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Steffi von Wolff: "Der moderne Mann ist mir unheimlich!"

Steffi von Wolff
Bestseller-Autorin Steffi von Wolff scheibt jede Woche eine Kolumne bei BRIGITTE.de.
© privat
Steffi vom Wolff findet es befremdlich, dass der moderne Mann sich laktoseintolerant gibt und das Kobe-Rind mit Spezialholzkohle zubereitet.

Trend Nummer 1: Die Vorsorgeuntersuchung

Am 3. November ist Weltmännertag, und das hört sich für mich an, als müsste man sich an die Wikinger erinnern, die in Blut und Feuer gekämpft haben, an Typen wie Mel Gibson in „Braveheart“ oder an Robert de Niro in „Es war einmal in Amerika“.

Tatsächlich aber soll der Weltmännertag an das Gesundheitsbewusstsein der Männer appellieren, denn die gehen nicht oft genug zur Vorsorge, und dann habe ich gelesen, dass Vorsorgeuntersuchungen so langsam zum Trend bei Männern werden.

Davon mal ganz abgesehen, dass ich nicht glaube, dass ein Weltmännertag auch nur irgendeinen Mann dazu bewegt, zur Darmspiegelung zu gehen, muss ich bei dem Wort Männertrend an diese Männer denken, die mit dem gemeinen Mann so gar nichts gemeinsam haben, und die ich, man verzeihe mir, nicht richtig ernst nehmen kann, genauso wenig wie diese Lumbersexuals oder Überväter.

Trendmänner sind immer so mit Ernst bei der Sache

Diese Trendmänner haben eins gemeinsam: Sie sind bei welchem Trend auch immer mit Ernst bei der Sache, lächeln selten und wenn, dann gütig, sie reden leise und erklären gern. Meistens sind sie sehr dünn, manch einer würde sie als ätherisch bezeichnen, ich muss immer an Dinkelschrot denken, wenn ich sie sehe.

Alles, was sie tun, tun die Trendmänner „bewusst“. Sie gehen nicht einfach so auf den Markt, sie „erleben“ ihn, weil das eben gerade so Trend ist, suchen nach den idealen Äpfeln, fragen, ob die Morcheln auch frisch sind und schauen gern kritisch über den Rand einer Lesebrille. Der Einkauf ist kein Genuss, sondern eine Aufgabe. Der Markttrendmann zeigt seine Einkäufe gern in einem stoffausgeschlagenen Weidenkörbchen und tapert dann nach Hause, um alles vor sich auszubreiten und sich selbst zu loben. So ändern sich die Zeiten.

Früher haben die Männer gegen Bären gekämpft, heute himmeln sie Lauch an

Früher haben die Männer gegen Bären gekämpft, heute himmeln sie Lauch an. Seitdem es diese ganzen Magazine übers Landleben und über Achtsamkeit und was weiß ich gibt, sieht man immer mehr Männer, die das „leben“.

So geht es auch mit anderen Trends. Da sind plötzlich Männer laktoseintolerant und vertragen keinen Weizen mehr, ich habe sogar schon mal in einem Restaurant gehört, dass einer angeblich von Bier einen Hopfenschock bekommen hat.

Schlimm genug, dass es diese ganzen Trends gibt – Liegeradfahrer gehören übrigens auch dazu, sehr ernst und gewissenhaft gefährden sie den Verkehr, weil keiner sie sieht, denn nicht jeder hat so eine Fahne auf dem Rad –, und es ist auch kein Ende in Sicht.

Das Kobe-Rind muss auf einem Grill in Pool-Größe zubereitet werden

Ich weiß noch, als damals die ersten Kochbücher über die Molekularküche herauskamen und viele ernste Männer mit flüssigem Stickstoff hantierten und über Rotationsverdampfer diskutierten.

Kurze Zeit später dann waren sie gegen alles allergisch, weil irgendjemand gesagt hat, das sei Trend, nur nicht gegen Kobe-Rind, auch so ein Trend, und das muss auf einem Grill in Pool-Größe und spezieller Holzkohle zubereitet werden, damit die Geschmacksnerven bitte explodieren. Auch so ein Trend, der teure Genuss.

Und morgen kommt dann wieder ein neuer Trend.

Warum mich das nervt? Weil das so unehrlich ist. Viele Trendmänner wirken so unauthentisch bei ihren Versuchen, bloß angepasst zu sein und immer auf dem neuesten Stand. Warum können sie nicht einfach Männer sein, Rad fahren, Karotten kaufen und ein Steak braten? Mit hochgekrempelten Ärmeln und muskulösen Unterarmen. Aber vielleicht wird das ja eines Tages auch wieder Trend.

Steffi von Wolff: "Später hat längst begonnen"
© PR

Die Autorin: Steffi von Wolff war lange Jahre beim Radio, bevor sie 2003 ihren ersten Roman herausbrachte. Ihr neuestes Werk heißt "Später hat längst begonnen"; darin geht es um zwei Frauen, die es zusammen nochmal richtig krachen lassen, bevor das Unabänderliche passiert.

Steffi von Wolff selbst lässt es mittlerweile fast nur noch beim Schreiben krachen. Sie ist am liebsten daheim und macht es sich gemütlich mit Rotwein, einem leckeren Essen - und einer schönen Serie!

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