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Propaganda-Schlacht Der Krieg im Netz: Warum wir unseren Augen lieber nicht trauen sollten

In Kiew sind bereits viele Häuser durch Bomben zerstört. 
In Kiew sind bereits viele Häuser durch Bomben zerstört.
© Alex Chan Tsz Yuk / ZUMA Wire / imago images
Was ist wahr und was ist es nicht? Der russische Krieg in der Ukraine wird schon lange nicht mehr nur auf dem Schlachtfeld ausgetragen – im Netz gibt es einen zweiten Schauplatz. Propaganda, Falschmeldungen, Videos und Bilder, die nur einem Zweck dienen – die eigene Position zu stärken.

Propaganda ist schon immer Teil von Kriegen gewesen und bedeutet zielgerichtete Versuche, politische Meinungen oder öffentliche Sichtweisen zu formen, um Menschen zu manipulieren und ihr Verhalten in eine für den oder die Propagandist:in erwünschte Richtung zu steuern.

Gerade in der Russischen Föderation hat Propaganda eine lange Geschichte und wird häufig auch Kreml-Propaganda genannt. Die Kernbotschaft: Wladimir Putin tut Gutes für sein Land und das russische Volk – jede andere staatliche Ausrichtung oder mögliche Annäherung an den Westen würden schaden. Um dieses Bild verbreiten zu können, braucht es eine gewisse Gleichschaltung der Berichterstattung.

Russische Staatsmedien verbreiten die Kreml-Propaganda Putins

Erst vor wenigen Tagen protestierte die russische Journalistin Marina Ovsyannikova während der Hauptnachrichtensendung des Senders Rossja 1 gegen den Krieg in der Ukraine. Auf ihrem Schild stand: „Glaubt der Propaganda nicht. Sie lügen euch an.“ Gemeint war damit die Propaganda, die der staatliche Nachrichtensender verbreitete. Für diesen Protest musste die junge Frau 30.000 Rubel Strafe zahlen. Doch wie sieht diese Propaganda in Kriegszeiten aus?

Wahrscheinlich hat es noch nie einen Krieg gegeben, der eine so große Flut an nicht überprüfbaren Bildern und Informationen produziert hat wie der aktuelle. Zahlreiche Bilder und Videos tummeln sich auf Twitter, Instagram, Facebook und Tiktok. Was davon der Wahrheit entspricht, ist mit bloßem Auge kaum mehr zu erkennen. Auch die Ukraine nutzt die sozialen Medien für ihre Zwecke.

Fake-Video zeigt Angriff auf Paris – die Ukraine will wach rütteln

Das ukrainische Verteidigungsministerium veröffentlichte erst vor wenigen Tagen ein erschreckend reales Video mit einer Botschaft an Europa: NATO schließt den Luftraum über der Ukraine. Das Video beginnt als Touristenvideo in Paris, als plötzlich Explosionen die Stadt erschüttern. Bomben fallen, Kampfjets fliegen über die Häuser hinweg, Sirenen heulen. Das Ganze ist mit wackeligen Handykameras gefilmt, die Raketeneinschläge, das Feuer, der Rauch – alles wirkt echt.

Das Video ist bewusst manipulativ gestaltet. Die Qualität ist erschreckend gut und gibt zu bedenken: Wenn es schon technisch möglich ist, einen Angriff auf Paris so akkurat zu faken, welchen Bildern aus diesem Krieg kann man da eigentlich noch glauben? In den westlichen Nachrichten wird daher meist sehr vorsichtig über das Gezeigte gesprochen. Häufig hört man so was wie: „Diese Bilder sollen das Theater von Mariupol zeigen“. Die Russen sollen es angegriffen haben, so die Ukraine, in Russland wird das dementiert – Aussage gegen Aussage.

