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Bestseller-Autorin Steffi von Wolff: "Erzieht endlich eure Kinder!"

Steffi von Wolff
Bestseller-Autorin Steffi von Wolff scheibt jede Woche eine Kolumne bei BRIGITTE.de.
© privat
Gegen Kinder darf man nichts sagen, sonst wird man gleich als Kinderhasser verschrien. Ein echtes Ärgernis, findet Steffi von Wolff.

Chinesische Wasserfolter ist ein Witz dagegen

Meine Freundin ist seit Kurzem ein Nervenbündel. In die Wohnung über ihr ist nämlich eine Frau mit drei Kinden im Alter von ungefähr zwei bis fünf Jahren eingezogen. Es ist eine schöne Wohnung mit Parkett.

„Hörst du das?“, fragte sie mich am Telefon und hielt den Hörer so, dass ich mitbekam, wie über ihr gefühlt mehrere hundert von Löwen gehetzte Antilopen über die ostafrikanische Steppe donnerten. Duschduschduschdusch! Klongklongklongklongklong! Dadddaddddaddddddammm! Bäääääämmmm! Dungbumbaschhhhhh!

„Was soll ich tun? Ich habe ständig Kopfweh? Ich kann die Brut doch nicht aus dem Fenster werfen, oder?“, fragte sie panisch. „Hm“, machte ich. Die Wahrheit ist: Ich finde diese gewisse Art von Kindergeschrei und Kinderlärm entsetzlich. 

Gestern war ich bei ihr. Über uns wurde rhythmisch im Sekundentakt mit Holzklötzen auf den Parkettboden geknallt. Bumm. Bumm. Bumm. Bumm. Sinnfrei. Immer und immer wieder. Chinesische Wasserfolter ist ein Witz dagegen.

Dann die Mutter: „Ich zähle jetzt bis drei, wenn ihr dann nicht aufhört und euch die Zähne putzt, dürft ihr nie wieder Nutella. Eins, zwei, drei.“ Natürlich passierte nichts. Und weiter „Bumm. Bumm. Bumm.“ „Hört jetzt auf damit, Svenni, Alina, Lotti, und putzt Zähne.“ „Bumm. Bumm. Bumm.“ „Svenni!“ „Bumm. Bumm. Bumm. BUMM!“

Steffi von Wolff
Autorin Steffi von Wolff
© Steffi von Wolff

Der Putz rieselte von der Decke

Meine Freundin ging nach oben und sagte leise und freundlich: „Es ist sehr laut.“ Die Nachbarin sagte laut und unfreundlich: „Es sind doch Kinder. Sie mögen also keine Kinder? Das ist doch kein richtiger Lärm. Stellen Sie sich bitte nicht so an.“

Wir entkorkten verzweifelt Rotwein. Die Lampen wackelten, weil man immer noch nicht Zähne putzte, sondern „übergewichtiges, galoppierendes Einhorn“ oder „aggressiver Kamschatka-Bär, der versucht, das Parkett mit seinen Pranken aufzureißen“ spielte. Wir öffneten eine zweite Flasche, während über uns der Putz aus einem Deckenriss rieselte, und das ist kein Scherz.

„Das geht jeden Tag so, Stunde um Stunde“, sagte meine Freundin und massierte ihre Schläfen.

„Man muss Kindern doch Grenzen setzen!“, rief ich.

„Ha! Sag mal was“, meinte meine Freundin. „Dann wirst du doch gleich als Kinderhasser hingestellt.“

Das stimmt. Ist doch so: Man muss immer gütig lächeln, egal ob ein Kind im Restaurant brüllt, weil es keinen Nachtisch kriegt, einen mit Schokoladenfingern antatscht, einem im Weg steht, oder, wie in diesem Fall, über einem Krach macht, als gäbe es kein Morgen mehr.

Man darf mich hier bitte nicht falsch verstehen: Wenn Kinder zum Beispiel am Badesee vor Freude schreien, wenn sie ins Wasser springen oder draußen Fangen spielen und dabei laut sind, finde ich das überhaupt nicht schlimm. Das gehört dazu. Wenn Kinder beim Spielen Lärm machen, ist das völlig in Ordnung. Mich nervt nur dieser vermeidbare Lärm, dieses Krachmachen, um Krach zu machen. Sinnloses, dümmliches, rücksichtsloses Herumschreien, Türen schlagen, ohne dass irgendein Erziehungsberechtigter wirklich mal durchgreift.

Hier wird die nächste "Generation Arschloch" großgezogen

Ich erlebe es immer wieder, Kinder dürfen machen, was sie wollen, die wenigsten sagen wirklich was dagegen, es kommt mir so vor, als hätte man resigniert, weil Kinder ja sowieso so hingestellt werden, als seien sie die besseren Menschen. Und schwuppdiwupp ist die nächste Generation Arschloch großgezogen worden.

Klar – der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, es sind die Eltern, die das zulassen, sich gegenseitig hypen und denken (gerade Mütter), sie hätten was wahnsinnig Enormes geleistet, weil sie Kinder bekommen haben und jetzt müssen alle vor ihr katzbuckeln. Mich nervt das. Es gibt auch noch andere Menschen auf der Welt. Daran sollte man bitte auch mal denken. Danke.

Und jetzt fahre ich zu meiner Freundin. Wir haben was vor: Wir werden auf den Dachboden gehen, der befindet sich über der Wohnung der Krachmacher. Und dann werden wir drei Stunden lang auf der Stelle springen und/oder mit Holzklötzen arbeiten. Klongklongklongklongklong! Dadddaddddaddddddammm! Bäääääämmmm! Dungbumbaschhhhhh! Und wenn sie was sagt: „Stellen Sie sich bitte nicht so an. Das ist kein richtiger Lärm.“ Bumm. Bumm. Bumm. Ich freue mich schon.

Steffi von Wolff: "Später hat längst begonnen"
© PR

Die Autorin: Steffi von Wolff war lange Jahre beim Radio, bevor sie 2003 ihren ersten Roman herausbrachte. Ihr neuestes Werk heißt "Später hat längst begonnen"; darin geht es um zwei Frauen, die es zusammen nochmal richtig krachen lassen, bevor das Unabänderliche passiert.

Steffi von Wolff selbst lässt es mittlerweile fast nur noch beim Schreiben krachen. Sie ist am liebsten daheim und macht es sich gemütlich mit Rotwein, einem leckeren Essen - und einer schönen Serie!

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