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Frauenrechte im Iran Warum Frauen weltweit gegen das islamische Rechtssystem protestieren

Menschen demonstrieren in Köln gegen den Krieg und für Menschenrechte
Tausende demonstrierten am 05. November 2022 in Köln für Menschenrechte, Gleichberechtigung und gegen Krieg.
© IMAGO / aal.photo
Eine "angemessene Kleidung" zu tragen, ist nur eine der Richtlinien, an die sich Frauen im Iran zu halten haben. Es ist aber nicht der einzige Grund, warum Menschen weltweit protestieren.

Nachdem die 22-jährige Mahsa Amini kurz nach der Polizeigewahrsam im Krankenhaus verstirbt, gehen die Menschen im Iran auf die Straße. Der Grund für die Festnahme der jungen Frau: Sie soll ihre Kleidung nicht ordnungsgemäß getragen haben.

Die Bevölkerung glaubt, dass die Sittenpolizei Gewalt angewendet und somit den Tod Aminis zu verantworten hat. Von Regierungsseite wird das bestritten: Mahsa Amini sei bereits zuvor krank gewesen, heißt es. Im September 2022 starteten die ersten Proteste im Iran, die inzwischen weltweit weitergetragen werden. In Solidarität schneiden sich Frauen vor iranischen Botschaften die Haare ab oder filmen sich dabei selbst. Bei den Demonstrationen im Iran kommt es dabei immer wieder zu Verhaftungen, Verletzten und Toten.

Feststeht: Mahsa Aminis Tod hat wohl eine der größten feministischen Bewegungen eingeleitet. Frauen und auch Männer gehen in dem Land auf die Straße, um gegen das Regime zu protestieren. Denn nicht nur die Kleiderordnung wird Frauen vorgeschrieben, oder dass eine Tochter nur die Hälfte von dem erben darf, was ihr Bruder erhält. Die Scharia, das islamische Rechtssystem, das als vollkommene Ordnung Gottes verstanden wird und dessen Kern der islamischen Gesetze, das Ehe- und Familienrecht, schränken ihre Freiheit stark ein. 

Nach draußen nur mit Männererlaubnis

Das Ehe- und Familienrecht definiert, dass der Mann nach einer Eheschließung das folgende Recht erhält: den Gehorsam der Ehefrau. Das seien Entscheidungen, die den außerhäuslichen Bereich der Ehefrau betreffen, wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGfM) schreibt. Das Verlassen der Wohnung ist einer Frau also nicht selbst überlassen. Durch die Regelung ist sie dazu verpflichtet, den Weisungen ihres Mannes zu folgen und ist ihm bei Ausgängen Rechenschaft schuldig. Verstößt sie gegen diese Pflicht, kann sie ihren Unterhalt verlieren.

Eine Frau kann ohne Zustimmung ihres Mannes auch nicht das Land verlassen, geschweige denn einen Reisepass beantragen. Vor der Heirat liegt dieses "Recht der Familienführung" beim Vater. Selbstständige und eigenverantwortliche Frauen sind damit im klassischen islamischen Recht quasi ausgeschlossen. Verheirateten Frauen wird häufig von ihren Ehemännern untersagt, zu arbeiten. Sie sind daher finanziell von ihnen abhängig.

Scheidungen fast unmöglich – für Frauen

In einer Ehe verlieren Frauen weitere Rechte, während der Mann neue (über sie) dazu gewinnt. Beispielsweise ein "Recht" auf sexuellen Gehorsam oder ein Züchtigungs-"Recht", berichtet die IfGM. Er kann seine Frau ohne Unterhalt verstoßen, während sie sich aus eigenem Willen nur schwer scheiden lassen kann.
"Sighe", die Zeitehe, ist im Iran legalisiert. Sie erlaubt zeitlich begrenzte Ehen zwischen 30 Minuten und 99 Jahren. Ohne eine Ehe ist es nach dem islamischen Rechtssystem nicht gestattet, Sex zu haben. Frauen in finanzieller Not sehen sich häufig zu Sighe gezwungen, um nicht in Armut zu verfallen. Selbst im Gefängnis findet sie zwischen Frauen und Gefängniswächtern statt, die die Betroffenen nach der Eheschließung ohne rechtliche Folgen sexuell missbrauchen können.

