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"Ich habe eine schwierige Geburt erlebt – jetzt helfe ich anderen Frauen als Doula"

Frau hält Baby in ihren Händen
© LiAndStudio / Shutterstock
Ungewollter Dammschnitt, ständig wechselnde Hebammen: Christina Mundlos hat selbst eine traumatische Geburt erlebt und setzt sich jetzt als Doula und Autorin gegen Gewalt in der Geburtshilfe ein. Hier erzählt sie, wie genau eine Doula bei einer Geburt helfen kann – und erklärt, was sie von einer Hebamme unterscheidet.

Was Frauen bei der Geburt ihres Kindes brauchen und was sie schlimmstenfalls erwartet, habe ich selbst erlebt. Bei der Geburt meines Sohnes vor 12 Jahren wurde mir schlagartig klar, wie allein Frauen oft im Kreißsaal sind. Ich hatte ab Beginn der Schwangerschaft versucht, eine Beleghebamme zu finden, um mein erstes Kind mit einer mir vertrauten Hebamme zu bekommen. Doch es gab keine Beleghebammen mehr in meiner Umgebung.

Die Ärztin verpasste mir gegen meinen Willen einen Dammschnitt

Ich bekam meinen Sohn dann dank Schichtwechsel mit drei verschiedenen Hebammen. Da offenbar viel zu tun war im Kreißsaal, blieb ich jedoch die überwiegende Zeit mit meinem Mann allein. Von der letzten Hebamme, die mir am unsympathischsten war, wurde ich ausgelacht und sie setzte sich bewusst über meine Wünsche hinweg. Die Ärztin verpasste mir dann noch gegen meinen deutlich kommunizierten Willen einen Dammschnitt.

An diesem Tag, dem Geburtstag meines Sohnes, wurde ich zur Geburtshilfeaktivistin.

Ich recherchierte und las viel zur Situation der Geburtshilfe und schrieb schließlich 2014 mein Buch "Gewalt unter der Geburt – der alltägliche Skandal". Es war mir wichtig, darüber aufzuklären, dass es Gewalt in der Geburtshilfe gibt – die bis dahin noch völlig tabuisiert und den meisten unbekannt war.

Christina Mundlos
Christina Mundlos (37), hat zwei Kinder, kommt aus Hannover und ist Soziologin, Autorin, Geburtsbegleiterin und Beraterin. Sie hält Vorträge und bietet Fortbildungen an zu den Themen Gewalt unter der Geburt, Mutterrolle, Regretting Motherhood, Diskriminierung von Müttern und dem Schönheitsdiktat in den Medien.
© Christina Mundlos / Privat

Neben der Aufdeckung der Hintergründe und Ursachen für die Gewalt unter der Geburt habe ich in meinem Buch auch betroffene Hebammen(schülerinnen) und Mütter sowie einen Vater zu Wort kommen lassen. Ich verfasste politische Lösungsvorschläge und beschrieb auch Tipps für Schwangere: zum Beispiel eine Doula Geburtsbegleiterin mit zur Geburt zu nehmen. Die Bezeichnung Doula leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet "Dienerin der Frau". 

Eine Doula ist für die emotionale und physische Unterstützung der Gebärenden da. Sie hat jedoch keine medizinischen Aufgaben, denn hierfür sind die Hebammen zuständig und unersetzlich. 

Da sich in der Geburtshilfe zu wenige Hebammen um zu viele Frauen gleichzeitig kümmern müssen, fühlen sich Mütter oft bei der Geburt allein gelassen. Sich allein und verunsichert zu fühlen, kann aber dazu führen, dass Stresshormone ausgeschüttet werden, die dann das Wehen- und Bindungshormon Oxytocin hemmen. Die Geburt gerät ins Stocken und zur Beschleunigung werden dann Eingriffe durchgeführt, die es ohne Stress nie gebraucht hätte.

Kein Wunder also, dass Studien zeigen, dass eine kontinuierliche Begleitung der Geburt durch eine Doula zu wesentlich geringeren Eingriffs- und Kaiserschnittraten führt. Eine Doula ist nicht von der Klinik angestellt, sondern wird von den Eltern gebucht. Sie ist ausschließlich für die Gebärende da und hat für sie exklusiv Rufbereitschaft. Schwangere können die Doula lange vor der Geburt kennenlernen, mit ihr ihre Wünsche besprechen und sich auf die Geburt vorbereiten. 

