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Eine Reise nach Bhutan

Das kleine Königreich Bhutan im Himalaya lebt in seiner Welt, es ruht in sich - und gibt die Ruhe weiter an seine Besucher. Eine Reise nach Bhutan.

Über Berge und Täler muss man fliegen, in feuchtschwülen Gegenden zwischenlanden und schon ganz vergessen haben, woher man kommt. Und so schwebe ich in Bhutan ein, mit weitem, letztem Flügelschlag, wie jener Donnerdrache, nach dem dieses Königreich im Himalaya benannt ist. Druk Yul, das Land des Drachen, heißt es in der Landessprache. Der Name Bhutan leitet sich von den Bothia ab, jenem Volk, das im 9. Jahrhundert vom benachbarten Tibet einwanderte.

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Schon am Flughafen riecht es nach Harz, Moos, Pinien, feuchtem Waldboden. "Sexy", sagt die Amerikanerin vor mir in der Passkontrolle und wirft erst einen Blick auf die Landschaft vor dem Fenster, auf bewaldete Berge, Reisfelder, Wiesen. Häuser wie Almhütten dazwischen. Dann auf die Beine der Einheimischen, auf die nackten Knie unter schwingendem Gewand. An jedem europäischen Mann sähe die bhutanische Nationaltracht, der Go, verboten aus: ein in der Taille mit einem Gürtel hochgerafftes morgenmantelähnliches Kleidungsstück, dazu wollene Strümpfe und derbe Schuhe. Ein Königsdekret verpflichtet dazu, diese Kleidung zu tragen.

Und dann der erste Schritt hinaus, hinein ins Land, der erste tiefe Atemzug dieser Luft, die dünn ist, die Nasenflügel zum Schwingen bringt.

Bhutan klingt wie "Ein Land vor unserer Zeit"

Willkommen, sagt der Zöllner, als er mich durchwinkt, willkommen, sagt Bhawani ein wenig später und führt die aufeinander gelegten Handflächen vors Gesicht. Bhawani ist mein Butler. Zugegeben, das klingt seltsam, und freiwillig hätte ich mich für diesen Service nicht entschieden. Bhawani gehört zur "Villa", in der ich logiere, einem unter duftenden Pinien liegenden Haus einer Hotelanlage, heimelig und warm eingerichtet. Natürlich ist so ein Butler klasse. Sobald man sich an ihn gewöhnt hat. Aber als ich im Tal von Paro, im südwestlichen Teil Bhutans, ankomme, habe ich andere Vorstellungen als die von Luxus. Entdecken wollte ich, erobern und gleichzeitig zur inneren und äußeren Ruhe finden.

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Was ich über Bhutan wusste, klang nach "einem Land vor unserer Zeit", nach einer Welt jenseits der erforschten Welt. An den Südhängen des östlichen Himalaya gelegen, umgeben von China und Nepal, gilt es als eines der ärmsten Länder der Welt und war lange ein für fremde Einflüsse verschlossenes Königreich, in das nur hartnäckige Reisende ihren Weg fanden. Noch als längst in jedem deutschen Haushalt ein Fernseher stand, war Bhutan ohne Medienanschluss, Telefone gibt es seit den 80ern, Handys erst seit den späten 90er Jahren, und kürzlich hat der König verhindert, dass MTV die bhutanischen Sender erobert. Keine Kriege, keine Armee, kaum Kriminalität. Kein Luxus, Mode, keine Shopping-Gelegenheiten. Ein Paradies, so dachte ich und wurde nicht enttäuscht. Nur zurechtgestutzt in meinem Maßstab vom Paradies.

Bhutan und ich brauchen eine Woche, ehe wir auf Augenhöhe zueinander finden. Erst als sich die mächtigen Gipfel des Himalaya störrisch unter der Wolkendecke verkriechen und trotz der gesunden Luft, der täglichen Yoga-Übungen mein grüblerisches und manchmal so beladenes Ich noch immer wie ein nasser Lappen an mir hängt, lasse ich die Wunder-Erwartung.

