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Sind Frauennetzwerke eine Falle?

Sind Frauennetzwerke eine Falle?
© Monkey Business Images / Shutterstock
Während sich Männer im Job oft gegenseitig nach oben helfen, treten Frauen allzu oft auf der Stelle. Vor allem, wenn sie beim Austausch unter sich bleiben. Sind Frauennetzwerke in Wahrheit eine Falle?

Sie waren zu zweit, und sie brauchten keine fünf Minuten, um meine Laune zu verderben. Zwei tolle Kolleginnen, meinungsstark und ehrgeizig, mit denen ich mich auf eine Mittagspause verabredet hatte. Dabei erzählte ich ihnen, wie sehr ich die Zusammenarbeit mit Frauen mag, von meinem Job-Stammtisch in rein weiblicher Besetzung, und warum ich Männer generell schätze, liebe und oft auch brauche, im Berufsleben aber ganz gut ohne sie kann.

Den meisten Männern ist dieses Revierverhalten nicht einmal bewusst, sie folgen einfach einem menschlichen Impuls, indem sie Menschen fördern, die ihnen ähnlich sind.

Doch mitten in meine Schwärmerei wurden die Powerfrauen zu Sauer-Frauen. Alles schön und gut mit Schwesternschaft und Solidarität, aber: In Wirklichkeit hielten sich Frauen in reinen Frauennetzwerken doch gegenseitig auf mittlerer Reiseflughöhe, statt einander höher zu pushen. Wirklich gute (und gut bezahlte) Jobs, wirklich interessante Aufträge würden weiterhin hauptsächlich von Männerhand zu Männerhand vergeben. Und wir müssten dringend mehr und anders mitmischen, um endlich unseren Teil vom Kuchen zu bekommen statt immer nur die Krümel. Das saß. Da hatte ich mir meine weiblich geprägte Jobwelt schöngeredet, und auf einmal waren hier zwei, die nicht nur ein Haar in der Suppe fanden, sondern gleich büschelweise davon. Wir reden uns die Köpfe heiß über Gender-Toiletten, aber im Berufsleben geht es eher zu wie in der Dorfkirche im 19. Jahrhundert: Links sitzen die Männer, rechts die Frauen, säuberlich getrennt. Petra Seisl und Andrea Gutmann, beide als Beraterinnen tätig (www.womenizing.com) und von Berufs wegen mit Netzwerk-Strukturen beschäftigt, können diesen Eindruck bestätigen. Vor einigen Jahren haben die beiden eine Studie über Frauenförderprogramme in Konzernen gemacht und kamen zu ähnlich ernüchternden Ergebnissen: Während Frauen dankbar sind für gut gemeinte Maßnahmen, greifen Männer die guten Jobs ab. Ist das Absicht? Am Ende eine böse, antifeministische Verschwörung? Petra Seisl glaubt das nicht: "Den meisten Männern ist dieses Revierverhalten nicht einmal bewusst, sie folgen einfach einem menschlichen Impuls, indem sie Menschen fördern, die ihnen ähnlich sind. Und das ist eben eher der junge Kollege, der für den gleichen Fußballclub fiebert."

Auch ein kluges Köpfchen ist wichtig: Networking bedeutet Geben und Nehmen mit strategischem Hintergrund

Und so gehen Männer auch das Thema Kontaktpflege eher sportlichspielerisch an: bei der Rudertour am Wochenende, zum Mittagstisch beim Italiener. Also nicht mal eine besonders ausgeklügelte Strategie, aber eine erfolgreiche, von der sich Frauen durchaus eine Scheibe abschneiden können. Das läuft zum Teil über Anpassung – in manchen Kollegenkreisen ist es strategisch schlau, in der Mittagspause einen fundierten Kommentar zur nächsten Champions-League-Runde abzugeben! –, zum Teil, indem man eigene Vorstellungen hinterfragt, sagt Petra Seisl: "Auch Frauen untereinander haben häufig die Schere im Kopf, gehen zum Beispiel davon aus, dass die schwangere Kollegin sowieso nicht weiterdenkt als bis zum Mutterschutz. Dabei muss das gar nicht stimmen." Alles ist hilfreich, was die Kolleginnenrunde öffnet, Perspektiven wechselt, Interesse signalisiert. Dabei geht es nicht unbedingt darum, einen auf dicke Hose zu machen. Andrea Gutmann findet: Offensiv sein ist gut, kluges Verknüpfen nicht minder wichtig. "Networking bedeutet Geben und Nehmen mit strategischem Hintergrund. Ich empfehle Klientinnen, ihre Kontakte auf einem großen Blatt Papier zu visualisieren: Wen kenne ich eigentlich? Und dieses Netzwerk dann regelmäßig zu aktivieren. Wenn ich etwas zu geben habe, dann fällt bei Bedarf auch das Nehmen leichter." Ein Spiel, das Frauen oft sogar besser beherrschen als Alphatier-Gehabe (sympathischer ist’s auch).

