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Olivenöl, ein wahres Kosmetik-Talent

Olivenöl
© DUSAN ZIDAR / Shutterstock
Olivenöl, der gesunde Klassiker aus der Mittelmeer-Küche, ist auch für die Kosmetik wertvoll. Was macht seine Inhaltsstoffe so wirksam, und worauf kommt es bei der Herstellung an?

Etwa einmal im Monat sitzt Salvador Alamar de Juan mit neun weiteren Herren in einem Konferenzsaal und nippt an blauen Gläsern. Mal mit mehr, mal mit weniger Freude. Freude ist beispielsweise: ein fruchtiger Geschmack mit Noten von grünem Apfel, Mandeln, frischem Gras, im Abgang leicht pikant-pfeffrig und die Erinnerung an das Aroma reifer Banane. Das, was momentan im Glas ist, ist allerdings seiner Meinung nach: metallisch, stichig, mit Nuance von feuchter Erde. Salvador Alamar tippt seine vernichtende Beurteilung in den elektronischen Bewertungsbogen, die anderen neun Verkoster werden nicht besser beurteilen, und damit ist dieses Olivenöl leider durchgefallen. Das heißt, es wird nicht das Herkunfts-Qualitätssiegel erhalten, was der "Consejo Regulador" der Stadt Baena - also der städtische Olivenöl-Kontrollrat - für besonders gute Öle aus der Region Córdoba vergibt.

In Andalusien ist Olivenöl eindeutig mehr als ein Lebensmittel: Es ist Lifestyle und vor allem Hauptwirtschaftsfaktor. Besonders in der bergigen Provinz Jaén sieht man Olivenbäume, so weit das Auge reicht, dicht an dicht an die Hügel geschmiegt, nur unterbrochen von Landstraßen. Spanien ist weltweit das Land, das am meisten Olivenöl produziert - "auch wenn viele Leute immer noch denken, das sei Italien. Dabei exportieren wir sogar einen Großteil unseres Öls dahin!", sagt Salvador Alamar, und dabei klingt er fast etwas betrübt.

Salvador Alamar, Jahrgang 1962, ist schon seit 28 Jahren im Ölgeschäft. Seine Großeltern besaßen eine eigene Olivenbaumplantage, mittlerweile ist er Chef der von ihm gegründeten Firma "Aceites Virgenes", die Olivenöl von andalusischen Plantagen Einsteckankauft und in die ganze Welt exportiert. Der Handel läuft gut: "Früher hat man Olivenöl im Ausland nur ab und an für Salate verwendet. Nun hat sich herumgesprochen, dass man noch viel mehr damit zubereiten kann. Und es wird nicht nur gegessen, sondern mittlerweile auch viel in der Kosmetik genutzt."

Einer seiner Abnehmer in Deutschland ist der Hamburger Konzern Beiersdorf, der pro Jahr rund sieben Tonnen Olivenöl in der "Olivenöl"-Serie der Marke Florena verarbeitet. Die Entwicklung ist recht neu: Obwohl schon Urgroßmutter und antike Griechen wussten, dass Olivenöl trockene Haut pflegt, spielten pflanzliche Öle in der kommerziellen Kosmetik lange Zeit keine besonders große Rolle. Das hat auch einen besonderen Grund: "Olivenöl ist zum Beispiel deutlich komplizierter zu verarbeiten als Silikon- oder Paraffinöle. Das Öl hat schließlich einen gewissen Eigengeruch und kann ranzig werden, wenn man das bei der Produktion nicht berücksichtigt", sagt Anette Bürger, Pharmazeutin in der Forschung bei Beiersdorf und dort zuständig für die Produktentwicklung bei Florena.

Kosmetik mit Olivenöl
© Modella / Shutterstock

Doch in den letzten Jahren hat die Kosmetikindustrie Olivenöl wiederentdeckt - sicherlich auch, weil Naturkosmetik boomt und die Nachfrage nach natürlichen pflanzlichen Substanzen in der Pflege generell gestiegen ist. Florena ordert für ihre "Olivenöl"-Pflegeserie bei Salvador Alamar ausschließlich "extra virgen" - Qualität, mit der man problemlos auch Salate anrichten könnte, ab April sogar aus Bio-Anbau, obwohl es ja "nur" auf die Haut kommt. Aber was heißt hier "nur"? Olivenöl kann auf der Haut viel Gutes bewirken, meint Pharmazeutin Anette Bürger: Zum einen besteht es zu 85 Prozent aus essenziellen Fettsäuren, an denen es trockener Haut meist mangelt. Die Fettsäuren - speziell die im Olivenöl enthaltene Linolsäure - sind notwendig für den Aufbau der natürlichen Barriere, die die Haut vor dem Austrocknen schützt.

Die eigentliche Stärke von ausschließlich hochwertigem, kaltgepresstem Olivenöl ist allerdings seine antioxidative Wirkung: "Andere pflanzliche Öle wie beispielsweise Maiskeimöl, die ebenfalls ab und zu in der Kosmetik verwendet werden, enthalten zwar auch Vitamin E, aber kaum Polyphenole." Polyphenole sind starke Radikalfänger, die die Zellen schützen (daher ist Olivenöl als Lebensmittel ja auch so gesund). Aber raffiniertes, also in einer Raffinerie gereinigtes und bearbeitetes Olivenöl hat davon jede Menge eingebüßt.

