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Unternehmerin Anna Yona Ihr Führungsstil? "Ein Maximum an Freiheit"!

Anna Yona
© Marina Rosa Weigl / PR
Anna Yona, Gründerin der Schuhfirma Wildling Shoes, lässt ihr Team komplett selbst bestimmen, wann und wo es arbeitet.

Es ist Freitag, 9.30 Uhr, Zeit für Schnapsideen. Sechs Führungskräfte von Wildling Shoes sitzen über ganz Deutschland verteilt vor Dachschrägen und Bücherregalen und sprechen über alles außer die Arbeit. Wie es sich für eine Schnapsidee gehört, geben die Anfangsbuchstaben von Drinks jedes Mal ein Thema vor. Heute wird aus W&S wie Whiskey Sour das Thema "Wasserspaß". Christina aus Bamberg schwärmt vom Tretbootfahren, Oliver aus Köln vom Surfen, das mit zwei kleinen Kindern nicht mehr so oft klappe. Sein Baby schläft derweil in der Brusttrage.

Hier kennt man sich

Seit Beginn der Corona-Pandemie haben sich Beschäftigte in vielen Unternehmen daran gewöhnt, bei digitalen Besprechungen die Arbeitszimmer, Haustiere und Kinder ihrer Kolleg*innen kennenzulernen. Bei Wildling Shoes war das schon vor der Krise so. Das Unternehmen, das sogenannte Minimalschuhe aus natürlichen Materialien herstellt, war schon immer dezentral organisiert, die Mitarbeitenden saßen schon immer im Homeoffice. Ob das der Grund dafür ist, warum bei Wildling so viele Frauen arbeiten? Immerhin sind 73 Prozent der Beschäftigten und auch fast drei Viertel der Führungskräfte weiblich.

"Wir waren Quereinsteiger ins Unternehmertum und haben vieles intuitiv gemacht", sagt Anna Yona vor dem Bildschirm in ihrem Homeoffice im Bergischen Land bei Köln. Vor sechs Jahren gründete sie Wildling Shoes dort mit ihrem Mann. Vorher hatten sie 14 Jahre in Israel gelebt, wo er ein Fitness- studio betrieb und sie als freie Überset- zerin und Journalistin arbeitete und sich um die drei Kinder kümmerte. In ein Büro pendeln zu müssen – diesen Gedanken fand die heute 43-jährige "stressig".

Vertrauen war ihr wichtig, der Wohnort nicht.

Also schmiss sie die Geschäfte von Anfang an von zu Hause aus, während sich ihr Mann vermehrt den Kindern widmet. Bis auf drei kleine, für alle buchbare Co-Working-Spaces in Köln, Berlin und am offiziellen Firmensitz in Engelskirchen gibt es keine Büroräume. Ihre ersten Mitarbeiter*innen rekrutierte sie aus dem Bekanntenkreis: Vertrauen war ihr wichtig, der Wohnort nicht.

"Anfangs hat sich unser hoher Frauenanteil einfach so ergeben, teilweise auch, weil einige Mütter unsere Schuhe von anderen Kindern aus der Kita kannten", sagt Yona. Inzwischen, glaubt sie, ist es längst kein Zufall mehr, dass Wildling Shoes ein attraktiver Arbeitgeber für Frauen ist. Man setze eben auf ein "Maximum an Freiheit": Es gibt zwar feste Zeiten für die Kommunikation, zu denen jede*r erreichbar sein sollte, doch abgesehen davon arbeiten alle Mitarbeiter*innen, wo und wann sie mögen.

Ein gutes Arbeitsklima als oberstes Ziel

"Ich finde, dass Arbeit nicht heilig sein sollte und wir als Arbeitgeber auch mal zurückstecken können", sagt Yona. Ihr erklärtes Ziel ist es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der ihre Beschäftigten gern ehrgeizig sind – ohne Druck. Stattdessen versucht sie ihre Beschäftigten zu motivieren, indem sie ihnen die Chance gibt, sich in verschiedenen Abteilungen oder Positionen auszuprobieren und eigene Ideen umzusetzen. Wird das Kind mal krank, findet sie, "wäre es falsch, das Leben um die Arbeit herum organisieren zu müssen." Gerade die Mitarbeiterinnen wissen das offenbar zu schätzen. "Viele Frauen kommen nach ihrer Elternzeit neu zu uns", sagt Yona.

Frauen nicht gezielt zu fördern, sondern ihnen eine Unternehmenskultur zu bieten, die zu ihnen passt: Das ist der Weg von Anna Yona. Allerdings kann er auch unfreiwillig alte Geschlechterrollen festigen. Während der Schul- und Kitaschließungen bot Wildling den Eltern an, die Arbeitszeit bei vollem Gehalt um 25 Prozent zu reduzieren. Viele Mitarbeiterinnen nahmen das dankend an – auch weil die Arbeitgeber ihrer Männer sich nicht alle so kooperativ zeigten. "Das ärgert mich", sagt Yona, "aber ich hoffe trotzdem, einen Impuls setzen zu können, der sich zu anderen Arbeitgebern herumspricht."

Denn von ihrem Modell, dass ein Unternehmen seinen Beschäftigten möglichst viele Freiräume geben und trotzdem erfolgreich sein kann, ist sie überzeugt. "Das ist auf andere Firmen total übertragbar, egal, ob man nun zehn oder wie wir 200 Beschäftigte hat." Wildling selbst ist zuletzt stark gewachsen: Gab es im Dezember 2019 noch 123 Mitarbeiter*innen, waren es im Juli 2021 schon 225.

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21/2021 Brigitte

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