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Was steckt hinter der grünen Welle?

Immer neue Bio-Kosmetik kommt auf den Markt - und ihre eigenen Öko-Logos bringt sie auch gleich mit. Was ist da eigentlich los? Wir haben uns direkt bei Naturkosmetik-Unternehmen umgehört.

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Mit ihr kam der Erfolg. Daniela Lindner sitzt in einem lichtdurchfluteten Konferenzraum des Schwarzwälder Naturkosmetik-Konzerns Börlind, der im Jahr schätzungsweise 32 Millionen Euro umsetzt. Seit sechs Jahren ist sie verantwortlich für die Öko-Marke Tautropfen, die zum Börlind-Konzern gehört. Sie hat viel erreicht. Sie hat den Tautropfen- Umsatz seit 2003 vervierzehnfacht, außerdem der Marke einen eigenen Flagshipstore verpasst - und das nicht irgendwo, sondern in Mailand, direkt am Corso Como neben Gucci, Armani, Prada. Vor ein paar Jahren wäre das unvorstellbar gewesen. "Wir konnten die Gunst der Stunde nutzen", sagt Daniela Lindner. "Naturkosmetik ist eben der Trend der Zukunft."

Da hat sie natürlich recht. In den vergangenen zwei Jahren hat der deutsche Naturkosmetik- Umsatz um 50 Prozent zugelegt. Zwar macht der Anteil der Öko-Pflege im Gesamtkosmetikmarkt noch weniger als zehn Prozent aus, trotzdem ist es der einzige Bereich, der wächst - und zwar im zweistelligen Bereich. Etwa 613 Millionen Euro gaben die Deutschen 2007 für Naturkosmetik aus. Und die hat längst die sanft erleuchteten Ausla-gen der Edelparfümerien, Luxus-Departmentstores und Apotheken erobert. Einerseits.

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Andererseits muss man aber auch einiges richtig machen, um auf der grünen Welle vorn mitzusurfen. Im Fall von Tautropfen möbelte Lindner erst die zuvor orthodoxe Öko-Marke auf mit Produkten wie leichten Fluids, cremigen Emulsionen und "Better Aging"-Kosmetik. "Tautropfen wurde vor fünf Jahren gekauft", erklärt Daniela Lindner, "um für den Konzern einen neuen Vertriebskanal zu eröffnen: die Bio-Läden. Da wird Tautropfen ja hauptsächlich vertrieben. Produkte der Börlind-Gruppe gab es in Deutschland damals nur in Reformhäusern, und die wurden fast täglich weniger." Börlind expandierte also, raus aus der Reformhaus-Welt (die galt mittlerweile als spießig), rein in die modernen Bio-Läden - und sicherte so sein Wachstum. Klar, dass bei solchen Erfolgsstorys die Großkonzerne auch ein Stück vom Bio-Kuchen abhaben wollen: So brachte Clarins die Öko- Pflege Kibio auf den Markt, L'Oréal kaufte die französische Bio-Marke Sanoflore, und das Luxuslabel YSL Beauté engagierte Star- Designerin Stella McCartney und ließ sich die Naturkosmetik-Serie "Care" entwerfen.

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Der Begriff Naturkosmetik ist rechtlich nicht geschützt. Jeder Hersteller kann eigene Richtlinien für Naturkosmetik entwickeln, seine Produkte "Naturkosmetik" nennen und sogar zertifizieren lassen. Das motzt das Image auf, sagt aber nichts aus. Längst haben konventionelle Hersteller Produkte auf den Markt gebracht, die zwar Naturstoffe enthalten, aber auch synthetische Inhaltsstoffe - auf die die "echte" Naturkosmetik eben verzichtet.

Hinzu kommt, dass sich die Branche bislang auf keine internationalen Qualitätsstandards einigen konnte. Zwar gibt es die unterschiedlichsten Naturkosmetik-Labels, doch gelten sie meist nur auf nationaler Ebene. Ein allgemein anerkanntes Gütesiegel, das Klarheit im Wirrwarr der internationalen Logos schaffen würde, gab es bisher nicht.

Sie ist jene US-Amerikanerin, die die Marke Dr. Hauschka unter den Hollywood-Stars berühmt machte und dem Unternehmen so zum Durchbruch in den USA verhalf. West Kurz ist 59, eine Frau mit wachen Augen und sanfter Stimme, Präsidentin des Vorstandes von Dr. Hauschka Skin Care in den USA.

