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Ildikó von Kürthy gibt zu: "Meine CO2-Bilanz ist unterirdisch!

Ildiko von Kürthy
© Frank Grimm
Bestsellerautorin Ildikó von Kürthy fragt sich: Kann ich trotzdem die Welt retten – oder sollte sie sich lieber nicht auf mich verlassen?

Die Gurke hat mir den Rest gegeben. Sie war zu meinem Feindbild geworden, zum in Plastik verpackten Bösen. Die eingeschweißte Bio-Salatgurke ruinierte meine CO2-Bilanz und wurde zum Synomym für misslungene Nachhaltigkeit.

Der Handel reagierte auf das gesellschaftliche Unbehagen. Seit Wochen kaufe ich meine Gurken nun unverpackt - und mit dem guten Gefühl, etwas für das Klima und die Zukunft meiner Kinder zu tun.

Mein größte Umweltsünde? Die Kinder

Dann musste ich jedoch lesen, dass die Öko-Bilanz einer verpackten Gurke besser ist, als die einer unverpackten, dass Bambus-Geschirr zu 70 Prozent aus Plastik besteht und ich, nebenbei bemerkt, meine größte Umweltsünde längst und unwiderruflich begangen habe: Eine umfangreiche schwedisch-kanadische Studie kam zu dem Schluss, die wirksamste Maßnahme zum Klimaschutz, die jeder für sich persönlich ergreifen könne, sei, keine Kinder in die Welt zu setzen.

Der Verzicht auf ein teures, schluckfreudiges Auto bringt immerhin bis zu 5,3 Tonnen pro Jahr, der Verzicht auf ein teures, voll ausgestattetes Kind spart bis zu 58,6 Tonnen CO2-Äquivalent-Ausstoß pro Jahr.

Und dann dachte ich an die junge Greta Thunberg, die auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos sagte: "Ich möchte nicht, dass ihr voller Hoffnung seid, sondern voller Panik. Ich möchte, dass ihr dieselbe Angst spürt, die ich jeden Tag spüre."

Durch Gurke und Greta derartig entmutigt und mit dem Gefühl, dass ich ohnehin nicht genug tun kann und mich im Dschungel der Nachhaltigkeits-Sünden nicht mehr auskenne, wende ich mich an Ilona Koglin, Nachhaltigkeits-Aktivistin, Change-Beraterin, Mit-Gründerin der Initiative Und Jetzt retten WIR die Welt und Co-Autorin des sehr inspirierenden, gleichnamigen Buches.

Ich lerne: Man sollte da anfangen, wo es einem leicht fällt

Ich frage sie: "Ich will ein Change-Projekt werden. Was kann ich tun, was muss ich lassen, und ist es nicht sowieso schon zu spät?"

Und ich bekomme eine unerwartet verständnisvolle Antwort: "Wir tappen auch beim Klimaschutz zu schnell in die Optimierungsfalle, setzen uns unter Leistungsdruck und neigen dazu, alles sofort ändern und richtig machen zu wollen. Meine Philosophie ist die der Freude und der Geduld – trotz des Bewusstseins, dass Veränderungen sehr dringend notwendig sind.

Der persönliche, öko-soziale Wandel hat für mich mit Empathie und emotionaler Erkenntnis zu tun. Es gibt viele Möglichkeiten, Gutes zu tun, und man sollte da anfangen, wo es einem leicht fällt, wo die eigenen Kompetenzen liegen. Das kann klimafreundliches Kochen oder Reisen sein, Slow Fashion zu unterstützen, eine Büchertauschbörse zu organisieren oder einfach zunächst nur großzügig und freundlich zu handeln."

"Der eigene Beitrag kommt einem schnell popelig vor, angesichts der weltumspannenden Größe des Problems", sage ich verzagt und denke an meine eigene Inkonsequenz in vielen Belangen. Plastik sparen, aber nach Italien fliegen. Fleischkonsum verringern, aber beim Wiener Schnitzel schwach werden. "Natürlich müssen wir uns mehr anstrengen, als wir es bisher getan haben, aber ich bin eine Freundin der Experimente und der kleinen Schritte", sagt Ilona Koglin. "Denn jeder Schritt setzt einen Prozess in Gang."

Und diesen ersten Schritt sollte man voller Hoffnung tun. Angst war noch nie ein verlässlicher Ratgeber. Und Inkonsequenz ist immerhin stets die Nebenwirkung des Bemühens - um Konsequenz.

BRIGITTE 14/2019

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