Mit ungeschütztem Geschlechtsverkehr ist es wie mit dem Kranksein: Es passiert meist an Wochenenden, Feiertagen oder im Urlaub - wenn der nächste Arzt nicht gleich um die Ecke ist. Anders als beim Schnupfen geht es hier jedoch um eine existenziellere Sorge: Die Verhütung einer möglichen Schwangerschaft. Für solche Notsituationen nutzen viele Frauen die Pille danach. Während sie diese Notfallverhütung in den meisten unserer Nachbarländer rezeptfrei in der Apotheke bekommen, galt in Deutschland bisher die Rezeptpflicht.
Damit ist jetzt Schluss: Die EU-Kommission hat entschieden, die Verschreibungspflicht für die Pille danach mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat (Handelsname: ellaOne) aufzuheben. Künftig können Frauen also europaweit das Medikament ellaOne rezeptfrei in der Apotheke kaufen. Damit folgt die Kommission einer im November 2014 ausgesprochenen Empfehlung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA. ellaOne ist die neuere der beiden in Europa erhältlichen Notfall-Präparate. Weil sie erst 2009 zugelassen wurde und ihre Nebenwirkungen möglichst detailliert dokumentiert werden sollten, unterlag sie bisher der Verschreibungspflicht. Inzwischen stuft die EMA ellaOne auch ohne Rezept als sicher und effektiv in der Anwendung ein.
Über die Verschreibungspflicht der anderen Pille danach mit dem Wirkstoff Levonorgestrel (Handelsname: PiDaNa) entscheiden jedoch nach wie vor die einzelnen Länder. Bislang hielt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe vehement an der Rezeptpflicht fest - obwohl SPD, Opposition und auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schon länger für eine Freigabe des Medikaments plädieren. Nach Bekanntgabe der EU-Entscheidung deutete er nun ein Umdenken an: "Unser Ziel ist es, auch weiterhin eine gute Beratung für beide Präparate aus einer Hand sicherzustellen. Wenn diese Beratung aufgrund einer Brüssler Entscheidung zukünftig nicht mehr zwingend durch einen Arzt vorgenommen werden muss, ist eine intensive Beratung auch in den Apotheken der richtige Weg." So könnten Frauen in Zukunft zwischen beiden Präparaten frei wählen.
Während die PiDaNa spätestens 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr geschluckt werden muss, darf ellaOne auch bis zu 120 Stunden später eingenommen werden. Zudem scheint sie bei Frauen, die mehr als 75 Kilo wiegen, besser zu wirken als die PiDaNa. Dafür kostet sie jedoch auch knapp das Doppelte.
Allein im Jahr 2013 wurde die Pille mit dem Wirkstoff Levonorgestrel nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums rund 200.000 Mal verschrieben. Innerhalb von 24 Stunden eingenommen, kann sie bis zu 95 Prozent der ungewollten Schwangerschaften verhindern, nach 24 bis 48 Stunden wirkt sie nur noch zu 85 Prozent. Danach sinkt die Wirksamkeit auf 58 Prozent ab.
Durch die Pille danach wird keine Schwangerschaft abgebrochen, denn das in der Pille enthaltene Levonorgestrel verzögert lediglich den Eisprung und verhindert so eine Befruchtung. Das Medikament kann zwar Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Übelkeit haben, gilt aber als sicher. In den meisten Ländern Europas, aber auch in den USA und in der Türkei, ist die Pille danach frei erhältlich. In Schweden und Frankreich gehört sie sogar zur Erste-Hilfe-Ausrüstung an weiterführenden Schulen. Der Vorteil: Ohne Arztbesuch ist eine rechtzeitige Einnahme eher zu gewährleisten. Und weil bei der Pille danach jede Stunde zählt, ist ein schneller Zugang zu dem Präparat wichtig. So würden letztlich auch Abtreibungen verhindert, argumentieren die Befürworter der Rezeptfreiheit.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Pille danach
Da gibt es mehrere Möglichkeiten. 1) Die Pille danach: Es gibt zwei verschiedene Wirkstoffe, die den Eisprung verhindern können: Das gut erprobte Levonorgestrel ("PiDaNa") und das neuere Ulipristalacetat ("Ellaone"). Wichtig: Sie bringen nichts, wenn die Panne am Tag nach dem Eisprung passiert, wenn sich die Eizelle bereits in der Gebärmutter eingenistet hat. 2) Die Kupferspirale: Die Spirale wird in die Gebärmutter eingesetzt. Sie verhindert, dass sich eine befruchtete Eizelle einnistet, wirkt also auch noch nach dem Eisprung. Nach dem Legen der Spirale kann man das Thema Verhütung normalerweise für die nächsten fünf Jahre vergessen. Für sehr junge Frauen ist sie allerdings nicht gut geeignet. 3) Die Kupferkette: Sie wirkt im Prinzip wie die Spirale, ist aber kleiner und beweglicher. Es gibt sie auch in einer Mini-Ausführung für junge Mädchen.
