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Keine Hilfe für Vergewaltigungsopfer? Kardinal lenkt ein

Das sorgte Mitte Januar für Aufregung. In zwei Kölner Krankenhäusern der katholischen Kirche wurde ein Vergewaltigungsopfer aus religiösen Gründen nicht behandelt. Nach der Empörung lenkt nun Kardinal Joachim Meisner ein.

Aktualisierung unseres Artikels vom 17. Januar 2013


Mitte Januar wurde eine vergewaltigte Frau in zwei katholischen Kränkenhäusern in Köln abgewiesen. Grund: Die notwendige Versorgung und Spurensicherung könne nicht durchgeführt werden, da sie eine Aufklärung über die "Pille danach" vorsehe. Diese wird bislang in katholischen Krankenhäusern aus religösen Gründen nicht ausgegeben. Die öffentliche Empörung darüber war groß. Auch BRIGITTE.de hatte in diesem Meinungsstück (siehe unten) kein Verständnis für das Vorgehen.

Am 31. Januar lenkte der Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, nun ein. Die "Pille danach" für vergewaltigte Frauen sei ethisch vertretbar, erklärte er. Allerdings ist er weiterhin strikt gegen Abtreibungen, die teilweise auch mit sogenannten "Abtreibungspillen" durchgeführt werden. Überraschend ist nicht nur diese Kehrtwende, die er nach Fachgesprächen mit Ärzten entschieden hat. Er entschuldigte sich auch für die Vorfälle. "Die Ärzte in katholischen Einrichtungen sind aufgefordert, sich rückhaltlos der Not vergewaltigter Frauen anzunehmen", betonte er.

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© John Doe/Corbis

Ein Albtraum: Nach einer Party wacht in Köln eine junge Frau orientierungslos auf einer Parkbank auf. Was ist passiert? Sie kann sich nicht mehr erinnern, was auf der Party geschehen ist. Langsam weicht die Verwirrung einem entsetzlichen Verdacht - ist sie vielleicht mit K.O.-Tropfen gefügig gemacht und anschließend vergewaltigt worden?

Sofort lässt sie sich von einer Notärztin untersuchen. Das Ergebnis: Eine Vergewaltigung ist nicht ausgeschlossen, es muss dringend eine Beweissicherung in einem Krankenhaus durchgeführt werden.

So eine Untersuchung ist aus verschiedensten Gründen extrem wichtig: Nicht nur, damit das Opfer eindeutig Klarheit darüber erhält, was vorgefallen ist, sondern auch um handfeste Beweise gegen den Vergewaltiger in der Hand zu haben. Aber: Die Zeit rennt, je länger diese Untersuchung aufgeschoben wird, desto geringer die Chance, dass die Spurensicherung erfolgreich ist.

Die Notärztin setzt sich umgehend mit einem Krankenhaus in Verbindung, um die missbrauchte Frau untersuchen zu lassen - und wird abgewiesen. Der Grund: Seit Ende 2012 dürfen katholische Krankenhäuser in Köln keine gynäkologischen Untersuchungen zur Beweissicherung bei Verdacht auf Vergewaltigung durchführen. Warum diese Neuregelung? Zu der ärztlichen Beweisaufnahme nach einer Vergewaltigung gehört auch ein Aufklärungsgespräch über eine potentielle Schwangerschaft, und wie man diese abbrechen könnte - für ein katholisch geführtes Krankenhaus nicht mit dem Glauben vereinbar. Völlig irritiert versucht es die Notärztin bei einem anderen Krankenhaus - und wird wieder abgelehnt.

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Daher nützte auch der Hinweis der Notärztin nichts, dass sie die Beratung über den Schwangerschaftsabbruch bereits selbst durchgeführt habe und die Pille danach bereits verschrieben wurde. Die Krankenhäuser konnten der vergewaltigten Frau aus Rücksichtnahme auf die religiösen Gefühle der katholischen Führung nicht helfen.

Auf Nachfrage der Lokalzeitung Kölner Stadtanzeiger bestätigte der Sprecher des Erzbistums Christoph Heckely, dass das auch alles seine Richtigkeit habe: Die Pille sei mit den "ethischen und moraltheologischen Grundsätzen" der Kirche nicht vereinbar, daher würden katholische Kliniken grundsätzlich keine Notfallkontrazeption verschreiben oder aushändigen. Allerdings gab er sich ahnungslos, warum die Kliniken auch die Spurensicherung abgelehnt hätten. Die offizielle Regelung sähe vor, dass eine Frau, die Beratung UND Notfallkontrazeption möchte, an ein anderes Krankenhaus verwiesen würde. Mit anderen Worten: "Nur" Spurensicherung wäre eigentlich möglich gewesen, das muss man vor Ort dann wohl falsch verstanden haben. Aber auch diese Erklärung ist nicht wirklich zufriedenstellend.

Also, zusammengefasst: Eine völlig traumatisierte Frau, die nach ihrer Vergewaltigung den Mut und die Geistesgegenwart hat, sofort Beweise zu sammeln, muss sich im katholischen Krankenhaus halt nur kurz fragen, ob sie eventuell das Kind ihres Peinigers austragen möchte. Und im Zweifel lieber schnell ein Taxi zu einem anderen Krankenhaus rufen? Liebes Erzbistum Köln, diese Erklärung macht die Sache nicht besser!

Es ist schlimm genug, mit dem Schock und den Schmerzen einer Vergewaltigung klarzukommen. Und die Hemmschwelle und Scham, sofort zu einem Arzt zu gehen und Spuren zu sichern, sind groß genug. Es ist, vorsichtig gesagt, völlig unakzeptabel, von Frauen in dieser Situation zu verlangen, dass sie kurz darüber reflektieren, ob das nächste Krankenhaus eventuell katholisch geführt wird. Und es ist skandalös, einer Frau diese absolut essentielle Hilfe schlicht zu verweigern, insbesondere mit der Implikation, es wäre "ethisch und moraltheologisch" verwerflich, dass sie eine Vergewaltigungs-Schwangerschaft eventuell lieber abbrechen möchte.

Die Kölner CDU-Abgeordnete Ursula Heinen-Esser spricht völlig zu Recht von einem Skandal und mahnt, dass es die Pflicht von Krankenhäusern wäre, Vergewaltigungsopfern jegliche Hilfe zukommen zu lassen.

Man sollte meinen, das wäre selbstverständlich. Aber es muss tatsächlich eine Bundestagsabgeordnete ausdrücklich fordern, dass auch religiöse Krankenhäuser ihren Job erledigen und Hilfe leisten - ohne Wenn und Aber. Und das Schlimmste: Es wird vermutlich in diesem Fall nicht einmal etwas an dem untragbaren Zustand ändern.

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