Russland nutzt die Propaganda mit Bildern, Videos und falschen Informationen seit Jahrzehnten

Die technische Perfektion, mit der die Kreml-Propaganda mittlerweile vorangetrieben wird, hat nach Aussagen von Fachleuten eine neue Eskalationsstufe erreicht. Der Kreml nutzt seit Jahren die Medien und das Netz, um massenhaft Bildermärchen zu verbreiten, um die öffentliche Meinung im Sinne Putins zu beeinflussen. Das neueste Übel sind prorussische Blogger:innen und Journalist:innen, die es in Wahrheit gar nicht gibt.

Dabei geht es nicht einfach um irgendwelche Bots, sondern um sorgfältig aufgebaute und inszenierte Persönlichkeiten, die in einem System agieren. Zwei Beispiele sind der Luftfahrtingenieur Vladimir Bondarenko und seine Kollegin Irina Kerimova aus Charkiw in der Ukraine. Sie arbeiten angeblich zusammen als Politblogger:innen für eine Website namens "Ukraine Today", so das Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Sie berichten darüber, wie segensreich Russland in der Ukraine wirkt, wie korrupt und kaputt die Regierung in Kiew ist und wie gut Putins Krieg vorankommt. Diese beiden Personen sind frei erfunden, inklusive ihrer fiktiven Biografien. Sogar ihre Gesichter stammen aus einer Deep-Fake-Software. Es sind also nicht einfach irgendwelche Bilder, sondern extra für diesen Zweck mittels einer künstlichen Intelligenz erstellte Fotos.

Russland schafft ein riesiges System von Fake-News und falschen Expert:innen

Der Facebook-Mutterkonzern Meta hat nach eigenen Angaben kürzlich erst 40 solcher Deep-Fake-Profile gelöscht. Diese Accounts seien jedoch nur ein Bruchteil der "Ukraine Today"-Initiative. Nach US-Regierungserkenntnissen steht diese in Verbindung zum russischen Geheimdienst. Auch reale Accounts von Journalist:innen sollen gehackt worden sein. Das größte Problem dieser Deep-Fake-Profile ist, dass man theoretisch jeder beliebigen Person Aussagen in den Mund legen kann – so tauchen auf einmal Expert:innen auf, die es gar nicht gibt.

Doch es sind nicht nur staatliche gelenkte Initiativen, die Fake-News weiterverbreiten. Viele Privatpersonen teilen falsche Informationen auf ihren Kanälen – ob bewusst oder unbewusst. So wurde beispielsweise ein Foto vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj so verändert, dass es aussieht, als hielte er ein Trikot der ukrainischen Nationalmannschaft, bedruckt mit einem Hakenkreuz in die Luft. Die Manipulation soll die russische Propagandalüge vom "Nazi-Regime" in Kiew anfachen.

Wichtig: Erst die Fakten prüfen, dann Videos oder Bilder teilen

Es gibt noch viele dieser Beispiele. Nicht alle können entlarvt werden, einige schon. Zum Beispiel den Irrglauben, dass US-Fallschirmjäger in den Krieg eingegriffen hätten. Die Agentur Reuters verwies darauf, dass die Clips seit 2016 im Umlauf seien und höchstwahrscheinlich Soldaten der 82nd und 101st Airborne Division beim Training in Fort Bragg im US-Bundesstaat North Carolina zeigen. Selbst Computerspielszenen aus Militär-Ego-Shootern werden entsprechend beschriftet, landen im Netz und werden millionenfach geklickt.

Bilder und Videos wirken emotionalisierend. Daher sind sie im Krieg eines der wichtigsten Instrumente. Die Manipulation von Bildern gibt es schon, so lange es bereits die ersten Fotografien gab. Sie sind seit jeher Teil politischer Stimmungsmache. Das Vertrauen in die Authentizität der Bilder schwindet mit jeder neuen Fake-Aufdeckung. Daher gilt bei den aktuellen Bildern und Videos, die über die sozialen Medien verbreitet werden, genau hinzuschauen, nicht einfach irgendwelche Inhalte zu teilen und vor allem: Traut euren Augen nicht, überprüft die Fakten.

Verwendete Quellen: rnd.de, spiegel.de, handysektor.de, bpb.de, welt.de, reuters.com, twitter.com

Brigitte

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