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Wer signierte den Himmel über Nizza?

Viele Künstler haben sich von Nizza und der Côte d'Azur inspirieren lassen. Und auch BRIGITTE WOMAN-Mitarbeiterin Susanne Friedmann fand, dass eine Reise nach Nizza das Beste gegen den Winterblues ist.

Ob es an der Luft liegt? Am Licht oder am Himmel, dass wir so freundlich angeschaut und angelacht werden? Wir lächeln zurück und sind gleich mittendrin - im Gewühl des Wochenmarkts von Saint- Tropez. Schlängeln uns durch das Labyrinth der Marktstände, schnuppern an Lavendelsäckchen, an grünem Spargel und rosaroten Pfingstrosen und kaufen schließlich eine Ecke Ziegenkäse und ein duftendes Landbrot. Für ein Picknick zwischendurch. Silbern blendet die Sonne. Unter den Strickjacken flattern die ersten luftigen Kleider. Und ich kann es kaum fassen, wie leicht und verspielt sich das Leben plötzlich wieder anfühlt.

Eine Reise nach Nizza ist die Erlösung aus der Winterstarre

Vor einer Woche sah das noch ganz anders aus: Da marschierte ich mit hochgezogenen Schultern unter einem trüben Nordhimmel durch München. Wie sehnte ich mich nach Wärme! Nach Erlösung aus der Winterstarre. Dabei fiel mir ein, wie ich mich vor vielen Jahren aus genau so einem Wintertief herausgezogen hatte - damals, in der Zeit vor den Kindern: Ich hatte einfach eine Freundin in Hamburg angerufen, die ähnlich wintermüde war wie ich.

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Einen Plan hatten wir nicht, nur ein Sehnsuchtswort, eine Art Zauberformel: Côte d'Azur! Warum sollte der Zauber 16 Jahre später nicht noch einmal wirken? Schließlich sind unsere Kinder inzwischen so selbständig, dass wir wieder einfach losziehen können. Dieses Mal rief ich eine Freundin in Berlin an...

"Mesdames, voulez-vous goûtez? Wollen Sie mal probieren?" Ein Herr mit weißen Locken unter einer schwarzen Baskenmütze hält uns ein Brettchen vor die Nase: Baguette-Stücke mit Olivencreme. Genau die richtige Würze für einen verbummelten Vormittag an der Küste. Ein paar Meter weiter stoppt uns die Verkäuferin am Stand, überladen mit Seidenschals. "Rouge!", ruft sie. Rot müsse ich tragen, auf gar keinen Fall mit Gelbstich, nur kühles Blaurot! Ich lasse die Seide durch meine Finger gleiten, Zyklam, Pink, Magenta, und bedanke mich für ihren Tipp. "War mir ein Vergnügen", sagt Madame.

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Im Café am Markt sinken wir in die Korbsessel, atmen tief durch und bestellen Café au Lait. Vom Hafen weht eine Brise herüber. Dort dämmern die Luxusyachten noch vor sich hin, warten auf die erste Fahrt ins Blaue. Fenster und Bullaugen sind verhängt, die Decks verwaist. Es riecht nach Meer und Muscheln. Nach Knoblauch, nach Kaffee, nach der Pomade des Herrn vom Nachbartisch, der sich einen Pastis genehmigt, herüberzwinkert und schnell eine verspiegelte Sonnenbrille aufsetzt. Ich sauge die Bilder und Düfte in mich hinein. Sonnenstrahlen streicheln die Haut und entfachen hinter den geschlossenen Lidern ein samtrotes Feuer. Wäre ich eine Katze, ich würde jetzt anfangen zu schnurren.

Willkommen im Paradies!

Der Chef des Cafés kurbelt die Markise heraus und fragt, ob er sonst noch etwas für uns tun kann. Wir bräuchten zu unserem Glück nur noch ein schönes Quartier für die Nacht, sagen wir. "La Bastide de Saint Tropez" empfiehlt er, und so kommt es, dass wir abends im Mondschein unter Palmen durch den paradiesischen Innenhof des Hotels spazieren, vorbei am Swimmingpool, und über kleine überwucherte Terrassen in unsere Zimmer gelangen. Kaum habe ich mich ausgestreckt, stimmt draußen ein Chor liebeshungriger Frösche sein Quak-Konzert an. Erst will ich mich ärgern, dann aber höre ich genauer hin: Es klingt seltsam, lustig und lebendig, und ich schlafe tief, bis mich am nächsten Morgen die Ringeltauben vor dem Fenster wachgurren.

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Der Hotelgärtner lacht, als wir ihm davon erzählen. Er knipst hier ein welkes Blatt ab und bindet dort einen Zweig fest, während wir in der Morgensonne frische Früchte und zarte Croissants frühstücken. Dann fällt ihm noch etwas ein: Er habe noch einen exklusiven Tipp für uns. In Fréjus, nordöstlich von Saint-Tropez, seien private Themengärten zu besichtigen. Das dürften wir nicht verpassen.

Gemütlich fahren wir die Küste entlang, genießen in jeder Kurve einen neuen zauberhaften Blick aufs Meer, aber dann entdecken wir tief unten rote Sonnenschirme und Pagoden aus dunklem Holz, die mit frischen Palmzweigen gedeckt sin. Bremsen, aussteigen und nichts wie runter zum Strand!

Im Schatten hält ein Hund Siesta. Zwei muskulöse Männer schrauben Stellwände zusammen, eine junge Frau hängt Dekofähnchen auf. Wie weich und warm sich der Sand doch unter meinen Fußsohlen anfühlt! Ein Junge mit dunklen Locken steuert auf uns zu. Die Strandbar sei leider noch geschlossen, sagt er, "aber bitte, genießen Sie doch einfach den freien Raum!". Das machen wir. Spazieren am Saum des Meeres entlang. Nur wir und der freie Raum: die Sonne und der Himmel, das unglaublich blaue Wasser und der frische Frühjahrswind. Er zaust in den Haaren, weht Meersalz auf die Lippen.

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Später, in Fréjus, eilt uns Nicole Arboireau in ihrem Garten entgegen. Sie ist 60, sehr hübsch, schmal und blond. "Wie gut, dass Sie jetzt gekommen sind!", begrüßt sie uns. "Im Mai ist Schluss, dann hat es sich bei mir schon ausgeblüht." Jetzt aber, im März, gibt es noch viel zu sehen. Im Glanz der Abendsonne führt sie uns auf verschlungenen Pfaden durch ihren "Garten der Artenvielfalt". Schon als Kind war sie vernarrt in Blumen, erzählt sie.

Nachdem sie dann miterleben musste, wie immer mehr Menschen ihre Dörfer und ihre alten Gärten verließen, um im Sommer an der Küste zu arbeiten, startete sie ihre Rettungsaktion: Sie schnitt auf verlassenen Grundstücken Reiser ab, grub Pflanzen aus, sammelte Früchte mit Samen. Nur alte Sorten, so genannte Frühblüher. Bis in die fünfziger Jahre hinein waren jene Pflanzenarten in Mode, die früh im Jahr ihre Blüten entfalten. Sie sollten die Gäste erfreuen, die damals regelmäßig die Wintermonate im milden Klima der Côte d'Azur verbrachten.

Die Frauen sind die Architektinnen des Paradieses

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Dann kam die Wende zum Sommertourismus, und die hübschen Frühblüher wurden nicht mehr angepflanzt, weil sie kein Publikum mehr hatten. "Wenn ich sie nicht gerettet hätte, wären einige Sorten schon ausgestorben", sagt Nicole. "Allein zehn verschiedene Mimosenarten habe ich in meinem Garten. Die früheste blüht schon im November, die letzte Ende April." An einer Kiefer ranken Rosen und ein hellblauer Jasmin empor, daneben ein Gewächshaus, in dem wilde Stiefmütterchen in geblümten Kaffeekannen gedeihen.

Nicoles Mann lehnt lässig im Hauseingang. Ich frage ihn, was sein Anteil sei an diesem einmaligen Zaubergarten? Er schaut zur Seite, auf Nicole, und sagt: "Wir Männer sind fürs Grobe gut. Ich habe nur die Lkw-Ladungen mit Erde herangeschafft, das Haus gebaut und die Kieswege angelegt. Aber die Frauen erschaffen das Paradies!"

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"Und Gott erschuf die Frau", fällt mir dazu ein, "Et Dieu créa la femme". So heißt der Film (in Deutschland lief er unter dem Titel "Und ewig lockt das Weib... "), der 1956 in Saint- Tropez gedreht wurde und in dem die 22-jährige Brigitte Bardot alle Welt verrückt machte - mit ihrem unbekümmerten Sexappeal und dem ersten Bikini der Kinogeschichte. Durch diesen Film wurde sie zum internationalen Sexsymbol und die Côte d'Azur zu einem Synonym für einen geradezu revolutionär freizügigen Lebensstil. Auch die erst 18-jährige Françoise Sagan ließ ihren erotischen Debütroman "Bonjour Tristesse", der 1954 erschien, an der Côte spielen, in einer Villa bei Saint-Raphael. Der Bestseller war der Startschuss für jene Generation, die mit der spießigen Nachkriegsmoral abschließen wollte. 19 Jahre jung war auch der Avantgarde-Künstler Yves Klein, als er am Strand von Nizza sein erstes konzeptuelles "Kunstwerk" kreierte. Er erklärte kurzerhand den blauen Himmel über sich zu seinem Werk, indem er seinen Namen in die Luft schrieb, den Himmel "signierte". 1957 begann er seine berühmten knallblauen monochromen Bilder zu malen.

