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Graue Haare färben? Schluss damit!

Frau mit grauen Haaren im Profil
© Roman Samborskyi / Shutterstock
Graue Haare färben? Nein! Ein ganz persönliches Plädoyer für graue Haare von BRIGITTE WOMAN-Mitarbeiterin Sabine Reichel.

Alt und grau kannst du werden, aber nicht frech", scherzte mein Vater, einst ein eleganter Mann mit grauen Schläfen, immer. Ich bin tatsächlich alt und grau geworden, frech war ich sowieso immer. Und ich habe der Versuchung widerstanden, meine sich ab 50 langsam versilbernden Haare zu färben. Auch wenn Frauen wie Iris Berben, Andy McDowell und neuerdings Diane Keaton begeistert für gewisse Haarfärbeprodukte werben, die versprechen: "Deckt die ersten grauen Haare ab", so als wäre es eine schleichende Krankheit. Was sehr viele Frauen so sehen. "Nein, ich bin noch nicht bereit, mich als alte grauhaarige Frau zu sehen!", sagt meine Freundin. Nur machen dunkel gefärbte Haare nicht unbedingt jünger. Und die störrische Behauptung der fanatischen Färberinnen, dass man nicht sieht, dass graue Haare überfärbt sind, ähnelt derjenigen, dass man nicht gespritzte Lippen, Brustvergrößerungen und zu weiße Zahnkronen erkennen kann. Und sie ist natürlich falsch - finde ich.

Die Gesellschaft ergraut langsam, denn es gibt mehr Alte als Junge. Ablehnung oder Akzeptanz dieses Zustandes hat sicherlich auch etwas damit zu tun, wie man grau wird. Da gibt es die subtil Silbrigen, deren Haare einfach langsam heller und grauer werden, in hübschen natürlichen Strähnen. Und zwar genau die, die man sich früher in mittelblonde Haare mühsam einfärbte. Dann gibt es die Salz-und-Pfeffer- Grauhaarigen, total elegant. Oder die mit der einzelnen Dachs-Strähne im dunklen Haar. Sehr distinguiert.

Graue Haare färben - warum eigentlich?

Der Jugendkult wird zu Recht beklagt. Grau zu werden ist ein natürlicher Zustand, unterliegt nicht unserer Kontrolle und verrät etwas über unser Alter. "Ich bestimme selbst, wie alt ich bin", trumpfen viele Frauen auf und sehen Haarefärben als Emanzipationsakt. Permanent jung und hübsch auszusehen, so als wäre man in einer Zeitzone eingefroren, ist deshalb heute zu einer anstrengenden Obsession geworden, die Stress macht (und vermutlich noch mehr graue Haare produziert). Und immerzu die Möglichkeit zu haben, dem rasch voranschreitenden Alter mit einer Armada von eigentlich gewalttätigen Zeitstoppern beikommen zu wollen, stiehlt genau die Zeit, die man jetzt ab 50 als kostbarer denn je empfindet. Die amerikanische Schauspielerin Jamie Lee Curtis, 48, hatte mit 40 Jahren genug von der Färberei. "Ich fand es einfach beschämend, derartig viel Zeit unter diesem hässlichen Frisierumhang zu verbringen." Seitdem trägt sie Grau und Kurz, und alle lieben sie dafür. "Ich empfinde es als unglaubliche Freiheit, so etwas Unnatürliches wie Haarfärberei aus meinem Leben zu streichen."

Grauhaarig zu sein bedarf natürlich schon einer Gewöhnung und Umstellung, denn fast alle pastelligen Farben sowie Gelb- und Orangetöne sehen nicht mehr gut aus, und ohne Lippenstift und Wimperntusche sollte man nicht aus dem Haus gehen. Und natürlich muss das Haar perfekt geschnitten und gestylt sein und soll keinerlei Gelbstich haben - dafür gibt es spezielle Shampoos.

Früher ging man etwas gelassener mit dem Alter um. Es wurde aber auch mit zweierlei Maß gemessen. Von Frauen erwartete man immer, dass sie 50 Jahre gleich bleibend aussahen, forever blond oder braun oder schwarz. Dann kamen die Erlösung und der Schritt zur Oma, bei der die Haarfarbe alle Schattierungen von Dunkelgrau bis Schlohweiß haben durfte und der krampfhaften Jungerhaltung mit großer Erleichterung ein Ende setzte. Bei den Männern durfte der Altersprozess offensichtlich sein und war scheinbar interessant. Cary Grant wurde überhaupt erst mit Grau im Haar der unvergleichliche und zeitlose Charmebolzen. Marcello Mastroianni hatte graue Schläfen in Fellinis Film "81?2". Er hatte endlich das Bubenhafte abgestreift und gab jetzt den "reifen" Mann mit einem Hauch von Melancholie. Heute haben wir Benicio del Toro & George Clooney.

Macht grau immer alt?