Spätestens nach drei Tagen (Levonorgestrel) bzw. nach fünf Tagen (Ulipristalacetat, Spirale). Man muss also nicht zwingend nachts in die Notaufnahme. Trotzdem gilt: Je eher, desto besser - denn innerhalb der ersten zwölf Stunden funktioniert die Notfallverhütung am besten.
Moderne Tests weisen ab etwa zehn Tagen nach der Befruchtung eine Schwangerschaft nach - zu spät für die Notfallverhütung. Dennoch wird bei Ulipristalacetat ein Schwangerschaftstest empfohlen - falls man schon im letzten Zyklus unwissentlich schwanger geworden ist. Denn es ist nicht klar, ob die Pille dem Baby schaden könnte.
Levonorgestrel wirkt umso besser, je früher es genommen wird. Innerhalb von zwölf Stunden wird eine Schwangerschaft zu über 90 Prozent verhindert, nach zwei Tagen zu 60 Prozent. Ulipristalacetat bleibt nach der Verhütungspanne fünf Tage lang gleich wirksam, hat aber mehr Nebenwirkungen. Es hilft also bei Pannen, die länger als zwei Tage her sind. Wenn man innerhalb von drei Stunden nach der Einnahme brechen muss, nimmt man eine weitere Pille, möglichst zusammen mit einem Mittel gegen Übelkeit. Und: Bis zur nächsten Blutung muss man unbedingt zusätzlich, zum Beispiel mit Kondomen, verhüten. Kupferspirale und Kupferkette verhindern innerhalb von fünf Tagen zu über 90 Prozent eine Schwangerschaft.
Die Verschreibungspflicht der Pille danach ist aktuell in der politischen Diskussion. Noch gilt in Deutschland (im Gegensatz zu fast allen anderen europäischen Ländern): Man braucht dafür ein Rezept, z. B. von der Frauenärztin, dem Hausarzt oder einer Ärztin von Pro Familia. Am Wochenende hilft der ärztliche Notdienst. Spirale oder Kupferkette sind nur zu Praxiszeiten eine Option. Die Spirale kann jede Frauenärztin einsetzen, die Kupferkette verwenden bisher nur wenige Ärzte. Ganz neu ist die Möglichkeit, sich ein Rezept für die Pille danach im Internet zu besorgen, über die Londoner Online-Artzpraxis www.drEd.com, die von drei deutschen Ärzten betrieben wird. Die betroffenen Frauen müssen dafür lediglich einen Online-Fragebogen ausfüllen und bekommen das Medikamt per Expresssendung am folgenden Morgen. Allerdings gibt es beim Online-Arzt derzeit nur das Präparat mit dem Hormon Levonorgestrel, das spätestens drei Tage nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden muss.
Die Pille danach kostet je nach Wirkstoff 18 oder 35 Euro. Bis zum 20. Geburtstag zahlt die Kasse, ab 18 Jahren muss man 5 Euro selber tragen. Spirale und Kupferkette muss man selber zahlen (mit Einsetzen rund 150 bis 400 Euro).
Levonorgestrel führt nicht zu Missbildungen beim Baby. Für Ulipristalacetat gibt es noch keine endgültige Bewertung.
Dauerhafte Nebenwirkungen gibt es bei gesunden Frauen nicht. Häufig sind bei Levonorgestrel aber Kopf- oder Bauchschmerzen, Brustspannen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen. Ulipristalacetat hat mehr Nebenwirkungen, u. a. auch Stimmungsschwankungen oder Schlafstörungen. Die nächste Regel kann bei beiden zu früh oder zu spät kommen.
Hängt davon ab, wie weit man im Zyklus ist. Die kritische Phase beginnt etwa sechs Tage vor dem Eisprung (weil Spermien so lange überleben) und endet einen Tag danach (weil die Eizelle schnell abstirbt). Der Eisprung liegt in der Mitte des Zyklus, also etwa 14 Tage nach Beginn der Blutung. Bei regelmäßigem Zyklus hat man so schon mal einen Anhaltspunkt. Wenn man die Pille vergessen hat, kommt es darauf an, wie oft und wann. Außer bei der Minipille hat man zwölf Stunden Zeit, eine vergessene Pille noch zu nehmen. Eine ausgelassene Pille am Ende des Zyklus ist weniger gefährlich als am Anfang. Auf der Website www.familienplanung.de können sich Pillenvergesser durch Fragen klicken und bekommen Rat, was zu tun ist.
Im Prinzip ja: Viele Verhütungspillen enthalten Levonorgestrel (in geringerer Dosis). Man könnte also theoretisch mehrere Pillen auf einmal schlucken. Allerdings enthalten sie (außer der Minipille) zusätzlich auch ein Östrogen - davon würde man eine Riesenmenge abbekommen. Man sollte auf die Notfallverhütung Marke Eigenbau also allenfalls im australischen Outback setzen.