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Gehalt verhandeln: So bekommst du mehr Geld

Gehalt verhandeln: Frau im Gespräch mit Mann
© Pressmaster / Shutterstock
Wenn es um ihr Gehalt geht, haben Frauen oft Hemmungen, hart zu verhandeln. So auch Stefanie Will*, 33. Doch jetzt will sie endlich mehr Geld. Wir haben sie beim Verhandlungstraining begleitet.

Stefanie Will ist Lektorin in einem Verlag und verdient 37000 Euro brutto im Jahr. Sie ist kinderlos und lebt in Frankfurt

Stefanie Will: Ich bin echt feige. In Gedanken war ich schon zigmal bei der Geschäftsführung, habe mehr Geld gefordert. Tatsächlich habe ich noch nicht mal um ein Gespräch gebeten. Ich kann von meinem Gehalt okay leben, genug für die Rente zurückzulegen, ist aber nicht drin, das macht mir Angst. Und wenn ich nichts unternehme, wird alles so bleiben: Ich kenne Kolleginnen, die seit zehn Jahren keine Gehaltserhöhung hatten! Ich müsste direkt mit der Geschäftsführung verhandeln, aber mein Chef hat mir jetzt geraten: "Warte lieber noch ein Jahr, dann kannst du einen größeren Sprung machen."

"Typischer Fall von: Vertrösten!", sagt Anja Henningsmeyer. "Wie hat er das denn begründet?" Henningsmeyer ist Verhandlungsprofi. In ihren Trainings zeigt sie Frauen und Männern, wie man erfolgreich Gehaltsgespräche führt. Stefanie Will rät sie, sich nicht so schnell abspeisen zu lassen: "Fragen Sie doch mal zurück: Warum kann ich den Sprung nicht jetzt machen?"

Trotz Corona-Krise?

"Nicht allen Branchen geht es derzeit schlecht", sagt Henningsmeyer. "Digitalisierungsspezialist*innen, Menschen mit Know-how über virtuelles Teamworking und viele andere haben Chancen, mit neuen Produkten und Services auf sich aufmerksam zu machen." Auch Stefanie Wills Verlag könnte jetzt mit neuen Online-Produkten wie Podcasts oder Online-Lesungen auf sich aufmerksam machen. "Wenn Frau Will eine Idee dazu hat, ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt sie einzubringen – und durchaus über eine zusätzliche Entlohnung dafür zu sprechen." Grundsätzlich empfiehlt Henningsmeyer allerdings, Verhandlungen im direkten persönlichen Gespräch zu führen. Nur dort könne man aus Mimik, Gestik und Stimme "herauslesen", wie die Reaktion des Gegenübers gemeint sei. "Wenn das nicht möglich ist, weil alle im Home- office arbeiten, dann schauen Sie sich zumindest per Videokonferenz in die Augen." Und natürlich könne man Ideen zur Krisenbewältigung auch jetzt einbringen und die zusätzliche Entlohnung dafür erst etwas später verhandeln.

Sie meinen also, ich sollte nicht unbedingt auf meinen Chef hören.

"Sie könnten erst mal zurückfragen: Was bedeutet 'größerer' Sprung? Das sollte Ihr Chef Ihnen schon erklären können", sagt Henningsmeyer. "Und werden Sie sich auch selbst darüber klar, was für Sie ein guter Sprung wäre."

Na ja, mein Wunschgehalt wären schon 40000 Euro. Aber ist das nicht zu hoch gegriffen?

"Das sind gerade mal 3000 Euro Unterschied – im Jahr! Was bleibt da netto überhaupt übrig?" Damit Stefanie Will Verhandlungsspielraum habe, müsse sie höher in die Verhandlung einsteigen, findet Henningsmeyer, etwa bei 45000 Euro. Wichtig sei auch, eine Schmerzgrenze festzulegen, ein Minimum, unter das sie nicht gehen will – etwa die 40000, die sie zuerst genannt hat. Mit ihrer Zurückhaltung ist Stefanie Will nicht allein: Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeit in Bonn setzen Frauen ihr Wunschgehalt in Verhandlungen von vornherein viel niedriger an als Männer – und schneiden darum am Ende auch schlechter ab.

