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Pinkstinks: Mädchen sind bunter als nur rosa

Mädchen werden im Marketing zu rosa Prinzessinnen, Jungs dürfen alles sein. Stevie Schmiedel will mit ihrer Initiative "Pinkstinks" endlich aufräumen mit Sexismus in Werbung und Spielzeugregal.
keine Bildunterschrift
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© Pinkstinks

Jeder kennt die Farb-Vorschriften für Neugeborene: Rosa für Mädchen, Hellblau für Jungs. Wenn aus den Babies Kinder werden, wird für die Jungen Hellblau nur noch eine Farbe unter vielen. Mädchen bleiben stattdessen auf Rosa sitzen. Warum eigentlich? Eine britische Facebook-Kampagne gegen den Prinzessinnen-Wahn mit dem Titel "Pinkstinks" war so erfolgreich, dass die mit den Initiatorinnen befreundete Hamburgerin Stevie Schmiedel das Motto für Deutschland übernahm. Längst ist aus Ihrer Initiative mehr geworden als Online-Protest gegen Spielzeug: "Pinkstinks" möchte auch auf politischer Ebene eine Stimme gegen Sexismus und Diskriminierung sein. Am 1. September veranstaltet "Pinkstinks" gemeinsam mit anderen Organisationen eine große Demonstration gegen Sexismus in der Werbung. Im BRIGITTE.de-Interview erzählt Stevie Schmiedel warum die Monokultur im Spielzeugregal so schädlich ist, und warum sie die Werbebranche nicht bekämpfen, sondern überzeugen möchte.

Stevie Schmiedel, "Pinkstinks"
Stevie Schmiedel, "Pinkstinks"
© Pinkstinks

BRIGITTE.de: Sexistische Werbung ist ein Feminismus-Dauerbrenner, der in den letzten Monaten plötzlich großen Aufwind erfährt. Wie kommt es, dass das Thema mit einem Mal wieder so präsent ist?

Stevie Schmiedel: Immer mehr Menschen sprechen das Thema online an. Kampagnen wie #Aufschrei oder "One Billion Rising" wären früher, ohne die sozialen Netzwerke wie Twitter oder Facebook, gar nicht möglich gewesen.

BRIGITTE.de: Spielt auch der Generationsunterschied zwischen "alten" und "neuen" Feministinnen eine Rolle?

Stevie Schmiedel: Auf jeden Fall. Pinkstinks richtet sich allein durch Sprache und Optik stärker an jüngere Verbraucher. Und: Wir haben sehr viele Männer bei uns, sowohl bei den Facebook-Fans als auch im Pinkstinks-Team. Ein gutes Drittel der Unterzeichner unserer Petitionen sind Männer. Das ist eine neue Generation, die einfach keinen Bock mehr auf die alten Klischees hat und sich von sexistischer Werbung auch nicht mehr angesprochen fühlt.

BRIGITTE.de: Tatsächlich, eine Männer-Initiative gegen Sexismus?

Stevie Schmiedel: Die sagen mittlerweile: Moment, ICH mache zuhause die Wäsche, wäre schön, wenn ihr Werber mich auch mal informieren würdet. Männer haben auch keine Lust mehr, nur als Machos dargestellt zu werden. Da ändert sich gerade viel, und wenn Menschen heutzutage von Klischees genervt sind, beteiligen Sie sich schnell an einer Netzpetition.

BRIGITTE.de: Viele Eltern sind auch genervt von dem rosa Glitzerspielzeug für Mädchen. Die Kinder selbst kriegen aber nicht genug von dieser Prinzessinnen-Welt. Ist es wirklich sinnvoll, das alles abzuschaffen?

Stevie Schmiedel: Natürlich nicht! "Pinkstinks" heißt nicht, dass wir Rosa doof finden, sondern die "Pinkifizierung" von Kinderprodukten. Mädchen werden darauf reduziert, das rosa Topmodel zu spielen, und für Jungs ist alles in Pink tabu. Wenn "Experten" behaupten, das sei genetisch in den Geschlechtern angelegt, ist das Quatsch. Es geht ganz klar um Marketing und darum, welches Frauenbild es vermittelt.

"Monster High": Andere Farbe als Barbie, gleiches Schönheits-Ideal
"Monster High": Andere Farbe als Barbie, gleiches Schönheits-Ideal
© Mattel

BRIGITTE.de: Besser wäre: Alle Prinzessinnen rausschmeißen und durch emanzipierte Frauen ersetzen?