Bereits in den 70er Jahren begann sie, sich mit Naturkosmetik zu beschäftigen. Es war die Zeit, in der in den USA Bio-Lebensmittel schwer im Kommen waren, denn aufgerüttelt durch Lebensmittel-Skandale wechselten immer mehr Leute zu Öko-Produkten. Auch Naturkosmetik wurde gekauft, obwohl sie alles andere als sexy galt. Als Dr. Hauschka in die USA expandierte, begann Kurz, die amerikanische Literatur und Philosophie studiert, eine Ausbildung als Kosmetikerin gemacht und im Hauschka-eigenen Garten gelernt hatte, die Produkte zu vertreiben.

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Dabei hatte sie einen riesigen Marktvorteil: Kontakte zu Schauspielern - ihr erster Mann war der Darsteller T. J. Walsh ("Good Morning Vietnam", "Das Russland-Haus"). Und so bugsierte sie die für amerikanische Zungen schwer aussprechbaren Produkte der Firma aus der Schwäbischen Alb in die Schminkkoffer der Hollywood-Visagisten. Als Julia Roberts dann dem Lifestyle-Magazin "W" berichtete, sie sei während der Dreharbeiten zu "Erin Brockovich" mit Hauschka-Makeup geschminkt worden, war der Trend perfekt. Naturkosmetik war glamourös - das Accessoire für den roten Teppich eben.

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Die hat ihren Ursprung bei den Anthroposophen von Rudolf Steiner. Doch lange schien der Konzern nach dem Motto zu agieren: Wer unsere Produkte finden will, der findet sie - und verzichtete konsequent auf Werbung. Erst Ende der 80er Jahre hob Weleda zaghaft den selber auferlegten Vorhang des Schweigens. Ein Prozess, der mit einer Werksbesichtigung in der deutschen Zentrale in Schwäbisch-Gmünd zusammenfiel, die eine frisch diplomierte Sozialwirtin 1991 unternahm: Ulrike Weber, heute Geschäftsführerin Marketing und Vertrieb bei Weleda in Madrid.

"Als ich das Unternehmen betreten hatte, dachte ich sofort: Okay, das ist es", erzählt sie heute über diesen Besuch, "und habe mich auf ein Praktikum beworben." Ulrike Weber bekam nicht nur die Stelle, man verpasste ihr auch gleich eine Aufgabe: die Neueinführung einer gesamten Produktlinie, der Mandelserie. "Damals gab es bei Weleda noch gar keine Marketing-Strukturen", erzählt sie, "ich habe bei Null angefangen, was natürlich spannend war und total Spaß gemacht hat." Die Folge: Ulrike Weber wurde als Marketing-Assistentin, später als Marketing-Leiterin für die Körperpflege und frei verkäuflichen Arzneimittel angestellt. Und Weleda baute seine Stellung als Marktführer in Deutschland mit ausländischen Niederlassungen aus.

Sie informierten sich nun über gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe, lehnten Tierversuche ab, nutzten Nachfüllpackungen und stiegen oft auch auf Bio-Kosmetik um. Viele rührten sich sogar ihre eigenen Cremes an nach Jean-Pütz-Rezepten aus der TV-Sendung "Hobbythek". Was den Verbraucherinnen allerdings querlag: Jeder Hersteller regelte die Bio-Produktion nach eigenem Wissen und Gewissen.

Naturkosmetik-Unternehmen und ihr deutsches Biosiegel

Wie viel Natur in Naturkosmetik zu sein hat, legte in Deutschland erst 2001 das so genannte BDIH-Label fest mit dem Stempel "Kontrollierte Naturkosmetik". Es kam im gleichen Jahr wie das Biosiegel für Lebensmittel auf den Markt, und bei ihm können sich Verbraucherinnen sicher sein, dass es sich um Bio-Kosmetik handelt. Es ist deutschlandweit das bekannteste und am weitesten verbreitete Gütesiegel, allerdings hat es in den letzten Jahren an Bedeutung verloren - auch weil es sich international nicht durchsetzen konnte, obwohl Deutschland die Bio-Kosmetik quasi erfand und mit über 60 Prozent Anteil am europäischen Naturkosmetik- Markt führend ist. Denn inzwischen hatten französische, englische und amerikanische Firmen den deutschen Markt erobert mit der Folge, dass es einen Wust unterschiedlicher Bio-Labels.

