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Gute Laune kann man riechen

Ein gutes Parfüm hebt die Stimmung: Jeanette Haviland-Jones, Professorin für Psychologie an der Rutgers-Universität in New Jersey, erforscht, wie Düfte Gefühle beeinflussen.

Augen auf und durch. Zwölf Minuten lang jagen filmreife Morde und Schreie à la Hitchcocks berühmter "Psycho"- Duschszene dem Zuschauer Angst und Schrecken ein. Kann gut sein, dass während der Vorführung ein ganz zarter Duft im Raum schwebt, der so dezent ist, dass ihn ein Mensch gar nicht mehr bewusst wahrnehmen kann. Kann auch sein, dass es gar keinen Duft gibt. Zu riechen ist jedenfalls nichts.

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Eingeladen zur kleinen Horrorshow hat Dr. Jeanette Haviland-Jones, Direktorin des "Human Emotions Lab" an der Rutgers-Universität in New Jersey, ein paar Kilometer außerhalb von New York. Die Professorin hat sich darauf spezialisiert, die Wechselwirkung zwischen Geruch und Gefühl zu erforschen. Die Videos sind nur Beiwerk. Denn nach der filmischen Schocktherapie bittet sie ihre Testkandidaten, ein kleines persönliches Erlebnis aufzuschreiben: ein Treffen mit Freunden, die Vorbereitungen für ein Geburtstagsessen, ein Tag bei der Arbeit, eine Urlaubserinnerung, ganz egal. Es darf ruhig banal sein, und es muss kein Roman werden. Schon ein paar Zeilen reichen der Psychologin, um festzustellen, wie die Videobilder - mit und ohne Aroma-Einfluss - auf den Gemütszustand der Zuschauer gewirkt haben.

Wird zum Beispiel heimlich ein Mix aus Bergamotte, Patschuli und Eichenmoos (in der Duftwelt heißt so eine Komposition "Chypre", benannt nach dem ersten Parfüm dieses Typs) in den Testraum gepustet, bleiben die Teilnehmer gelassen und verfassen selbst nach den "Psycho"-Sequenzen noch blumige Geschichten. Das zeigt, wie beruhigend die Mischung auf ihre Gefühlswelt wirkt.

Auch ein Video mit lauter wütenden, schimpfenden Menschen bringt die Betrachter nicht aus der Ruhe - vorausgesetzt, eine Spur Gardenie schwebt unerkannt im Raum. Der Duft dieser Blume macht außerdem offensichtlich auch noch den Nüchternsten zum Poeten und lässt die Welt rosarot erscheinen: In den Berichten der Versuchspersonen, die den Duft eingeatmet haben, kommen mindestens dreimal so viele positive Ausdrücke - wie Freunde, warm, lachen, herzlich, schön - vor wie in den Texten einer Kontrollgruppe in neutraler Luft.

Ein Parfüm verführt: Das zeigen Tests aus der Psychologie

Dr. Haviland-Jones hat viele solche Versuche durchgeführt. Alle zeigen, dass Gerüche besser als jeder Talkmaster in der Lage sind, wahre Gefühle aus einem Menschen herauszukitzeln - und zwar selbst solche, die ihm gar nicht bewusst sind.

Das liegt an der perfekten Nachrichtenübertragung von der Nase zum Kleinhirn. Nur der Geruchssinn ist unmittelbar mit dem limbischen System verbunden, der Schaltstelle der Emotionen. Ohne Umwege löst dort jeder Riechreiz eine spontane Regung aus, die man nicht beeinflussen und erst recht nicht verhindern kann. Gerüche liegen schließlich in der Luft, und die braucht der Mensch nun mal zum Atmen.

Mit ihren "Schnupperstunden" will die Wissenschaftlerin noch unerforschte unterschwellig im Gehirn ablaufende Vorgänge besser verstehen lernen. "Suchmaschine" nennt Jeanette Haviland-Jones ihre Testmethode. Sie funktioniert so raffiniert und sicher wie die Wirkung der Duftnuance, die dabei in der geringsten Konzentration eingesetzt wird: Man kommt ihr nicht auf die Schliche, die Forscherin dem Unterbewusstsein dafür umso mehr.

Die Probanden geben ihr mit den selbst verfassten Alltagsepisoden ja buchstäblich schriftlich, was sich bei dem Versuch tief in ihrem Inneren abgespielt hat. "Ich untersuche die Texte auf die Häufigkeit und Art gefühlsbetonter, lebendiger Worte, die darin vorkommen. Sie dokumentieren die Veränderungen im nonverbalen Verhalten, die durch den Versuch ausgelöst und von den Testteilnehmern nicht wahrgenommen, geschweige denn der Wirkung eines Duftes zugeordnet werden."

Düfte können Stimmungen verstärken - positiv wie negativ

Das heißt: Entscheidend ist nicht, was die Testpersonen erzählen, sondern, wie sie es tun - die Wortwahl verrät, was sie tatsächlich empfinden. Und das wiederum wird von dem Geruch im Raum beeinflusst. "Düfte wirken unmittelbar auf die Gefühle. Sie verleiten Menschen dazu, Dinge anders zu sehen. Sie können die positive wie die negative Stimmung verstärken, aber auch mindern", sagt Dr. Haviland-Jones.

Die Macht der Gerüche - jeder nutzt sie auf seine Weise. Frauen und Männer nehmen Parfüms, um sich und anderen zu gefallen. Kaufhaus-Manager lassen die Etagen beduften, damit sich die Kunden wohl fühlen, länger verweilen und womöglich mehr kaufen. Dezente Mischungen nehmen U-Bahn-Waggons und Bahnhöfen den Mief, beruhigende Essenzen sollen bei aggressiven Fahrgästen die Gewaltbereitschaft dämpfen. Duftnoten wie Chypre und Gardenie sind auch für diese Einsätze bestens geeignet. Und selbst die Tatsache, dass Gerüche auch negative Stimmungen verstärken können, wird ausgenutzt: So werden versuchsweise bereits Spezialmixturen mit einer Art Stinkbombeneffekt eingesetzt, die zum Beispiel Gefängnisse oder militärische Anlagen mit einem nur unterschwellig wahrnehmbaren Duftwall schützen, damit Neugierige wie Feinde instinktiv einen großen Bogen um die jeweiligen Objekte machen.

Im Prinzip wird man also oft an der Nase herumgeführt, ohne es zu merken. "Das war schon immer so", sagt die Fachfrau. "In der Antike waren die berühmtesten Wissenschaftler von Haus aus Parfümeure. Sie haben für reiche Familien Düfte entwickelt, die deren Macht und Einfluss ausstrahlten. Und wie viele Kirchen verwenden Duftsignale wie Weihrauch, um jeden im Raum einzunehmen! Die Methode halte ich für ziemlich pfiffig."

Ein Parfüm kann die eigene Ausstrahlung verbessern

Dr. Haviland-Jones, Anfang 60, hat jede Einzelheit ihres Forschungsbereiches gespeichert und auf Abruf bereit. Wer so viel weiß, ist auch für internationale Dufthäuser ein interessanter Partner. So ließ das amerikanische Unternehmen Estée Lauder im Human Emotions Lab - übrigens erfolgreich - testen, ob sein neues Parfüm "Sensuous" (sinnlich) tatsächlich die dem Namen entsprechende Gefühle betonende Wirkung bei den Testpersonen hervorruft. Für die Industrie interessiert sich Dr. Haviland-Jones eigentlich nur wenig, aber da die Lauder-Mischung Honig enthielt, konnte sie nicht widerstehen. Diese Nuance fehlte ihr bisher in ihrer Testsammlung.

Könnte man mit einem Parfüm auch seine Ausstrahlung verstärken und so attraktiver wirken? Dr. Havilland überlegt kurz: "In einem Experiment haben wir das Verhalten von Menschen getestet, denen Blumen geschenkt wurden. Sie haben gelächelt, Nähe zugelassen, ein Gespräch angefangen und den Überbringer oft sogar spontan umarmt oder geküsst. Selbst Männer haben so reagiert. Ich bin daher überzeugt, ein blumiger Duft könnte durchaus eine ähnlich anziehende Wirkung haben."

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Spritzig Das leichte Körperspray "Eau d'Énergie" von Biotherm (oben) macht Spaß wie ein Sommerurlaubstag - dank zarter, blumiger Noten von frischem Jasmin und Alpenveilchen und reifen Sonnenfrüchten wie Mandarine, Orange oder Zitrone.

Sinnlich "Sensuous" von Estée Lauder (unten) wirkt einladend, angenehm warm und sehr feminin. Dafür sorgen Lilie, Magnolie, Jasmin und Ylang Ylang in ungewöhnlicher Verbindung mit Holz und Honig. Erhältlich ab September.

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Kapriziös Das Eau de Toilette "Ange ou Démon" von Givenchy gibt es auch in einer limitierten "Diamantissime Edition" mit Swarovski-Kristallen auf dem Flakon. Der Duft kommt mit Mandarine, Maiglöckchen und Orange erst mal unschuldig daher, zeigt sich dann aber mit Heliotrop, Palisanderholz und Patschuli als süßer Verführer

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Ausgleichend "Femme l'eau fraîche" von Boss (links) wirkt so leicht, rein und pur wie ein weißes Sommerkleid aus Leinen. Möglich machen es fruchtige Mandarine, elegante Stephanotis-Blüten und sanfter Amber.

Verführerisch Raffinierte Kombi für raffinierte Frauen: In "Hypnôse Senses" von Lancôme (rechts) kommt eine intensive Chypre-Note mit Patschuli zusammen mit Blüten von Osmanthus, dem "chinesischen Ölbaum". Irritierend schön

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Erfrischend "Insolence Eau Glacée" von Guerlain ist die "Insolence"-Variante für schwüle, sommerschwere Tage: ein angenehm kühler Duft aus roten Beeren, Veilchenblättern, Iris und Zitrusfrüchten

Weitere neue blumige Sommerdüfte, z. B.: "Absynthe" von Christian Lacroix (mit goldener Freesie, grünem Anis, Orchidee; über Avon); "Ungaro Party" von Emanuel Ungaro (Maiglöckchen, Lotusblüte, Wassermelone und Zitrone); "Versense" von Versace (mit grünen Mandarinen, Kaktusfeige, Bergamotte, Meereslilie, Jasmin); "Flower by Kenzo Spring Fragrance" von Kenzo (Veilchen und Freesie mit Mandarine, Ingwer und Litschi); "Escale à Pondichéry" von Christian Dior (schwarzer Tee mit Jasmin und Sandelholz); "Halle" von Halle Berry (Mimose, Feige, Freesie, Hibiskus); "Beautiful" von Betty Barclay (Freesie, Gardenie, Jasmin mit Mandarine und Birne); "The Beat Eau de Toilette" von Burberry (mit Iris, Ceylontee, Mandarine und Quittenblüte)

Text: Angelika Ricard-Wolf Fotos: Gerd Ladebeck; Hintergründe: iStockphoto.com; privat Produktion: Sarah Harms und Bettina Lambrecht

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