Immer mehr Mütter baten mich um Hilfe

In den letzten Jahren wurde ich immer wieder von Müttern aus meiner Nähe angesprochen, die sich die Begleitung einer Doula wünschten. Ausgerechnet in meiner Region in Hannover gab es jedoch keine Doulas. Also entschloss ich mich 2017, selber Doula zu werden und machte die Ausbildung bei "Doulas in Deutschland e.V.". Die Arbeit als Doula ist eine schöne Möglichkeit, mich nicht nur politisch als Geburtshilfeaktivistin für eine Verbesserung der Geburtshilfe und für gewaltfreie Geburten einzusetzen, sondern auch ganz praktisch für Schwangere, Gebärende und Mütter da zu sein. Nebenbei bietet mir die Tätigkeit als Doula ein wunderbares Gegengewicht zu meiner sonstigen sehr kopflastigen Arbeit. 

Ich begleite nur wenige Geburten im Jahr, weil ich mich voll und ganz auf die Mütter und Familien konzentrieren will.

Ich fiebere mit den Frauen mit, wenn sie in den letzten Wochen immer ungeduldiger werden. Ich zeige ihnen hilfreiche Übungen, wenn sie hoffen, dass das Baby sich noch mit dem Köpfchen nach unten dreht, bevor es losgeht. Die letzten Wochen ist mein Handy für die Nummer der Mama immer lautgestellt. Ich gehe dann nicht mehr schwimmen, ins Kino, Theater oder auf Konzerte, ich bleibe in der Nähe, ich mache keinen Urlaub, keine wichtigen Termine, ich trinke keinen Alkohol und sorge immer für genügend Schlaf. Denn wenn ich von der Mutter dann endlich angerufen werde, geht auch für mich eine Geburtsreise los. Ich lasse alles stehen und liegen, fahre zur Gebärenden, bin für sie da, bis das Baby geboren ist und noch circa zwei Stunden darüber hinaus. 

Die Zusammenarbeit mit den Hebammen klappt bislang wunderbar. Wenn sie etwas Zeit haben, sind sie oft neugierig und möchten etwas über die Ausbildung zur Doula erfahren.

Ich habe auch schon gemeinsam mit einer Hebamme eine Gebärende in den Wehen abwechselnd am Kreuzbein massiert, während der Vater seiner Frau zärtlich die Wange streichelte. Wenn die Hebammen weniger Zeit haben – und das ist leider häufig der Fall – dann sind sie meist umso erleichterter, dass ich der Mama für Gespräche, Bestärkungen und als Unterstützung zur Verfügung stehe. Denn genau für diese Aufgaben bleibt den Hebammen dann leider kaum Zeit. Sie haben schließlich auch medizinische Funktionen, die ich nicht übernehme. Hebammen sind absolut unersetzlich, wenn es um Untersuchungen, Beratungen und Aufklärungen über Eingriffe oder auch das Durchführen von medizinischen Aufgaben geht.

Einmal kam die Hebamme gerade noch rechtzeitig zwei Wehen bevor das Baby auf die Welt kam in den Kreißsaal gelaufen. Ich hatte schon etwas Schweiß auf der Stirn und gehofft, dass die Hebamme es noch schafft. Denn so gerne ich Geburtsreisen begleite, diese Aufgabe und das Neugeborene gehören in den ersten Minuten seines Lebens in die Hände der Mama und der Hebamme. 

Zum Austausch gibt es die Gruppe "Gewalt unter der Geburt"

Als Geburtshilfeaktivistin bin ich natürlich weiterhin aktiv: Momentan arbeite ich zum Beispiel an einem Projekt, bei welchem es Schwangeren in besonders belastenden Situationen (z.B. Flüchtlinge, Minderjährige oder Opfer von Gewalt) ermöglicht werden soll, eine Kostenübernahme für eine Doula beantragen zu können. Zudem habe ich Anfang diesen Jahres auf Facebook die Gruppe "Gewalt unter der Geburt" gegründet, in der sich Betroffene austauschen und gegenseitig beraten.

mh

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