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Zum Verbund gehören die Firmen Laverana, Logona, Primavera, Santaverde, Wala/ Dr. Hauschka und Weleda. Der Präsident von NaTrue, Moritz Aebersold, gleichzeitig Mitglied der Konzernleitung der Weleda- Gruppe, wünscht sich, dass NaTrue weltweit eingesetzt wird. Wenigstens aber, dass NaTrue eine anerkannte Definition des Begriffs Bio- und Naturkosmetik auf der Ebene der Europäischen Union schafft. Die Initiatoren verdienen mit dem neuen Logo übrigens kein Geld wie manch anderes Zertifizierungs- Unternehmen. Sie zertifizieren deshalb nur die Produkte, die das neue NaTrue-Label auch verdienen.

Um das neue Logo auf den Weg zu bringen, gaben sie in den letzten eineinhalb Jahren Gas. Erst suchte man sich starke Partner: In der Arbeitsgruppe waren auch L'Oréal, Beiersdorf und Henkel vertreten, außerdem kooperiert die Initiative mit dem Industrieverband Körperpflege und Waschmittel (IKW). 2008 wurden dann die Label-Kriterien verabschiedet.

Unterschieden wird zwischen Naturkosmetik mit natürlichen Inhaltsstoffen (1 Stern), Naturkosmetik mit über 70 Prozent Anteil an Bio-Stoffen (2 Sterne) und Naturkosmetik mit mindestens 95 Prozent Bio-Anteil (3 Sterne). Die ersten Produkte mit dem neuen Logo sollen im Februar auf dem Markt sein. Es ist das strengste Label, das es je gab - selbst Bio-Pioniere wie Weleda müssen Produkte überarbeiten.

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"Mit NaTrue haben wir endlich ein internationales Leitsiegel, nach dem wir arbeiten können", freut sich Sabine Beer, 53, die geschäftsführende Gesellschafterin der Bio-Marke Santaverde. Im Konferenzraum ihrer Firmenzentrale, einer Altbauvilla in Hamburg, erklärt sie, wie sie mit einem BWLund Volkswirtschafts-Studium dazu kam, gemeinsam mit ihrem Mann Naturkosmetik herzustellen: "Ich hatte mit 16 eine wirklich schlimme Akne", so Beer, "und bin sie nicht losgeworden. Auf unserer Finca in Spanien hat ein Nachbar mir dann ein Aloe-vera-Blatt gegeben, ich habe das innere weiche Gel auf mein Gesicht getan - zum ersten Mal ging es meiner Haut besser. Aus dieser Erfahrung ist das Rezeptur-Prinzip von Santaverde entstanden: Kosmetik ohne Wasser, dafür aus reinen Pflanzensäften."

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Weil Sabine Beer, wieder daheim in Hamburg, keine anständige Aloe-vera-Kosmetik kaufen konnte, mischte sie sie kurzerhand mit Hilfe einer Apothekerin selber an. So entstand eine kleine, aber feine Firma. Jetzt ist Santaverde die schnellstwachsende Marke unter den Bio-Kosmetik-Anbietern, laut einer Analyse des Branchendienstes Biovista, und sie ist vor allem im hochpreisigen Luxusmarkt vertreten.

Dass das Interesse an schicker Öko-Kosmetik stetig wächst, weiß auch Klara Ahlers. Sie ist Co-Geschäftsführerin bei der Firma Laverana, zu der die Marken Lavera und Laveré gehören. Klara Ahlers war eine der Ersten, die Ideen aus der konventionellen Kosmetik in die Bio-Pflege integrierte. Sie brachte Bio-Glitzer-Make-up, Bio-Lipgloss und Bio-Sonnenschutz mit Anti-Age-Wirkstoffen heraus. "Denn", so erzählt Klara Ahlers, "ich hatte 1988 mit 22 Jahren einen Laden in Göttingen gegründet, das erste Fachgeschäft in Deutschland, das aus- schließlich Naturkosmetik anbot. Und die Kundinnen im Laden fragten einfach immer nach Produkten wie Lipgloss oder Selbstbräunungscremes. Von ihren Anfragen ließ ich mich inspirieren." Eine Karriere wie im Bilderbuch: Erst vertrieb Klara Ahlers in ihrem Laden Laverana-Produkte, dann wurde sie vom Unternehmen zu Schulungen eingeladen, übernahm schließlich das Marketing der Firma, stieg danach voll ein. Jetzt gehört auch sie mit Laverana zu den NaTrue-Gründern dazu.

