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Mit Liebe. Von Odile

Ihr Führungsstil ist so ungewöhnlich wie ihre Produktkonzeption. Odile Lobadowsky, Präsidentin von Kenzo Parfums in Paris, über Marketing und Menschlichkeit.

Da kommt der Boss. Schätzungsweise 1,65 Meter groß, keine 50 Kilogramm schwer, eine zierliche Person mit halblangem, blondem und einfach glatt herunterhängendem Haar. Ungeschminkt. Odile Lobadowsky ist "Président Directeur Général" von Kenzo Parfums in Paris und verwaltet einen Millionenetat. Mit freundlicher Neugier betrachtet sie ihren Besuch, bietet ihm ein rotes Sofa mit Lehne im Empfangssalon ihres Büros nahe der Place Victoire im 2. Arrondissement an. "Da ist es bequemer", sagt sie und setzt sich selbst, sehr gerade, auf das Kanapee ohne Rücken- und Armstütze gegenüber.

Heute Morgen ist Odile Lobadowsky ausnahmsweise nicht mit dem Fahrrad zur Arbeit geradelt. Das Wetter war zu schlecht. Und es muss schon miserabel sein, damit sie auf diese Frischlufttour morgens und abends verzichtet. Das Ritual hat mehr mit geistiger als mit körperlicher Fitness zu tun. Es ist ein bewusster Break zwischen Job und Familie. "Die Fahrt macht den Kopf frei." Sinnigerweise braucht sie für den Heimweg zehn Minuten länger, "weil es den Berg raufgeht". Es ist genau das zusätzliche Quäntchen, das die Berufsgedanken mehr an Zeit beanspruchen als die privaten, um auf der Strecke zu bleiben. "Als ich hier vor elf Jahren angefangen habe, stand mein Rad allein im Hof. Inzwischen haben wir dort eine Art Velo-Fuhrpark", meint sie und kann sich ein Lächeln nicht verkneifen. Das gefällt ihr.

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Dass sich ihre Mitarbeiter wie sie - im übertragenen Sinne - freistrampeln, dass sie dabei tief durchatmen und mit offenen Augen durch die Gegend streifen - wunderbar, das verhindert die Scheuklappen- Mentalität. Die ist das Ende jeder Kreativität. Das wäre fatal. In jeder Branche. Aber erst recht im flüchtigen Geschäft mit den Düften. Es lebt wie kaum ein anderes von neuen Ideen. Deswegen hasst Odile Lobadowsky auch die Budgetbesprechungen. "Schluss, aus! Es reicht", möchte sie am liebsten rufen und einfach aufstehen und aus dem Besprechungszimmer gehen, wenn sie mit den Controllern den Etat für neue Projekte durchgeht. "Alles unter finanziellen Aspekten zu beurteilen ist eine Unsitte, die der Kreation keinen Spielraum mehr lässt." Am liebsten würde sie Investitionen einzig nach ihrer Philosophie tätigen: "Geld ist dafür da, die Dinge gut zu machen. Denn nur mit Dingen, die man gut gemacht hat, kann man auch wieder Geld verdienen. Und zwar wesentlich mehr, als in sie investiert wurde." Wie Recht sie damit hat, beweist der Erfolg. Der Umsatz von Parfums Kenzo hat sich unter ihrer Führung um das 2,5fache mehr als verdoppelt.

Sie hat es mit dem Parfüm "Kenzo Flower" vorgemacht, wie gut es läuft, wenn man Vertrauen in die Kreativität hat. Weltweit war und ist der Duft ein Riesenerfolg. In der Nacht vor der Lancierung hat sie nicht geschlafen. "Ich habe wach gelegen und gedacht, du hast deine ganze Seele in das Projekt gesteckt und alles dafür getan, was in deiner Macht steht, jetzt musst du darauf vertrauen, dass die Kunden das auch spüren." Eigentlich konnte dann nichts schief gehen. Denn erstens hatte ihre Familie, die sie bei kniffligen Dingen um Rat fragt, das Projekt einstimmig abgenickt. Und zweitens glaubt sie felsenfest, dass die Menschen das Herzblut fühlen, das man in die Entwicklung von Produkten steckt. "Man muss sich Gedanken machen, ein Konzept entwickeln, was das Produkt bewirken soll. Und genau das braucht Zeit."

Ein Duft zum Beispiel sei schließlich nicht nur ein Duft. Er müsse einen zusätzlichen Nutzen haben. "Da liegt die Zukunft", sagt sie, "in Parfüms, die rundherum Wohlbefinden schenken." Als Friedenssymbol etwa wie "Kenzo Flower". Die rote Blume, die Kriegsgegner traditionell den Gewehren der Soldaten entgegenhalten, inspirierte sie zu der Mohnblüte, mit der die Flakons geschmückt sind. In Paris, Wien, London und Moskau ließ sie zur Duftlancierung Mohnblumen "pflanzen". Allein auf dem Roten Platz vor dem Kreml "erblühten" 250 000 Kelche aus Krepppapier, die von den Passanten eifrig gepflückt wurden.