Stevie Schmiedel: Auf keinen Fall! Wir stellen jetzt nicht die Mathe-begeisterte Skaterin der Prinzessin als das überlegene Modell gegenüber und sagen: DAS wollen wir erreichen. Was wir uns wünschen, ist Vielfalt.

BRIGITTE.de: Niemand will Kindern die Barbies wegnehmen?

Stevie Schmiedel: Mit Puppen spielen, sich schön machen - das macht ja Spaß. Aber das kann nicht alles sein. Spielzeug für Jungen ist nicht nur farblich bunter, sondern bietet auch inhaltlich mehr Abwechslung. So ein breites Angebot muss auch für Mädchen drin sein. Noch besser wäre natürlich, Spielwaren gar nicht erst in Jungs- und Mädchen-Schubladen zu stecken, sondern beide Geschlechter anzusprechen.

BRIGITTE.de: Eine kreative Herausforderung an die Werber: Denkt euch mal aus, wie man ohne rosa Rollenklischees Spielzeug verkaufen kann?

Stevie Schmiedel: Genau, wobei es um mehr als nur die Farbe geht. Aktuell sind "Monster High"-Figuren sogar beliebter als Barbies. Das sind Puppen im dunklen Gothic-Stil. Rosa sind die nicht, aber sie sehen aus wie die Heroin-Chic-Models aus den Neunzigern - damit ist auch nichts gewonnen.

BRIGITTE.de: Hat der Werberat schon auf Ihre Initiative reagiert?

Stevie Schmiedel: Die sind sehr aktiv und haben von Anfang an das Gespräch mit uns gesucht. Für Oktober haben sie uns zu einem "Frauen in der Werbung"-Symposium eingeladen. Der Werberat nimmt auch unsere Petitionen an, da bewegt sich schon was.

BRIGITTE.de: Also: Lieber Kommunikation als Konfrontation?

Stevie Schmiedel: Wir wollen niemanden angreifen, sondern erklären, was in der Werbung falsch läuft. Neulich haben wir eine Supermarkt-Reisekampagne gelobt, in der eine kleine Piratin die Welt erobert. Wir möchten mit der Industrie zusammenarbeiten, damit weiter solche kleinen Schritte passieren.

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BRIGITTE.de: In den USA wurden gerade glitzerige Technik-Sets für Mädchen entwickelt, komplett mit Prinzessinnen-Rahmengeschichte. Trotz Klischees ein Projekt, was Sie begrüßen.

Stevie Schmiedel: Ja, dafür wurden wir auch kritisiert. Aber bei so was sind wir nicht dogmatisch: Wir unterstützen das Projekt, weil es einen neuen Impuls in die monotone Mädchen-Spielzeugwelt bringt. Das ist schon ein kleiner Fortschritt.

BRIGITTE.de: Es geht Ihnen nicht nur um Kinder-Marketing, sondern auch um sexistische Werbung allgemein. Was sollte konkret aus der Werbung verschwinden?

Stevie Schmiedel: Das genau zu definieren ist schwierig. Wir von "Pinkstinks" erarbeiten gerade mit einem breiten Bündnis Kriterien für geschlechtsdiskriminierende Werbung. Wo zieht man da am besten die Grenze, ohne dass es zur radikalen Zensur kommt? Da werden wir sehr vorsichtig rangehen - wir wollen dem Werberat keine völlig überzogenen Forderungen vor den Latz knallen, sondern positive Veränderung bewirken.

BRIGITTE.de: Und wenn der Werberat Ihre Kriterien dankend ablehnt?

Stevie Schmiedel: Andere Länder wie Spanien und Norwegen haben sogar gesetzliche Regeln gegen diskriminierende Werbung. Deutschland hat das noch nicht, und auch daran arbeiten wir. Unser Wunsch ist, dass bis 2016 eine erste Gesetzesinitiative in den Bundestag kommt.

BRIGITTE.de: Haben erste Parteien schon Interesse an der Inititative gezeigt?

Stevie Schmiedel: Ja, auf unsere Anfrage haben mehrere Mitglieder des Bundestages signalisiert, dass sie mit uns zusammenarbeiten möchten. Aber bevor es da weitergehen kann, müssen wir erst die Diskriminierungs-Kriterien festlegen.

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