Aber welche Argumente habe ich überhaupt für diesen Sprung? Ich bin seit dreieinhalb Jahren auf meiner Position, wirklich was geändert hat sich nicht bei mir. Und wegen der Corona-Krise geht es dem Verlag gerade wirklich nicht gut...

"Es wäre trotzdem gut, wenn Sie erst mal SAGEN, dass Sie etwas ändern möchten – und auch einen Vorschlag für eine Änderung machen. Wenn es dem Verlag schlecht geht und Sie eine Idee haben, wie man die Situation verbessern könnte, ist das genau der richtige Zeitpunkt zu verhandeln." Wichtig dabei: "Fangen Sie nicht an, ausführlich zu argumentieren. Sonst stecken Sie bald in einer Diskussion fest. Im Gehaltsgespräch sind klare, knappe Ansagen wichtig. Trauen Sie sich, Ihre Forderung einfach in den Raum zu stellen." Maximal ein Halbsatz wie "nach dreieinhalb Jahren ist das jetzt mal fällig" könne folgen. Und wenn Nachfragen kommen? Möglichst kurz parieren: "Tarifmäßig steht mir die Erhöhung zu" oder "Dies entspricht dem Branchenstandard." Nichts, was zerpflückt werden kann.

Ehrlich gesagt fühle ich mich beim Gedanken an dieses Gespräch trotzdem wie eine schlecht vorbereitete Schülerin, die zum Rapport muss.

"Schlecht vorbereitet? Das sollten Sie tatsächlich ändern", sagt Henningsmeyer. Es sei wichtig, zu recherchieren, wo die Firma gerade stehe, was Kolleg*innen verdienten und vor allem zu überlegen, welche Alternativen es zu einer Gehaltserhöhung geben könnte. "Man geht NIE mit nur einer Forderung in eine Verhandlung." Zehn sollten es mindestens sein, etwa außertarifliche Urlaubstage oder mehr Homeoffice... Alles, was einem wichtig und geldwert erscheint. "Verhandlungsmasse bedeutet Verhandlungsspielraum – und davon kann man nie genug haben."

Zehn?! Das ist ganz schön viel, und wenn ich ehrlich bin, geht es mir tatsächlich ums Geld.

"In Gehaltsgesprächen geht es nie nur um Geld", sagt Henningsmeyer. "Es werden immer auch andere Themen mitverhandelt, Arbeitsstrukturen etwa oder Aufgabenbereiche." Genau das könnte Stefanie Will zur Grundlage ihrer Verhandlungsstrategie machen. Seit dreieinhalb Jahren hat sich bei ihr nichts geändert? Sie könnte vorschlagen, einen Entwicklungsplan zu vereinbaren, am besten gleich für die nächsten fünf Jahre. Das klingt nicht so "nach Geld" und entspricht zudem ihrem Wunsch, beruflich und finanziell nach vorn zu kommen. Vielleicht kann sie im Verlag eine Leitungsfunktion übernehmen. "Wer mehr Geld will, muss Führungsaufgaben übernehmen" sagt Henningsmeyer. Sei das nicht möglich, könne in einem solchen Plan festgehalten werden, dass sie zum Beispiel Sonderprojekte betreuen soll.

Die Idee mit dem Entwicklungsplan ist klasse, tatsächlich würde ich gern wissen, wo ich im Verlag noch hinkommen kann. Aber ich will auf keinen Fall undankbar oder unzufrieden rüberkommen, ich mache meinen Job ja gern...

"Und was wir gern machen, muss nicht vergütet werden?", fragt Henningsmeyer. "Gerade das sollte besonders gut bezahlt werden, weil viel Energie und Engagement dahinterstehen!" In ihren Trainings rechnet Henningsmeyer den Teilnehmerinnen gern vor, wie viel Geld sie im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen verlieren. Aktuell liegt der Gender Pay Gap bei 6,4 Prozent. Bei 3000 Euro brutto sind das 192 Euro pro Monat weniger, 2304 Euro im Jahr. Wenn man das auf 45 Rentenbeitragsjahre hochrechnet, hat eine Frau 103680 Euro weniger verdient - und bekommt dementsprechend auch weniger Rente. Auch diese Zahlen könne man übrigens gut in Verhandlungen nutzen – alles, was normativer Standard sei, also: Werte und Prinzipien betreffe, die in der Welt des Verhandlungspartners relevant seien, sei als Hebel wirkungsvoll. "Wer etwas fordert, gewinnt Respekt. Wer nichts fordert, wird übersehen oder nicht ernst genommen."