Die Mutter dreier Kinder arbeitet schon über 22 Jahre bei Kenzo Parfums

Der Erfolg mit "Flower" habe aber, gesteht die Mutter dreier inzwischen erwachsener Kinder, auch Nachteile mit sich gebracht. "Meine Mitarbeiter haben auf einmal viel mehr Respekt vor mir. Das ist schade." Die Chefin will sie nun überhaupt nicht rauskehren. Also versucht sie, Berührungsängste gar nicht erst aufkommen zu lassen. "Ich arbeite immer bei geöffneter Tür und bin jederzeit ansprechbar. Ich mag es, wenn mir meine Leute erzählen, woran sie gerade sitzen, was sie planen." Da koppelt sie geschickt echtes Interesse mit subtiler Kontrolle. "Jeden Tag laufe ich durch die Flure des Büros und versuche, mit allen so im Vorübergehen ein bisschen zu reden, damit sie mir unbeschwert sagen können, was sie auf dem Herzen haben. So merke ich auch, wenn ein Mitarbeiter mit seinen Gedanken woanders ist. Dann spreche ich ihn an und frage, was ihn bedrückt."

Ich bin nicht kompliziert.

Der Ton ist locker, man duzt sich, auch mit Odile. "Ich bin nicht kompliziert." Mit den neuen und jüngeren Mitarbeitern geht sie gern mittags zum Lunch, damit sie sich besser kennen lernen können. Montags ist Jour fixe, dann wird jedes Projekt im Team besprochen und eine Marschrichtung festgelegt, an die sich alle zu halten haben. Für noch mehr Kreativität geht Odile Lobadowsky mit ihrer Mannschaft in Wochenendklausur. "Irgendwohin, wo es schön ist." Wie lange arbeitet sie jetzt schon im Duftsektor? "Mon Dieu", entfährt es ihr nach kurzem Nachrechnen, und sie schlägt die Hände vors Gesicht, "es sind ja schon über 22 Jahre." Nach dem Abschluss an der renommierten École des Hautes Études Commerciales, einer Hochschule für Wirtschaftswissenschaften in Paris, übernahm sie ihre erste Marketing-Position bei Danone. "Ich habe mit Joghurt angefangen", erzählt sie, "ein sympathisches Metier. Es kam mir als Naschkatze sehr entgegen. Jeden Morgen mussten wir die neuen Geschmacksnoten probieren. Lecker."

Drei Jahre später bewarb sie sich bei Parfums Lacôste. Eigentlich wegen der damals noch kleinen Kinder. Die in Frankreich üblichen Sozialeinrichtungen von der Krippe bis zur Ganztagsschule ermöglichen Frauen zwar grundsätzlich eine berufliche Karriere - aber eine Doppelbelastung bleibt es trotzdem. "Der Arbeitsplatz von Lacôste lag näher an meiner Wohnung. Das war günstiger", sagt Odile Lobadowsky. Doch so pragmatisch der Auslöser für den Wechsel auch gewesen sein mag, sie ist sicher, dass es - mal abgesehen von ihrer beruflichen Qualifikation - nicht der Zufall war, der ihr zu der neuen Stelle verhalf. Es war Schicksal.

Geld ist dafür da, die Dinge gut zu machen

Denn Parfums Lacôste gehörte damals zu Patou, einem der alten renommierten Dufthäuser von Paris. Und bei Patou arbeitete Jean Kerléo, eine Legende unter den Parfümeuren. Der stammt aus der Bretagne. Wie Odile. Folglich nahm er die Landsmännin unter seine Fittiche und brachte ihr alles Wissenswerte rund um die Parfümerie bei. "Nach der strukturierten Arbeit bei Danone war das für mich wie ein Märchen, diese zauberhafte Welt der Düfte."

"Meiner Meinung nach ist alles im Leben vorbestimmt. Ich habe immer hart gearbeitet. Dabei habe ich mich auf meine positiven Eigenschaften verlassen und mich von ihnen leiten lassen. Man muss das, was man tut, lieben."

Diesen Juli wird sie 50 Jahre alt, und sie freut sich jetzt schon sehr auf den runden Geburtstag. Wirklich? "Ja das gefällt mir wirklich." Fürs Jungbleiben sorgen ihr Mann, der in der Filmbranche arbeitet, ihre beiden Töchter, ihr Sohn und die Herausforderung im Job. "Das Leben ist eine ziemlich wunderbare Angelegenheit", sagt sie und erzählt, dass sie regelmäßig in der Bibel liest und jeden Tag mal kurz in Notre Dame de Victoire, der Kirche um die Ecke, vorbeischaut, um ein kurzes Zwiegespräch mit Gott zu halten. "Das trägt mich. Ich finde, er ist ein ziemlich guter Kumpel."

Text: Angelika Ricard-Wolf

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