Anzeige

Gewalt durch Frauen: Brauchen wir Männerhäuser?

Wer schlägt häufiger zu - Männer oder Frauen? Brauchen wir Männerhäuser? Zur Debatte über Gewalt in Familien sprach BRIGITTE.de mit Wolfgang Rosenthal von der "Männer-Wohnhilfe e.V." in Oldenburg.

Die Thesen des Soziologen Gerhard Amendt und seine Forderung die Frauenhäuser abzuschaffen, haben zu einer hitzigen Debatte geführt. Immer wieder kam die Frage auf, ob es für Männer ein ähnliches Angebot geben muss, wie Frauenhäuser für Frauen. In Oldenburg gibt es seit fast zehn Jahren ein kleines, aber einzigartiges Projekt: die "Männer-Wohnhilfe e.V.". Wolfgang Rosenthal, 51, Sozialpädagoge und ehrenamtlicher Geschäftsführer, spricht im BRIGITTE.de-Interview über Ziele und Erfahrungen des Vereins.

image

BRIGITTE.de: Was genau bietet Ihr Verein Männern an?

Wolfgang Rosenthal: Eine Dreizimmer-Wohnung, für einen Mann mit Kindern oder zwei Männer ohne Kinder. Dort können sie bis zu einem Vierteljahr übergangsweise für 70 beziehungsweise zu zweit für 40 Euro in der Woche leben.

BRIGITTE.de: Wie kamen Sie auf diese Idee?

Wolfgang Rosenthal: Hintergrund war, dass es in unserer Gesellschaft keine Unterstützungsangebote für Männer gibt, die zum Beispiel eine Trennung erwägen. Wir wollten ihnen eine Möglichkeit bieten, damit sie eine realistische Alternative zu ihrem bisherigen Leben aufbauen können.

BRIGITTE.de: Aus welchen Gründen kommen Männer zu Ihnen?

Wolfgang Rosenthal: Weil sie sich trennen wollen oder ausziehen müssen, weil die Frauen das wollen. Die Wohnung bietet die Möglichkeit, bei einer Krise nicht gleich eine Regelung finden zu müssen, die auf Dauer angelegt ist, und die dann gleich hohe Kosten verursacht. Denn kaum eine Familie kann sich aus eigener Kraft zwei Wohnungen leisten. Wenn aber die Trennung wegen des Geldes gleich gegenüber Ämtern und Anwälten als dauerhaft ausgeben werden muss, löst das oft eine negative Dynamik aus. Dies wollen wir verhindern und eine Zwischenlösung ermöglichen.

BRIGITTE.de: Wie wird das Angebot angenommen?

Wolfgang Rosenthal: Wir bieten die Wohnung seit siebeneinhalb Jahren an und sind immer ausgebucht. Das hätten wir am Anfang auch nicht gedacht. In der ersten Zeit gab es mal ein paar Tage Leerstand, aber das kommt jetzt nicht mehr vor.

BRIGITTE.de: Nehmen Sie nur Männer aus Oldenburg auf, oder aus der ganzen Bundesrepublik?

Wolfgang Rosenthal: Wir nehmen nur Männer aus Oldenburg auf, wobei wir das nicht zu eng sehen, wenn mal jemand aus einem der Nachbardörfer anfragt. Aber wir bekommen Anfragen aus ganz Deutschland.

BRIGITTE.de: Gibt es denn mehrere solcher Angebote in Deutschland?

Wolfgang Rosenthal: Es gibt noch ein Angebot in Berlin, aber das hat ein anderes Konzept. Unser Weg basiert auf dem Selbsthilfe-Gedanke. Wir wollen einfach das Machbare machen. Männer sind eher Leute, die sich erst am Konkreten orientieren und dann die Fragen des Lebens aufwerfen - und sie möchten das in einer Art und Weise tun, die möglichst wenig schambesetzt ist. Bei uns können sie kein gesellschaftlich finanziertes Angebot abrufen, sie kommen nicht als Bittsteller zu uns, sondern wir reden mit ihnen auf Augenhöhe.

BRIGITTE.de: Bieten Sie denn auch Beratung und Begleitung an?

Wolfgang Rosenthal: Jein. Zunächst ist es wirklich nur das konkrete Angebot: Wohnen. Und das erhält man nur, wenn man ein Beratungsgespräch mit zwei Männern aus unserem Verein macht. Diese Zugangsvoraussetzung hat sich als sehr hilfreich erwiesen. Wir haben noch nie Ärger gehabt, obwohl wir durchaus auch schon relativ problematische Männer bei uns hatten. Bei uns bekommen die Männer ganz klar gesagt: Hier hast Du die Wohnung, für die Du Sorge zu tragen hast, Du zahlst soundso viel, wir sehen uns ein Mal in der Woche, und ansonsten musst Du Dein Leben auf die Reihe kriegen. Ich glaube, das ist genau das, was Männer in solchen Situationen brauchen. Wenn sie Beratung möchten oder Unterstützung, helfen wir mit Adressen oder auch persönlich.

