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Die Wirkmacht von Prominenz "Keiner von uns konnte glauben, wie nah wir einem Weltstar waren"

Die Wirkmacht von Prominenz: "Keiner von uns konnte glauben, wie nah wir einem Weltstar waren"
© Brigitte / Adobe Stock
Die Chance, einen Weltstar hautnah zu erleben, bekommen nur die Wenigsten. Im VIP-Bereich angekommen schien die 20-Jährige Emma* dieser Situation jedoch plötzlich ganz nah. Doch wie schnell sich das Blatt wenden kann, wird ihr erst viel später bewusst. 

Triggerwarnung: Die im Folgenden aufgeführten Erfahrungsberichte behandeln unter anderem sexualisierte Gewalt und könnten auf manche Menschen verstörend wirken. 

Anlaufstellen, Beratungsangebote und weitere Informationen findest du unter anderem auf den folgenden Seiten – anonym und kostenfrei:

Telefonseelsorge, Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen

 

Im Zuge der BRIGITTE-Aktion #wasmachtmacht haben wir unsere Leser:innen ermutigt, uns von ihren Erfahrungen mit Macht zu berichten. Erreicht haben uns zahlreiche Erlebnisse – aus den Bereichen Politik, Studium, Job, Liebe und Familie.. Diese Geschichte ist eine von ihnen.

Es war mein 20. Geburtstag, und meine beiden Freundinnen und ich beschlossen, ihn in einem Club zu feiern, etwa 30 km von unserem Heimatort in NRW entfernt. Wir waren aufgeregt und freuten uns, denn wie es der Zufall wollte, sollte an diesem Abend auch ein international bekannter Sänger auftreten, dessen Lieder wir sowieso ständig rauf und runter hörten.  
Nachdem meine Füße vom stundenlangen Tanzen schon fast geschwollen waren, beschloss ich, mich auf ein freies Sofa zu setzen und eine kleine Pause einzulegen. Erst auf den zweiten Blick bemerkte ich, dass der Tisch vor dem Sofa mit großen Champagnerkübeln gefüllt war. Mittlerweile war es fast 2.30 Uhr, aber von dem angekündigten Special Guest noch immer keine Spur. Während meine beiden Freundinnen weiter tanzten, setzte sich ein Mann neben mich und sprach mich auf Englisch an. Ich schätze ihn auf Mitte/Ende 20. Es war keine komische Anmache oder so etwas. Er war höflich und nett, außerdem sprach ich gerne Englisch, also ließ ich mich auf ein Gespräch mit ihm ein. Der Mann sagte mir seinen Namen und dass er Fußballspieler sei. Ich glaubte ihm nicht, machte Witze, aber als ich seinen Namen googelte und einen Wikipedia-Eintrag über ihn fand, wusste ich, dass er es ernst meinte.  
Er fragte mich, ob ich den angekündigten Sänger sehen wollte, was ich natürlich bejahte, da wir schon den ganzen Abend auf ihn gewartet hatten. "Ich bin mit ihm befreundet", sagte er. "Soll ich euch hinbringen?" Ich dachte, ich hätte mich verhört. Plötzlich war ich wieder hellwach und trommelte meine beiden Mädels zusammen. Der Fußballspieler rief einen Sicherheitsmann zu sich und sagte ihm, dass wir "Freunde" von ihm seien und den Sänger sehen wollten. Dieser führte uns in den anderen Clubraum, in dem der Sänger gerade seinen Auftritt begann - plötzlich waren wir im VIP-Bereich und konnten das Mini-Konzert hautnah miterleben. Wahnsinn - ich glaube, keiner von uns konnte glauben, wie nah wir einem Weltstar wirklich waren. Von der Seite habe ich Blicke gespürt und bin auch dort mit einigen Leuten ins Gespräch gekommen. Ich bin ein aufgeschlossener Mensch, das war für mich also erstmal nichts Ungewöhnliches.    
Nachdem der Sänger sein Konzert beendet hatte und die Clubmusik weiterlief, kam er zurück in den VIP-Bereich und sprach uns mit "Hey Cuties“ an. Ich dachte kurz, ich wäre im Film und hatte einen richtigen euphorischen Fanmoment. Der Sänger und seine Leute machten sich schon auf den Weg zum Ausgang, als ein großer, präsenter Mann auf uns zukam und uns eine Frage stellte, die ich jetzt, viele Jahre später, mit ganz anderen Augen sehe. Er fragte uns, ob wir mit ins Hotel kommen wollten. Im ersten Moment haben meine Freundinnen und ich gelacht. Ich war so euphorisch und voller Adrenalin, dass ich erst dachte: Was ist das für eine verrückte Chance? Irgendwie fühlte man sich in dem Moment auch besonders, weil man unter einer von vielen "auserwählt" wurde.    
Zum Glück verflog der Gedanke aber so schnell, wie er gekommen war. Wir lehnten ab und beschlossen uns auf den Heimweg zu machen. Noch viele Jahre lang haben wir uns darüber lustig gemacht, dass wir so ein Angebot bekommen haben. Es war ja schließlich nichts passiert. Andere jungen Frauen, die das Angebot angenommen haben, haben wahrscheinlich weniger zu lachen. Dieses Beispiel zeigt mir immer wieder, wie schnell man in bestimmte Situationen rutschen kann, die man im Nachhinein mit ganz anderen Augen sieht.  

Das sagt Prof. Dr. Fatma Çelik

Fatma Çelik
Prof. Dr. Fatma Çelik ist Diplom-Psychologin, Forschende zu Psychologie und (sexueller) Gewalt über die Lebensspanne und Lehrende an der Hochschule Düsseldorf.
© Thomas Neitsch / Privat

Prof. Dr. Fatma Çelik ist Psychologin und forscht unter anderem zu Gewalt über die Lebensspanne. Sie hilft uns, die Erfahrungen einzuordnen – um Machtstrukturen sichtbar zu machen. Hier richtet sie ein Vorwort an die Leser:innen.

Wo greifen hier Machtstrukturen?
Prof. Dr. Fatma Çelik: In der Schilderung beschreibt die Person mehr implizite, als explizit formulierte Machtstrukturen im Sinne von Privilegien, Rechten und Zugängen – dies kann auch als Machtstruktur gelesen werden. Personen des öffentlichen Lebens, zu denen aufgeschaut wird, um die sich ggf. ein Fankult bildet, haben eine gewissen "Wirkmacht“ auf diese Fans. Dies wird in der medialen Reichweite von Influencer:innen auf Social Media Plattformen sehr deutlich. Wirkung und Macht müssen dabei jedoch voneinander unterschieden werden. Ich möchte an dieser Stelle aus dem Lexikon der Psychologie zitieren "Machtbezogene Verhaltensweisen haben dabei stets zum Ziel, das Verhalten und Erleben anderer zu kontrollieren und deren Verhalten ggf. gegen deren Widerstand zu verändern.“ (Six, 2021).
Machtbezogene Verhaltensweisen werden gemäß dieser Definition in dem Bericht der Autorin explizit nicht formuliert. In der Schilderung wird das offerierte Angebot abgelehnt und es ergeben sich daraus keine negativen Konsequenzen für die Autorin. Es wird keine Drucksituation geschildert, weder durch den Mann, noch durch andere anwesende Personen. Die Aussage der Autorin "Andere jungen Frauen, die das Angebot angenommen haben, haben wahrscheinlich weniger zu lachen" scheint aber mehr eine Mutmaßung, es sei denn, ihr oder der Redaktion sei hier mehr bekannt. 
emi Brigitte

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