Das harte Fordern ist nicht so meins. Da klingt für mich immer auch "gierig" mit.

"Es gibt verschiedene Formen zu fordern", sagt Henningsmeyer. "Ich kann Forderungen auch als Frage formulieren: Was schlagen Sie vor?" Das wirkt weniger konfrontativ – und der Ball landet auf der anderen Seite.

Okay, aber ich bin mir trotzdem unsicher, ob das jetzt wirklich der richtige Zeitpunkt ist für ein Gespräch.

Wenn Stefanie Will mit ihren Ideen zu einer verstärkten Online-Präsenz ihres Verlages auf Interesse trifft, sollte ihren Chefs auch klar sein, dass ihr Engagement nicht gratis sei, betont Henningsmeyer. Thematisieren könne sie das zum Beispiel mit dem Satz: "Lassen Sie uns darüber sprechen, wie wir das budgetär aufstellen." "Machen Sie klar, dass dabei auch für Sie etwas rausspringen sollte." Wenn das Gegenüber dann entgegne: "Im Moment geht gar nichts. Sie wissen ja, Corona...", könne man gern Zeitpunkt und Modalitäten der Auszahlung verhandeln, nicht aber den Gehaltsaufschlag selbst. Wer dränge, gewinne nun mal oft. "Mir hat mal eine Managerin gesagt: Natürlich befriedige ich erst die, die ständig zu mir kommen und nerven. Also los, nerven Sie!"

Ich kann mir nur leider auch gut vorstellen, was dann von der Geschäftsführung kommt. Zum Beispiel: "Unsere Personalkosten sind eh schon viel zu hoch."

Der Verweis auf angebliche Ebbe im Personalbudget funktioniere bei Frauen in der Regel leider gut, nicht nur in Krisenzeiten, sagt Henningsmeyer. Sie fühlten sich nämlich schnell für die Firma verantwortlich. "Aber es geht hier nicht um Ihr eigenes Unternehmen!" Die beste Strategie, um sich einem solchen moralischen Druck zu entziehen, sei daher: aussitzen. Die Geschäftsführung freundlich anschauen – und nichts sagen. Schweigen ist laut Henningsmeyer eine starke und viel zu wenig genutzte Strategie in Verhandlungen.

Was sicher auch kommt: "Wir müssen allen Mitarbeitern gegenüber fair bleiben."

"Wunderbar!", sagt Henningsmeyer, "Gleich zurückfragen: Was ist denn für Sie fair? Alle gleich bezahlen? Verstehe ich Sie richtig, dass es keine Rolle spielt, wie gut eingearbeitet und wie lange jemand bei Ihnen im Unternehmen ist?" So könne man das Gespräch von der emotionalen Ebene wieder auf eine sachliche bringen.

In meinem Einstellungsgespräch bügelte die Geschäftsführerin meine Gehaltsforderung mit den Worten ab: "Na, so viel WERDEN Sie vielleicht mal verdienen."

"Knüpfen Sie hier an!" sagt Henningsmeyer. "Etwa so: Damals haben Sie einen schönen Satz gesagt. Wie haben Sie das gemeint? Wie können wir da hinkommen?" So könne man nicht nur das Ego der Chefin streicheln, sondern das Gesagte auch wirklich ernst nehmen. Vielleicht mit dem Nachsatz: "Und ich sage Ihnen ehrlich: Ich hätte gern schon ab nächstem Jahr mehr Geld. Wie kriegen wir das hin?"

Und wenn dann nichts kommt? Zumindest nichts Befriedigendes?

"Wenn Sie wirklich irgendwann nur noch Nein hören, machen Sie einen Cut und sagen: Dann sprechen wir besser nächste Woche noch mal", rät Henningsmeyer. So eine Vertagung wirke oft Wunder – und schütze davor, dass das Gespräch ungewollt emotional werde. Eine Niederlage? Keinesfalls: "Nehmen Sie es als ein erstes Nein, nicht als absolutes. Es heißt nur, dass Sie es noch mal versuchen sollen."

*Name von der Redaktion geändert

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BRIGITTE 13/2020

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