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Guido Maria Kretschmer "Überall, wo Menschen Macht haben, werden sie das ausnutzen"

Guido Maria Kretschmer
© GABO
Macht bekommt jede und jeder früher oder später zu spüren. Auch Designer Guido Maria Kretschmer wurde in seinem Leben bereits mit dem Thema Machtmissbrauch konfrontiert. Was sich ändern muss und was er Betroffenen rät, erzählt er im Interview.

BRIGITTE: Du hast dich in deinem neuen Buch "19521 Schritte" mit unerwarteten und schönen Begegnungen auseinandergesetzt. In zwischenmenschlichen Beziehungen können auch Machtgefälle entstehen, die im schlimmsten Fall ausgenutzt werden. Hast du selbst schon einmal Erfahrungen mit Machtmissbrauch gemacht?

Guido Maria Kretschmer: Natürlich, wie jeder von uns. Niemand wird nach vorne marschieren, ohne auf Menschen zu treffen, die den Weg sehr steinig machen. Überall, wo Menschen Macht und auch Geld haben, werden sie das ausnutzen. Du kannst von Glück reden, wenn du in einem liebevollen Elternhaus aufgewachsen bist, mit Menschen oder auch Lehrern, die dich mögen. Meine Mama hat immer gesagt: "Du machst es den Leuten auch leicht, dich zu mögen." Trotzdem habe ich in meinem Job irgendwann auch schlechte Menschen kennengelernt. Gerade als junger Designer.

Was genau ist passiert?
Leute haben mich abfahren lassen und ihre Macht missbraucht. Mich beleidigt, mir Jobs verweigert, Sachen kopiert, mich von oben herab behandelt – woran man wirklich kaputt gegangen ist. So sehr, dass ich manchmal wirklich den Tränen nahe war. Aber nicht nur in der Modebranche, auch bei der Bank wurde ich als junger Mensch fallengelassen. Ich habe so hart gearbeitet und brauchte einfach Unterstützung, um noch größer zu werden und zu wachsen, aber da gab es einige, die ihre Macht missbraucht und mir Steine in den Weg gelegt haben.
Was genau waren das für Leute?

Männer, aber manchmal sind es auch Frauen. Männer können es besser. Ich glaube, es wäre wichtig, dass mehr Frauen in wichtigen Positionen sind. Deswegen muss man auch über Quoten reden, damit Frauen die Chance haben, gleich behandelt zu werden. Nicht umsonst gibt es die ganze #metoo-Debatte. Wie wäre es, wenn wir es in nur für fünf Jahre schaffen würden, Frauen die Welt machen zu lassen? Sie in wichtige Positionen zu bringen? Ich bin mir sicher, dann wären wir viele Krisen erst einmal los. Keine Frage, man kann diese Männer-Frauen-Sache nicht verallgemeinern, aber eine weniger patriarchalische Gesellschaft würde uns sicher helfen, weil Macht dann auch ganz anders erzählt werden würde.

Was glaubst du, weshalb Menschen ihre Macht missbrauchen?
Vielleicht weil es menschlich ist, vielleicht auch, weil man gerade Menschen mit einem schwachen Geist oder einer schwachen Persönlichkeit zeigen kann, wer hier der oder die "Größere" ist. Manche Menschen müssen das jeden Tag spüren. Und manche tun es auch, weil sie im Grunde nur Angst davor haben, selbst Opfer zu werden.
Was würdest du Menschen raten, die Opfer von Machtmissbrauch geworden sind?

Aktiv werden und darüber reden. Allianzen bilden und sich vielleicht auch eine Art Mentor suchen, der dich im richtigen Moment unterstützt. Über Dinge zu sprechen ist eine große Chance, die wir als Menschen haben. Auch wenn man sie nicht immer beschreiben kann, ist es trotzdem gut, zu sagen: Ich fühle mich schlecht behandelt. Das ist das Recht, das jeder von uns hat. Und ein Appell an alle Unternehmen: Passt auf, wen ihr befördert. Empathie ist eine unterschätzte Eigenschaft, auch bei Führungskräften.

Brigitte

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