Die Heimat von Picasso

In Mougins, im Hinterland von Cannes, hatte sich Picasso 1961 von dem zunehmenden Rummel an der Küste zurückgezogen. Mit 79 heiratete er die 35-jährige Jacqueline Roqué und verbrachte mit ihr in diesem mittelalterlichen Bergdorf die letzten zwölf Jahre seines Lebens. Picasso im Atelier, Picasso mit Maske als Stier verkleidet, Picasso in den Gassen von Mougins, mit Gitarre spielenden Zigeunern, im Gespräch mit Gary Cooper und Arm in Arm mit der schönen Jacqueline... Ich kann mich kaum satt sehen an diesen grandiosen Schwarzweißfotos, die dort im Fotomuseum ausgestellt sind. Und als wir danach durch die Gassen streifen, vorbei an unverputzten Steinhäusern, auf krummen Treppchen hinauf und hinab. Mougins hat sich kaum verändert, mal abgesehen von den vielen kleinen Läden, Antiquitäten, Trödel, Kunsthandwerk, Kunstgewerbe, und unzähligen neuen Künstlerateliers. Einen zweiten Picasso entdecken wir aber nicht.

Mit Blick auf die Ausläufer der Seealpen

In einer Épicerie kaufen wir noch ein "pain bagnat", ein großes rundes Brötchen, gefüllt mit Salade Niçoise, bevor wir zur Wanderung in die Hügellandschaft aufbrechen. Zuerst am Weinberg entlang - knorrig schwarzbraun und kahl stehen die Reben in Reih und Glied, dann weiter, durch einen weiten Olivenhain. Die Sonne flimmert durch die silbergrauen Blättchen. Sie streift die zarten Gräser am Wegrand, Irisblüten glänzen wie violette Seide. Sie lässt die ersten Mohnblumen aufleuchten. Wenn ich den Blick hebe, landeinwärts, erkenne ich sogar die Ausläufer der Seealpen. Und auf dem Rückweg schauen wir über blassgrüne Hügel hinweg auf das schimmernde Meer in der Ferne.

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"Als ich begriff, dass ich jeden Morgen aufs Neue dieses Licht sehen würde, konnte ich mein Glück nicht fassen", schrieb Henri Matisse, als er 1917 nach Nizza übersiedelte, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1954 lebte. Hier schuf der Maler aus dem französischen Norden jene Bilder in leuchtenden Farben und schwungvollen Linien, mit denen er immer und immer wieder die Lebensfreude des Südens und die Schönheit der Frauen feierte.

Auch wir sind in Nizza eingetrudelt, fahren über die berühmte Küstenstraße, die Promenade des Anglais, vorbei an weiß verputzten Privatpalais, am "Hôtel Negresco" mit seiner rosafarbenen Kuppel, an eleganten Appartementhäusern und Kasinos. Der englische Kirchenmann, Reverend Lewis Way, finanzierte 1822 den ersten Abschnitt der Promenade, weil er fand, seine Landsleute, die damals scharenweise in Nizza überwinterten, sollten standesgemäß wohnen und in der gesunden Meeresbrise flanieren können, ohne sich schmutzig zu machen oder die zarten Knöchel zu verstauchen. Und noch heute spürt man das Flair eines eleganten Seebads aus der Belle Époque. Jedenfalls in der Vorsaison.

Das Glück von Henri Matisse

Wir steigen aus. Der Wind hat aufgefrischt. Die Palmen schütteln ihre fransigen Wedel wie junge Mädchen ihr Haar. Wir schlendern ins Zentrum. Was für ein Genuss, über die großzügige Avenue de Verdun, die Avenue de Suède, die Rue Alphonse Karr zu flanieren! Was für eine herrliche Architektur, diese hellen, harmonisch gegliederten Fassaden voller Säulen, Bögen und Balkons.