BRIGITTE.de: Nehmen Sie auch Männer auf, die ihre Frauen geschlagen haben?

Wolfgang Rosenthal: Wir haben das nie ausgeschlossen. Weil wir überzeugt sind, dass wir mit einem reinen Schwarz-Weiß-Denken der Gesamtproblematik nicht gerecht werden. Das hilft weder den Familien noch dem Einzelnen. Aber wir hatten ganz wenige Männer, bei denen es überhaupt zu Gewalttätigkeiten gekommen ist - und bei den meisten waren es dann auch gegenseitige Tätlichkeiten. Das ist ja das Bedrückende: Weder wir, noch die Frauenhäuser kommen wirklich gut an die Familien ran, in denen massiv Gewalt ausgeübt wird.

BRIGITTE.de: Gibt es denn auch Männer, die häufiger wiederkommen?

Wolfgang Rosenthal: Nein, sehr wenige kamen bisher zwei Mal.

BRIGITTE.de: Würden Sie sagen, Ihr Angebot ist besser als das von Frauenhäusern?

Wolfgang Rosenthal: Nein, nicht besser, sondern anders. Ich sehe das ungern in Konkurrenz. Es gibt auch Frauen, die so ein Angebot wie das unsere klasse fänden. Auch, weil bei uns der präventive Aspekt im Vordergrund steht. Man muss sich ja nicht erst schlagen lassen, bevor man geht. Ich glaube, der grundsätzliche Unterschied ist, dass es bei uns eher darum geht, Männer in die Lage zu versetzen, ihr eigenes Leben wieder in den Griff zu bekommen. Und dass man bei uns keinen Stempel haben muss, als Täter oder Opfer. Das ist, auch aus der Geschichte heraus, bei Frauenhäusern anders. Frauen sind eher bereit, sich als Opfer zu definieren, um Hilfe zu erhalten.

BRIGITTE.de: Jetzt sind wir bei Professor Amendt. Er fordert die Frauenhäuser zu schließen, weil sie die Frauen einseitig als Opfer sähen und den Männerhass schürten.

Wolfgang Rosenthal: Diese fachlich begründete Kritik an der Arbeit der Frauenhäuser darf man nicht pauschalieren. Amendt hat das provokativ zugespitzt. Darüber kann man was anstoßen - aber ich glaube, die Abschaffung will keiner wirklich.

BRIGITTE.de: Das heißt, Amendts These, Gewalt gehe vornehmlich von Frauen aus, können Sie aus Ihrer Erfahrung nicht bestätigen.

Wolfgang Rosenthal: Ich finde diese Diskussion müßig. Ich halte nichts davon zu sagen, es sind 51 Prozent Frauen zu 49 Prozent Männer oder 65 zu 35. Wichtig ist doch, klar zu sagen: Es gibt für beide Geschlechter die Option, gewalttätig zu sein. Da gibt es sicherlich strukturelle Unterschiede. Aber die Diskussion bringt uns nicht weiter - auch die Betroffenen nicht. Klar ist aber auch, es gibt Männer, die Opfer sind. Für die müssen wir was tun, die stehen nämlich meist überhaupt nicht im Blickfeld. In der Diskussion, wer mehr oder weniger zuschlägt, geht es eher darum: Wie kommen wir als soziale Einrichtung an die Fleischtöpfe, sprich ans Geld. Es ist nach wie vor ein großes Problem in unserer Gesellschaft, dass Männer da einfach ausgegrenzt werden. Männer als Opfer werden von der Gesellschaft lächerlich gemacht. Es wird so getan als müsste sich man sich nicht um diesen Aspekt der Männlichkeit kümmern.

BRIGITTE.de: Sollte es Ihrer Meinung mehr Angebote wie die "Männer-Wohnhilfe" in Oldenburg geben?

Wolfgang Rosenthal: Ja. Das würde auch den Bedarf öffentlich machen. Und für die Männer würde es jederzeit eine verfügbare Handlungsalternative geben. Ohne diese Möglichkeit, bleiben die Männer oft in einer Beziehung bis es wirklich eskaliert. Wenn wir präventiv wirken wollen, müssen wir den strukturell überlasteten Kleinfamilien zur Seite stehen. Und das müssen wir für beide Geschlechter gemeinsam denken.

BRIGITTE.de: Alle Themen im Überblick

Interview: Silke BaumgartebFoto: iStockphoto.com

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel