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Wie viel Luxus darf es sein?

In Englands Hauptstadt kaufen sich Global Player Villen für Rekordsummen – und sind dann doch nie da. Villen-Glück für den Hund von BRIGITTE WOMAN-Mitarbeiterin Elena Lappin: Er kann sein Geschäft auf exklusivsten Grund und Boden verrichten.

Dieses Jahr ist etwas Lustiges in London passiert. Finde ich jedenfalls. Madonna hat für sechs Millionen Pfund das sechsstöckige Haus neben ihrem eigenen gekauft und es zum privaten Fitness-Studio umbauen lassen.

Madonna hat lange nicht die oberen Ränge erreicht.

Mit diesem Ankauf (obendrein hat sie ein Landgut, einen falschen britischen Akzent und einen englischen Ex-Ehemann aus vornehmem Stall) müsste sie hier eigentlich zur Oberschicht gehören. Doch auf der Immobilien-Skala hat Madonna noch lange nicht die oberen Ränge erreicht.

Die teuersten Häuser kaufen Leute, die nicht mal mit Briten verheiratet sind und die ihre Anwesen die meiste Zeit leer stehen lassen. London würde gern als ultramoderne Großstadt gelten, die für die Bedürfnisse der Bevölkerung rundum sorgt. Vor allem jetzt, in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2012.

Mekka für ausländische Millionäre

Die Wahrheit sieht anders aus: Die Stadt kämpft immer noch mit uralten Klassenproblemen und einer dauerbröckelnden Infrastruktur. Und doch ist London das Mekka immer neuer Wellen ausländischer Millionäre, die anscheinend ohne ein fettes Stück von unserem Immobilienkuchen nicht glücklich werden können. Diese Superreichen, darunter etliche Milliardäre, haben einen besonderen Namen: "Ultra High Net Worth Individuals" – Einzelpersonen mit megahohem Nettowert.

Schere zwischen arm und reich klafft stärker auseinander.

Statistiken, Experten und Londoner Taxifahrer sind sich einig: Noch nie klaffte die Schere zwischen den immer reicher Werdenden und dem beträchtlich ärmeren Rest der Bevölkerung so stark auseinander. Wir (nicht so reichen) Londoner haben ein etwas unschickliches Hobby: In der berühmten Bishops Avenue in East Finchley (besser bekannt als "Milliardärsmeile") machen wir uns über die kuriosen XL-Villen lustig. Als ich dort neulich mit meiner Freundin Leslie unterwegs war, zeigte sie auf ein Anwesen im Zuckerbäckerstil: "Das würde ich nehmen. Aber nur, wenn ich es geschenkt kriege."

Mir dagegen hatte es eine neogotische Burg angetan. Die vielfältige, oft schräge Architektur dieser Villen spiegelt den mal exzentrischen, mal exotischen Geschmack der Besitzer wider. Dazu gehören der Sultan von Brunei, die saudi-arabische Königsfamilie oder der indische Stahlbaron Lakshmi Mittal. Einmal war ich zu einer Hochzeit eingeladen in der Bishops Avenue Nr. 9. Die protzige Adresse hatte den zusätzlichen Glamourfaktor, dass hier früher der schwer bewachte Salman Rushdie gewohnt hatte. Die Fenster waren aus kugelsicherem Glas. Wir fühlten uns beschützt - und schwitzten uns tot.

Villen für 50 Millionen

Kürzlich kam die riesige Toprak- Villa (benannt nach ihrem Erbauer, dem türkischen Geschäftsmann Halis Toprak) mit ihrem "griechischen" Säulenvorbau, dem Kupferdach und dem 8000- Quadratmeter-Garten in die Schlagzeilen: Sie wurde für die Rekordsumme von 50 Millionen Pfund verkauft, angeblich an eine Horelma Peramam, Milliardärin aus Kasachstan. Die wahre Identität der Glücklichen ist unbekannt, aber wer immer sie ist, Mrs. Peramam wird natürlich weitere 30 Millionen springen lassen müssen, um die Bude etwas aufzumöbeln. Wenig mehr, nämlich 32 Millionen, gab Lev Leviev, ein russisch-israelischer Diamantenmilliardär, für seine Palladio- Villa mit sieben Schlafzimmern aus. Madonna hätte sich auf der Milliardärsmeile mit ihren sechs Millionen Pfund höchstens einen Schuppen als Fitness-Studio leisten können.

Der einflussreiche Immobilienmakler Trevor Abrahmsohn, selbst gebürtiger Südafrikaner, verkauft seit Jahrzehnten Anwesen in der Bishops Avenue und andere Filetstücke der Stadt. Er sieht London als Barometer für das, was in der restlichen Welt passiert. In den 80ern seien seine Kunden aus Japan gekommen und aus dem petrodollarreichen Nahen Osten, jetzt aus Russland, Aserbeidschan, Kasachstan, Nigeria. "Meine Käufer hatten immer zwei gemeinsame Nenner: plötzlichen Reichtum, meistens durch Öl, und politische Instabilität in ihrer Region."

London gilt als sicherer Hafen.

So kaufte bei Ausbruch des ersten Golfkriegs die saudische Königsfamilie gleich mehrere Villen für den Fall, dass sie schnell fliehen musste. Der abgesetzte griechische König kam direkt nach London. Der Schah von Persien. Benazir Bhutto. Suharto. "London gilt als sicherer Hafen", sagt Abrahmsohn. "Bei der finanziellen Elite ist die Bishops Avenue bekannter als der Buckingham-Palast." Die nächste Käuferwelle kommt, so glaubt er, aus China . . .

Für Normalbewohner unzugänglich

Die reichen Ausländer legen ein Mehrfaches ihres Körpergewichts in Gold für sichere Häuser in einem London an, das für die Normalbewohner zu teuer zum Leben ist. Ja sogar unzugänglich, sofern sie nicht Bauunternehmer, Innenarchitekten, Köche, Hundesitter, Sicherheitskräfte oder Putzleute sind. Doch für die Briten, die zu Hause eher arm sind, hat der schwache Dollar endlich das Blatt gewendet.

In den USA können sie sich für ihre Pfund richtig was leisten. Und so fallen sie dort scharenweise mit Billigfliegern ein und kehren mit Koffern voller Schnäppchen zurück. Mein Haus steht in einer ruhigen Mittelklassegegend, fünf Minuten entfernt sowohl von großen Villen wie winzigen Sozialreihenhäusern. Ich kann meinen Hund in beide Richtungen ausführen. Und wissen Sie was? Ihm ist es völlig wurst, wo er seine Exkremente fallen lässt und sein Revier markiert. Er ist wie die meisten Ur-Londoner: Sie hängen an ihrem eigenen Viertel und betreten die reichen Gegenden nur zur visuellen Ersatzbefriedigung. Sie tolerieren die Superreichen eher desinteressiert, es sei denn, sie dienen als Klatschfutter. Denn falls die Londoner aller Schichten etwas verbindet, dann die Leidenschaft für Promiklatsch. (Darf ich kurz – und stolz! – anmerken, dass Amy Winehouse in meinem Viertel aufgewachsen ist?)

Etwas bleibt immer

So erfuhr ich gerade von meinem Friseur, dass wieder eine Villa für 40 Millionen Pfund verkauft wurde. Der britische Plattenproduzent Simon Cowell, Erfinder des erfolgreichen TV-Formats "Pop Idol" (die deutsche Variante heißt "Deutschland sucht den Superstar"), ist astronomisch reich, lebt in Los Angeles und leitet ein weltweites Musikimperium. Auch er konnte nicht widerstehen und steckte seine Millionen in eine Trophäe in London. Fürchtet er etwa, sein Reich könnte untergehen? Ich glaube, er braucht sich keine Sorgen zu machen. Falls seine Musikkarriere abstürzt, kann er immer noch eine Ecke von Madonnas Muckibude mieten. Oder mein Gästezimmer.

Text: Elena Lappin Foto: Getty Images

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