Das volle Potenzial von Olivenöl wurde erst vor ein paar Jahren erkannt: Studien wiesen beispielsweise in "extra virgen"-Olivenöl unter anderem eine erhebliche Menge Hydroxytyrosol nach, eines der stärksten Antioxidanzien überhaupt. In raffiniertem Olivenöl war davon fast nichts mehr vorhanden. Die Oliven für das Öl, das Feinschmecker wie Kosmetikfirmen glücklich macht, stammen zum Beispiel von der Plantage der Familie Vañó. Francisco Vañó sieht in seinem gut sitzenden Anzug mit Einstecktuch eher aus wie ein Banker als wie ein Olivenfarmer, was nicht ganz täuscht: Jahrelang arbeitete er in leitender Position für die spanische Santander-Bank, bis er schließlich gemeinsam mit seiner Schwester Rosa die Leitung des Familienunternehmens in Andalusien übernahm. "Castillo de Canena" heißt die Firma, zu Deutsch: "Burg von Canena". Diese Burg gibt es tatsächlich, sie steht im 2132-Einwohner- Dörfchen Canena, gehört (inklusive zwei sagenumwobenen Burggeistern) der Familie, stammt aus dem 16. Jahrhundert und ist sicher einer der repräsentativsten Firmensitze, die man sich vorstellen kann.

Ungefähr eine Viertelstunde Fahrt im Geländewagen entfernt davon erstreckt sich der Olivenhain der Familie Vañó. An den kühlen Wintertagen zwischen November und Februar werden hier die Oliven geerntet. Noch vor ein paar Jahren benutzten die Erntehelfer dafür nur die schlichten Stöcke, mit denen die Oliven vorsichtig von den Zweigen geschlagen wurden.

Mittlerweile hat aber auch hier die Technik Einzug gehalten: Die Arbeiter werden unterstützt von der großen fahrbaren "Rüttelmaschine", die den Olivenbaum am Stamm packt und kräftig durchschüttelt. Blitzschnell fallen die Oliven in die Auffangnetze am Boden und sehen eigentlich ganz lecker aus. Ob man mal vorsichtig reinbeißen soll . . . ?

"So was versuchen immer nur die Touristen", sagt Salvador Alamar grinsend, während man nach dem Experiment angeekelt ein Stück von dem so ziemlich bittersten Zeug auf Erden ausspuckt. Denn Oliven pur werden leider erst genießbar, nachdem sie wochenlang in Salzlake eingelegt waren. Und auch dann sind nicht alle Olivensorten gleich gut für den Martini oder als Tapas geeignet: "Manzanilla ist zum Beispiel eine Sorte, die eine exzellente Tafelolive ergibt. Wir haben hier aber vor allem die Sorte Picual angebaut", erklärt Francisco Vañó. Die enthält sehr viele Polyphenole und schmeckt daher bitterer, ergibt aber genau deswegen ein besonders gesundes Olivenöl. In weniger als einer Minute haben die Arbeiter und die Rüttelmaschine den Olivenbaum abgeerntet, rund 50 Kilo Oliven liegen auf dem Boden. Daraus kann man rund zehn Liter Öl gewinnen - "ergiebig sind Oliven nicht gerade", sagt Salvador Alamar. An den ersten Tagen der Ernte haben die grünen Oliven noch einen geringen Fettgehalt, dafür ist aber ihr Öl besonders aromatisch und fruchtig.

Dieser "Olivensaft" wird in schicke Flaschen abgefüllt und in die Gourmet-Tempel und Feinschmecker-Abteilungen der Welt geliefert. Wenn sich etwa ab Mitte Dezember die Oliven ganz schwarz verfärben und fettreicher sind, produzieren die Vañós daraus vor allem das preiswertere, aber immer noch hochwertige Öl für den Massenmarkt. Für Olivenöl-Kenner ist die Güteklasse "extra virgin" bzw. "nativ extra" (das bedeutet: aus erster Kaltpressung, maximal 0,8 Prozent Säure in der Zusammensetzung, ohne geschmackliche Beanstandungen) allein noch kein Qualitätsurteil. Sondern eine Mindestanforderung.

Erkenntnisse am Ende des Erntetages: Olivenöl ist gesund. Olivenöl ist gut zur Haut. Olivenbäume sind schön. Und es gibt sogar noch malerische traditionelle Olivenmühlen in Andalusien, in denen die Oliven von tonnenschweren Granitsteinen zermahlen werden anstatt in modernen Edelstahlbottichen zerkleinert.

Solch ein malerischer Ort ist die altehrwürdige Olivenmühle "Nuñez de Prado" in Baena. Im großen Gastraum werden zum Abendessen nacheinander Oliven- Tapenade, in Olivenöl frittierte Mandeln, mit Olivenöl verfeinerte Spargelsuppe, in Olivenöl marinierte Rindermedaillons und zum Nachtisch gar mit Olivenöl und Honig beträufelte Orangen an Oliveneis aufgefahren - da ist nur ein Eindruck wichtig: Olivenöl kann wirklich, wirklich köstlich sein. Man muss es ja nicht gleich pur aus blauen Gläsern trinken.

Olivenzweig
© Joanna Tkaczuk / Shutterstock

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