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Hier ein Bistro, dort eine Boutique mit der neuesten Sommermode. Weiter zum Blumenmarkt: blühende Orangenbäumchen, zitronengelbe Mimosen, Nelken, Jasminzweige und kleine Veilchensträuße verströmen ihre Düfte, geschützt von blauweiß, grünweiß, rotweiß gestreiften Markisen. Dahinter aprikosenfarbene Häuserfronten mit blassgrünen Fensterläden, ein perfektes Bühnenbild für eine Operette. Ein Blumenverkäufer will mir einen Strauß Nelken verkaufen. Ich weiß, Nelken werden hier auf den Hügeln angebaut, Nelken gehören hier dazu, aber ich mag sie nicht. Nelken sind ältlich, finde ich, Nelken sind spießig. Ich sage: Es lohnt sich nicht, weil wir morgen abfliegen. Und da sucht mir der Mann eine Nelke aus, so eine leuchtend rote, klassische, und meint: Die ist für heute, für Sie, und ich verstehe: Nelken sind ganz hinreißende Blumen. Mehr noch. Sie sind ein Mythos - genau wie die Côte d'Azur.

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Reise-Info

Anreise Z. B. mit Air Berlin ab Hamburg, Berlin oder München hin und zurück ab ca. 206 Euro, www.airberlin.de

Unterkommen Direkt hinter der berühmten Promenade des Anglais in Nizza liegt das sehr cool und modern umgebaute "Hotel Beau Rivage" mit zauberhaftem Restaurant, einem Café und einer Bar auf einer Terrasse direkt am Strand. DZ ab 180 Euro (24, Rue Saint François de Paule, Nizza, Tel. 00 33/4/92 47 82 82, www.nicebeaurivage.com).

Mitten im Herzen der malerischen Altstadt von Nizza befindet sich das reizende Hotel "Villa La Tour" in einem alten Konvent aus dem 18. Jahrhundert. Enge Gänge, steile Treppen, sehr viel Charme, der eindeutig mit der Chefin, Madame Kimmig, zusammenhängt. DZ ab 48 Euro (4, Rue de la Tour, Tel. 00 33/4/ 93 80 08 15, Fax 93 85 10 58, www.villa-la-tour.com).

Vor den Toren Mougins liegt das nett verwinkelt geschnittene Hotel "Les Muscadins", in dem jedes Zimmer individuell eingerichtet ist. Im Hotelrestaurant und auf der wunderschönen Terrasse isst man hervorragend, sehr persönliche Atmosphäre. DZ ab 130 Euro (18, Boulevard Courteline, Tel. 00 33/4/ 92 28 43 43, Fax 92 28 43 40, www.hotel-mougins-muscadins.com).

Private Unterkunft in einem umgebauten Landhaus in Grasse mit großem Garten. Fünf entzückende Zimmer, sympathischer Familienanschluss inklusive. DZ/F ab 100 Euro (Maison d'Hôtes Le Clos des Cypres, 87, Chemin des Canebiers, Tel. 00 33/4/93 40 44 23, www.closdescypres.com).

Nur ein paar Minuten vom Zentrum in Saint-Tropez entfernt, verbirgt sich hinter einem Eingangsportal "La Bastide de Saint Tropez". Vier Gästehäuser im exotischen Garten, jedes der 26 Zimmer mit eigener Frühstücksterrasse. Die Küche ist exquisit, man speist im Wintergarten oder unter Olivenbäumen. DZ ab 235 Euro (Route des Carles BP 54, Tel. 00 33/4/94 55 82 55, Fax 94 97 21 71, www.bastide-saint-tropez.com).

Blumenfeste "La fête des plantes" vom 4. bis 6. April in Fréjus, www.frejus.fr

Das Frühlingsfest auf der "Domaine du Rayol" findet vom 29. bis 30. März statt, am 31. Mai und 1. Juni wird der "Tag des Gartens" gefeiert, www.domainedurayol.org

Lesen "Riviera Cocktail": Er war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, der schlaksige Ire Edward Quinn, und wurde zu einem Schwergewicht der Fotografie: Er hat die Schönen und die Reichen abgelichtet, die in den 50er Jahren dieses zauberhafte Stück Frankreich zum Glänzen brachten. Ein prachtvoller Bildband (teNeues Buchverlag, 78 Euro).

Informativ: der Reiseführer "Côte d'Azur. Seealpen & Hochprovence" (Reise Know- How-Verlag, 19,90 Euro).

Handlich: "Côte d'Azur" mit Karten und den wichtigsten Highlights (Falk, 6,50 Euro).

Info Maison de la France, Zeppelinallee 37, 60325 Frankfurt, Tel. 09 00/ 157 00 25, Fax 159 90 61, www.franceguide.com

Text: Susanne Friedmann Fotos: Sabine Steputat

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