Das Recht auf eine Zeitehe ist Männern selbst dann erlaubt, wenn sie bereits verheiratet sind, ihre feste Ehefrau muss nicht informiert werden – die islamische Republik Iran ist das einzige Land, in dem die Zeitehe legal ist, auch für Pilger irakischer oder afghanischer Herkunft ist sie zulässig. Für eine Zeitehe, die auch als "Genussehe" verstanden wird, braucht eine volljährige Frau keinen Vormund. Es werden weder Zeugen noch Imam oder Richter benötigt, berichtet IGfM. Neben dem zeitlichen Rahmen wird unter anderem eine "Ehegabe", also die Kosten für den Mann, die an die Frau ausgerichtet werden müssen, vertraglich festgehalten.

Kinder, die zu Frauen werden

Seit einer Gesetzesänderung von 1981 galten Mädchen im Iran ab 9 Jahren, Jungen mit 15 Jahren volljährig. Das legitimierte die Verheiratung von Kindern. 1994 unterzeichnete der Iran die internationale Kinderrechtskonvention, Islamisches Recht ging aber weiterhin vor.

Im Jahr 2000 wurde das Alter für die Volljährigkeit von Mädchen auf 13 Jahre hochgestuft. Jüngere Kinder brauchen die Erlaubnis eines Gerichts. Mütter oder weibliche Familienmitglieder sowie die zu verheiratenden Kinder selbst können in den Entscheidungsprozess nicht eingreifen und haben kein Mitspracherecht.
Im Normalfall endet damit auch die Schulbildung für das Kind. Es ist außerdem einem erhöhten Risiko ausgesetzt, von dem oftmals sehr viel älteren Ehepartner häusliche Gewalt und Missbrauch in der Ehe zu erfahren. Forschungen haben ergeben, dass es seltener religiöse Gründe sind, die zu diesen Ehen führen. Stattdessen sind es meist die finanzielle Not von Familien und wirtschaftliche Faktoren.

In welcher Lage sind Frauen im Iran?

Trotz der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen im Iran ist das Land eines, in dem Frauen ihre Stellung in der Gesellschaft schon lange verteidigen. Zwei Drittel aller Studierenden sind weiblich, weswegen an Hochschulen sogar eine Männerquote eingeführt wurde. Frauen haben außerdem ein Drittel aller akademischen Doktorgrade des Landes inne, wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGfM) schreibt. Sie machen ein Drittel aller Arbeitskräfte aus und sind in den verschiedensten Berufen tätig. Darunter auch als Journalistinnen oder Fotografinnen.

Eine gewisse Unterstützung aus der männlichen Bevölkerung scheint es also schon seit längerer Zeit zu geben, wenn man bedenkt, dass viele Dinge für Frauen ohne männliches Einverständnis verwehrt bleiben. Wie unter anderem auch das Recht zu arbeiten. Die Frauenrechtsbewegung, der sowohl Männer als auch Frauen angehören, lief vor den weltweiten Protesten bereits, überwiegend aber im Untergrund.

Mehrere Länder beziehen sich auf das Schariarecht

Festgelegte Strafen der Scharia sind unter anderem Steinigungen und Peitschenhiebe für Vergehen wie Sex vor der Ehe oder das Trinken von Alkohol. Selbstjustiz ist bei Strafen nicht erlaubt, sie müssen von einem Richter verhängt werden. Neben Frauen werden im Iran durch das Recht Nicht-Muslime oder ethnische Minderheiten diskriminiert. Nach Familien- und Prozessrecht haben Zeugenaussagen von Frauen und Nichtmuslimen nur den halben Wert der Aussagen muslimischer Männer, wenn diese überhaupt in einem Prozess zugelassen werden.

Auch andere islamisch geprägte Staaten wie beispielsweise Ägypten oder die Vereinigten Emirate beziehen sich auf das Schariarecht, allerdings in unterschiedlichen Ausprägungen. Kinderehen sind ebenfalls in vielen Ländern beispielsweise Äthiopien oder Indien erlaubt. 

Verwendete Quellen: igfm.de, tagesschau.de, amnesty.org, humanrights.ch, bamf.de, bpb.de, unicef.de

lkl Brigitte

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