Ob man grau schön oder schrecklich findet, hat auch damit zu tun, wie die Familie damit umgeht. Wir waren alle weitgehend ungefärbt. Mein Großvater war schlohweiß, meine Großmutter dezent braungrau. Mein Vater trug Grausilber, meine Mutter, lange blond gesträhnt, wurde erst mit 80 wunderschön grau und wird heute als 87-jährige wegen ihrer (längeren) Haare auf der Straße angesprochen.

Ich mochte graue Haare immer gern, vielleicht auch, weil ich Silber, Chrom, Stahl, Art déco, Flanell und eben alle Grautöne immer schöner fand als Gold und Gelbstichiges. Als ich 17 war, gab es zum Fasching einen Puder, der die Haare in ein schimmerndes Silber färbte. Ich fand es so toll, dass ich mir den Puder in die Haare sprühte und allen Ernstes so zur Schule ging. Leider waren bald meine Finger, mein Blusenkragen und meine Wangen silbern, denn das Zeugs färbte wie verrückt. Aber in der Pause starrten sie mich auf dem Schulhof alle fasziniert an.

Es gibt viele Leute, unter anderem aus dem Friseur-Handwerk, die behaupten, dass Grau ganz einfach alt macht. Aber könnten das nicht dieselben "Experten" sein, die Zipfelröcke schön finden, glauben, dass Streifen dick machen, und die sich kleine Tiere an die Handtasche hängen? Auch Mütter sind schlechte Beraterinnen für ihre ergrauten Töchter. "Mach mal was mit deinen Haaren, Kind!", ist eine egoistische Mahnung, bei der die Mutter einfach ein paar Jahre von sich selbst wegschmuggeln möchte. Aber besonders gnadenlos sind die jüngsten Kritiker, sprich Kinder. Und hier sind es eher die Mädchen, die nicht durchgehen lassen, wenn sich eine angegraute Mutter von 43 wagt, Natur zu tragen. Ich kenne eine Frau mit vier jungen Töchtern, die ihre gelockte Salz-und-Pfeffer-Mähne in ein stumpfes Schwarz verwandelt, weil zwei der Töchter kühl und knapp sagen: "Du siehst alt aus, Mami!" Ansichtssache! Wie meine Freundin Beate richtig sagt: "Lieber wie eine heiße 53-Jährige aussehen als eine gruselig erzwungene 36-Jährige!"

Und wie immer wenn es um die Ängste von Frauen geht, haben natürlich Männer den größten Anteil daran. Aber auch bei Haaren unterliegen, wie in anderen Schönheitsfragen, die Frauen einem Irrtum. Die meisten Männer finden silber- und grauhaarige Frauen sehr attraktiv und "interessant", weil sie Macht, Selbstbewusstsein und Erfahrung vermitteln, was wiederum sexy und cool ist. Siehe Schauspielerinnen wie Helen Mirren, Vanessa Redgrave, Judi Dench und die Sängerin Emmylou Harris.

Auch in der Mode-Industrie sieht man immer mehr Silberfüchse (siehe "Vogue"-Ex-Chefredakteurin Angelica Blechschmidt und Jil Sander). Immer mehr grauhaarige Frauen werden in Anzeigen und Modestrecken gezeigt. Sie demonstrieren nicht nur, dass sie zur am meisten umworbenen neuen Verbrauchergruppe zählen, sondern auch, dass Alter realistisch und schön dargestellt werden kann. Und da man aus allem einen Trend machen kann, gibt es sogar eine wachsende Fraktion von jüngeren Frauen, zumindest in Amerika, die Grausilber so stylish und reizvoll finden, dass sie sich ihre mausfarbenen Haare in diesem "Granny"-Ton färben.

Inzwischen gilt graues Haar als stolze Selbstdarstellung mit Rebellions-Charakter, die gut in das Klima der riesigen Generation 50 und 60 plus passt, die einst die Welt mit neuen Ideen auf den Kopf stellte. Seien wir doch wie schon damals die Trendsetter. Lassen wir uns als menschliches und spirituelles Bio-Produkt bewundern, unbehandelt, frei von Chemikalien, Natur pur. Denn die gefährlichen Grauzonen sind die im, nicht auf dem Kopf.

Pflege für graue Haare Der Eindruck von grauen Haaren entsteht, wenn die Haarwurzeln keine Farbpigmente mehr produzieren. Die einzelnen Haare sind dann farblos, erscheinen im Mix mit den pigmentierten Haaren aber grau. Wenn der Weiß-Anteil im Haar zunimmt, entsteht oft ein unschöner Gelbstich. Damit graue Haare schön schimmern, gibt es spezielle Shampoos und Conditioner, die den Gelbstich neutralisieren. Tipp: Graue Haare sind oft auch störrisch und haben kaum Glanz. Ein Conditioner nach der Wäsche und regelmäßige Kuren helfen. Sie machen die Haare wieder geschmeidig und lassen sie glänzen.

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