noch immer vorrangig um die Kinder und den Haushalt kümmern, wie eine neue Studie erschreckend deutlich zeigt, aber auch für die Väter, die mehr Aufgaben übernehmen und mehr Zeit mit ihren Kids verbringen wollen. Entlastung für alle, Karriere für alle, Mental Load für alle. 

Die Realität sieht anders aus

Wenn ich mich in meinem Umfeld umschaue, sehe ich viele teilzeitarbeitende Frauen, die sich früh morgens und nachmittags um den Nachwuchs und die dreckige Wäsche kümmern. Und viele Väter, die sich vollberuflich mit ihrer Karriere beschäftigen. Das Argument dafür: Er verdient mehr Geld. Ein strukturelles Problem. Der Gender Pay Gap, das Ehegattensplitting und fehlende passende Arbeitsmodelle tun ihr Übriges, um genau dieses Modell aufrechtzuerhalten. Finanzielle Ausgleichsregelungen oder Eheverträge zwischen den Eheleuten, die die Frauen im Falle einer Trennung auffangen, gibt es aber meist nicht. Selbst viele meiner feministischen Freundinnen glauben lieber an das Gute im Menschen, statt sich abzusichern.

Es gibt Frauen, die sich in diesen Rollenmodellen wohlfühlen. Und auf der anderen Seite Väter, die heillos überfordert sind, wenn sie mal ein paar Stunden die Kinderbetreuung übernehmen sollen, und das meist, ohne nebenbei noch Wäsche zu waschen, zu kochen oder Termine zu koordinieren.

Nicht alle über einen Kamm scheren

Natürlich trifft das nicht auf alle zu, es gibt sie sicher auch, die Paare, die das gut hinkriegen. Aber selbst bei denen, trägt den Mental Load meist die Mutter. Vielen Frauen – und dazu zähle ich mich auch –, fällt es dazu unfassbar schwer, Dinge und Aufgaben abzugeben. Es mangelt also auch an Mut und Zutrauen, den Partner einfach mal machen zu lassen, und der Bereitschaft, Kontrolle loszulassen. Es gibt also Lösungen, aber warum werden sie so oft schon im Kleinen nicht umgesetzt?

Getrennt, aber gleichberechtigt

Kontrolle abgeben – das war eines der ersten Dinge, die ich nach der Trennung vom Vater meiner Kinder lernen musste. Ich bin niemandem etwas schuldig und fühle mich für niemandem verantwortlich, außer für meine Kinder. Gleichzeitig sind die Regeln klar: Meine Zeit, meine Verantwortung, seine Zeit, seine Verantwortung.

Sind die Kinder beim Vater und werden krank, muss er zum Arzt. Brauchen sie neue Klamotten bei ihm, geht er einkaufen. Eine Geburtstagseinladung in der Papazeit steht an? Er kauft das Geschenk. Wir sprechen viel ab, übernehmen aber auch mal für den anderen. Verbringen Geburtstage gemeinsam, genau wie Weihnachten. Das war nicht immer einfach, aber es wird immer einfacher. Und das ist, wie bei allen Dingen immer auch ein Ausprobieren und Anpassen. All das ist auch in Paarbeziehungen möglich, wird aber oft nicht so umgesetzt.

Warum das so ist, habe ich mich oft gefragt? Weil man sich für einander verantwortlich und miteinander emotional verbunden fühlt? Weil man dem anderen den Rücken frei hält? Weil man mehr hinnimmt, wenn man denjenigen liebt? Weil man abhängig voneinander ist? Oft sind es vor allem die Mütter, die Dinge abnehmen, um den Partner zu entlasten. Das machen wir auch, aber dafür gibt es dann einen Ausgleich. Emotionaler Abstand bei der Umsetzung ist vielleicht der zentrale Punkt. 

Wille, Wohlwollen und ein guter Austausch sind wichtig

Es wäre gelogen, dass alles immer reibungslos funktioniert, und eine Trennung tut weh. Für uns alle war das ein Umbruch, den ich niemandem wünsche. Dennoch sind wir stolz, es so gut hinbekommen zu haben. Doch damit das klappt, braucht das Wechselmodell gute Grundlagen. Folgendes sollten Eltern möglichst mitbringen, wenn sie sich für das Modell entscheiden:

- Sachlich miteinander sprechen können (z.B. über Schule, Elternabende, Arztbesuche, Entwicklung, Probleme, Hobbys, Verabredungen)
- Das Wohl ihrer Kinder über ihre eigenen Befindlichkeiten stellen
- Bereit sein, Dinge immer wieder neu zu justieren
- Es aushalten, trotz Trennung miteinander in Kontakt zu sein 
- Reflektiert mit alten Verletzungen umgehen können 
- Sich aufeinander verlassen können

Natürlich ist klar, dass Trennungen oft mit Wut, Trauer und Verletzungen einhergehen. Der Umgang damit ist entscheidend – auf beiden Seiten. Oft müssen Wunden erst einmal heilen, aber ohne den Willen und das Wohlwollen dem anderen gegenüber wird es schwierig. Das heißt nicht, dass man nicht auch mal grollen darf, dass Dinge passieren, die ätzend sind, dass man sich über den anderen ärgert – wie in einer intakten Beziehung auch. Wichtig ist aber: Die Kinder sind nicht der richtige Ansprechpartner, wenn es um Themen mit dem anderen Elternteil geht. Auskotzen kann man sich bei Freund:innen.

Einfordern und Neinsagen

Wie gut oder schlecht das Wechselmodell für die Kinder ist, ob es gerichtlich angeordnet werden sollte, oder ob es nur den Bedürfnissen der Eltern gerecht wird, ist immer wieder ein Thema in der Öffentlichkeit. Dabei ist es vor allem eines: sehr individuell, in Bezug auf Wohnraum, Wohnort, Unterhalt und Aufteilung. Für uns vier ist 50/50 aktuell die beste Option, um allen gerecht zu werden – vor allem den Wünschen der Kinder, aber auch unserem Arbeitsalltag. Ändert sich etwas, versuchen wir uns bestmöglich anzupassen. Gleichzeitig bietet das Modell Freiheiten, um die mich viele Alleinerziehende, aber auch Mütter in festen Partnerschaften beneiden: Ich habe Zeit allein und Zeit, um Dinge zu erledigen, ohne mir Gedanken um die Betreuung der Kinder machen zu müssen.

Dennoch musste auch ich erst lernen, Nein zu sagen, statt um der guten Stimmung Willen allem zuzustimmen. Auch wir haben Kämpfe gekämpft, Dinge ausgelotet, wieder verworfen, uns Dinge an den Kopf geworfen, geweint und um das Familienleben getrauert, das wir nicht mehr haben. Doch haben wir am Ende das Beste draus gemacht und können unsere Kinder gleichermaßen aufwachsen sehen. Manchmal bin ich trotzdem traurig, dass ich sie nur die Hälfte der Zeit bei mir habe. Aber dafür haben wir jetzt etwas, das viele Familien nicht haben: eine gleichberechtigte Elternschaft und finanzielle Unabhängigkeit. Neben persönlicher Freiheit einer der wichtigsten Werte für mich.

Ja, ich bin Mama und meine Kinder stehen an allererster Stelle. Zur Verfügung habe ich dennoch nur dieses eine Leben, und wann das vorbei sein wird, weiß ich nicht. Ich weiß nur: Am Ende will ich nicht sagen müssen, dass ich meine Zeit damit verbracht habe, mich um alles zu kümmern und anderen den Rücken freizuhalten. Es gibt zwei Elternteile und beide sollten gleichermaßen in der Familie involviert sein.


 

Brigitte

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