Noch ist offen, welches Siegel für Deutschland das wichtigste sein wird - NaTrue, Ecocert, das des BDIH. Nur so viel steht fest: Bio-Kosmetik wird weiter boomen.

Neue Naturkosmetik mit Biosiegeln

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"Bio+TagesPflege" von frei mit dem Extrakt aus wilden Stiefmütterchen, die antioxidativ wirken und vor vorzeitiger Hautalterung schützen soll, mit BDIH-Siegel; "Körperlotion Body Relax Orange Vanille" von i+m, mit BDIH-Label; "Anti- Falten Intensiv-Serum" von Dr. Scheller mit Arganöl und Amaranth zur Straffung der Haut, mit BDIH-Label; "Lavendel Entspannungsdusche" von Weleda, beruhigt und gleicht aus dank ätherischem Lavendelöl, mit BDIH-Label. Weleda wird im Februar auch die neuen Produkte "Granatapfel Schönheitsdusche", "Granatapfel Regenerationshandcreme" und "Granatapfel Regenerations-Öl" auf den Markt bringen, die dann bereits das NaTrue-Label tragen; "Intensive Relax Absolute Day LSF 5" von Laveré mit pflanzlichen Ceramiden, die die hauteigene Schutzfunktion stärken, mit BDIHLabel; "Pflegeöl Moor Lavendel" von Dr. Hauschka mit pflegender Sheabutter und Jojobawachs, mit BDIH-Label.

Bio oder nicht?

Das sind die aktuellen Kennzeichnungen für Naturkosmetik.

Was das deutsche BDIH-Label aussagt Das BDIH-Label "Kontrollierte Naturkosmetik" wird seit 2001 vom Bundes- verband Deutscher Industrie und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und Körperpflege e. V. vergeben. Es schreibt vor, auf synthetische Duft- und Farbstoffe größtenteils zu verzichten, einige synthetische Konservierungsstoffe sind aber erlaubt. Die verwendeten pflanzlichen Rohstoffe wie Öle, Fette, Kräuter und Blüten sollen "soweit möglich" aus kontrolliert biologischem Anbau oder kontrolliert biologischer Wildsammlung (in der Natur gepflückt) stammen. Ein Überblick über Marken mit BDIH-Logo findet sich unter www.kontrollierte-naturkosmetik.de

Welche Labels es noch gibt1. Hinter Ecocert aus Frankreich steckt Europas größter Zertifizierungsverband im Bereich Umwelt, der zwei Prüfzeichen vergibt und das derzeit wohl beliebteste Label ist. Seit 2002 erhält Ecocert-Kosmetik das Siegel "Ökologische und biologische Kosmetik" oder nur "Biologische Kosmetik", wenn mindestens 95 Prozent beziehungsweise 50 Prozent der verwendeten pflanzlichen Stoffe aus kontrolliert biologischem Anbau stammen.

2. In Amerika vergibt die Öko-Behörde USDA-NOP, "United State Department of Agriculture - National Organic Program", ein Bio-Logo. Die Vereinigung gilt als strengster Zertifizierungsverband für organische Produkte in der Landwirtschaft. Beauty-Produkte, die als "organic" oder "certified organic" gekennzeichnet sind, müssen mindestens zu 95 Prozent aus organisch hergestellten Inhaltsstoffen bestehen. Genauso ist es beim britischen Label Soil Association.

3. Das Demeter-Zeichen weist auf biologisch-dynamische Erzeugnisse hin, eine besonders streng kontrollierte Form des ökologischen Landbaus. Damit bürgt zum Beispiel Naturkosmetik-Pionierin Martina Gebhardt für ihre Produkte, die keine chemischen oder synthetischen Rohstoffe enthalten.

4. Eco-Control ist das Siegel, mit dem "Annemarie Börlind" seit 2008 für ihre Naturkosmetik bürgt. Die Börlind-Produkte bestehen bis zu 100 Prozent aus Naturstoffen, vorwiegend aus ökologischem Anbau. Mineralöle und synthetische Öle werden prinzipiell nicht verwendet.

Stills: Oliver Sschwarzwald Porträts: Ray Parker Produktion: Birgit Potzkai Text: Christine Koischwitz Styling: Maria Grossmann Haare & Make-Up: Sascha Wobido/M4 Motion

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