Mehrdimensionales Denken ist gefragt: Sich Vorbilder suchen und selbst als Vorbild agieren stärkt untereinander

Um die Geschlechtertrennung aufzubrechen, ist eben mehrdimensionales Denken gefragt. Heißt auch: sich in beide Richtungen zu orientieren, sich also sowohl Mentoren zu suchen als auch selbst zur Mentorin zu werden. Und zwar ohne Ansehen des Geschlechts. Derzeit läuft es nämlich eher so: Während Männer mit wohlwollenden Vorgesetzten über Karrierestrategien sprechen, fragen Frauen auf gleicher Ebene um Rat. Und oft eher dann, wenn es Probleme gibt, als wenn es gut läuft. Das erzeugt Wärme, aber gleichzeitig Stillstand. Besser: Vorbild sein und sich gleichzeitig Vorbilder suchen für die eigene Karriere – Frauen wie Männer. Oft haben auch kleine Gesten große Wirkung: etwa, jeden Tag einen Branchen-Newsletter nicht einfach halb gelesen in den Mail-Papierkorb zu befördern, sondern an jemanden weiterzuleiten, der daran Interesse haben könnte. Oder einem Nachwuchs-Kollegen vor einer Präsentation ein, zwei Insidertipps zu geben: "Jüngere zu fördern ist nicht nur menschlich nett, sondern zahlt sich unter Umständen aus, wenn die an uns vorbeiziehen", sagt Gutmann. Außerdem: sich von Frau zu Frau groß machen, statt einander kleinzuhalten. "Nicht über das Outfit der Kollegin herziehen, sondern ihr lieber ein Kompliment für eine fachlich gelungene Leistung machen", sagt Petra Seisl. Am besten vor versammelter Mannschaft, sodass es alle mitbekommen. Die Vorgesetzte, ihr Stellvertreter und der Werkstudent.

Nicht darauf warten, dass wir gefragt werden, wenn es um Job-Möglichkeiten oder reizvolle Projekte geht!

Bleibt ein Problem, das nicht unbedingt kleiner geworden ist, nur weil das Bewusstsein dafür in letzter Zeit durch die #MeToo-Diskussion gestiegen ist: Was, wenn der Kollege die Anregung zum gemeinsamen Arbeitsessen in den falschen Hals bekommt – weil wir ihn fachlich interessant finden, aber keineswegs als Mann? Da hilft nur Fingerspitzengefühl, findet Gutmann: "Meistens sagt der eigene Instinkt schon ganz gut, welche Kollegen das trennen können – und welche nicht." Auch Tageszeit und Setting setzen Signale: Die Frage nach einem Feierabendbier zu zweit lässt eher Raum für Interpretationen als der Plan für ein wöchentliches Frühstück mit dem gesamten Team. Eines sollten wir jedenfalls nicht tun: darauf warten, dass wir gefragt werden, wenn es um Job-Möglichkeiten oder reizvolle Projekte geht. Gelegenheiten verstreichen lassen, weil wir Missverständnisse fürchten ("nicht dass der denkt, ich will was von ihm!"), oder einen schlechten Eindruck ("der hält mich sicher für aufdringlich"). Denn das zementiert die unzeitgemäße Geschlechtertrennung nur noch mehr.

Was ich als Nächstes vorhabe? Ich gehe bald mal wieder mit meinen Kolleginnen mittagessen. Aber diesmal nehmen wir ein paar Männer mit. Es gibt einiges zu besprechen.

BRIGTTE 12/2019

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