Reise Bhutan: "Schön ist, was sich dem Blick bietet, aber rätselhaft"

Bhawani und ich benötigen drei Tage, bevor ich aufhöre, peinlich berührt zu sein, wenn er mir eine Tasse Tee bringt, mich zur frühmorgendlichen Yoga- Stunde weckt, im Ofen ein Feuer entzündet und stets für meine Lieblingsschokolade sorgt. Bevor er aufhört, distanziert und steif in Sichtweite rumzustehen. Ohne Bhawani wüsste ich über Bhutan sicherlich nur das, was ich mit eigenen Augen sehe. Schön ist, was sich dem Blick bietet, aber rätselhaft. Zwischen den Häusern, den Almen, den gewaltigen Festungen mit ihren weißen Mauern und kuppelförmigen Dächern ist die Wahrnehmung schnell verwirrt, und es dauert einige Tage, um Details zu erkennen und zu einem Ganzen zusammenzufügen. Nirgendwoland. Keine Moderne, so scheint es, kann den wundersamen, gemächlichen Rhythmus stören und die buddhistisch geprägte Reinheit beschmutzen. Ein Volk, dessen Glück nicht im Haben, sondern im Sein liegt, so sehe ich die Bhutaner, und fast kann man vergessen, dass diese Bescheidenheit nicht freiwillig ist.

Ob die Straßen von Paro oder die kleinen Geschäfte im abgelegenen Haa-Tal, dicht an der Grenze zu Tibet gelegen, überall ist das niedliche Idyll der herausragende Eindruck. Und was soll man halten von einem Land, in dem man nicht rauchen darf, jedenfalls nicht öffentlich, die einzige Straße aus Paro hinaus gesperrt wird, wenn mal ein Flugzeug im Landeanflug ist, und sich Mönche, ehrwürdige Lamas, selbst alte Eremiten, die seit Jahren in der Stille eines abgelegenen Klosters hausen, mit breitem Lächeln fotografieren lassen?

In Bhutan ist der König Kettenraucher

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Bhawani, sage ich, wie ist Bhutan? Und natürlich behauptet Bhawani, es sei friedlich, das schönste Land der Welt. Würden wir uns in den kommenden Tagen nicht "kennen" lernen, ich erführe nie, dass die Bhutaner gern "fensterln" und wenig Rücksicht darauf nehmen, ob die Dame der Begierde ihrerseits Lust empfindet. Dass bhutanische Männer nicht besonders treu sind. Oder jenes: dass der König Kettenraucher ist. Seine Untertanen müssen ihre Zigaretten jedoch auf dem Schwarzmarkt erstehen. Oder warum das bhutanische Internet nicht funktioniert? Weil man den drei W, dem Wetter, den Weibern und dem Wein, in Bhutan nicht trauen darf. Kleine Anekdoten, die Bhawani mir erzählt, während er meine Tasche beim Bergsteigen schleppt, mich in ein heruntergekommenes Nonnenkloster bringt, wo ich vom Lama eine Segnung erhalte, und mir das Bogenschießen erklärt, so gut, dass ich einen neuen Lieblingssport entdecke und nach der Rückkehr beibehalte. Die Gespräche mit den Einheimischen im Restaurant oder im Souvenirladen sind freundlich und distanziert. Dank eines Bildungserlasses des Königs, Jigme Singye Wangchuk, der seit 1972 regiert und den Ruf hat, ein weiser und gerechter Herrscher zu sein, sprechen zumindest die jungen Bhutaner gut Englisch. Seine Hoheit hat es als Unterrichtssprache für alle Schulen eingeführt. Bildung und bescheidener Wohlstand unter strikter Beibehaltung der Traditionen und Wahrung der Kultur, das sind die Ziele des Königs, und nicht immer verfolgt er sie auf demokratische Art. Es gibt keine Opposition in Bhutan, gerade mal zwei unabhängige Zeitungen erscheinen. In den 90ern erschütterte eine Revolte der einst als Gastarbeiter ins Land gekommenen Nepalesen den Frieden. Verhaftungen und Flüchtlingsströme waren die Folge.

Vielleicht ist es deshalb noch heute besser, die Politik außen vor zu lassen, vielleicht entspricht es auch den buddhistischen Gepflogenheiten.

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Meine Tage in Bhutan, sie sind von zärtlicher Zeitlosigkeit. Das Erwachen in einem nach Holz duftenden Haus. Die Tür öffnen, den würzigen Waldduft hineinlassen. Mehr Frieden und Gelassenheit finden, als man sich je zugetraut hat. Von Bhawani sich bhutanisches Frühstück wünschen, Reis mit Gemüse und Chilischoten. Und dann keinen Happen essen können, weil es so scharf ist, dass ich im Gesicht sofort flammenfarben anlaufe. "Das hält nicht einmal ein Donnerdrache aus", schimpfe ich entrüstet. "Aber jeder normale Bhutaner", entgegnet der Butler lächelnd.

In und um Paro murmelt sanft der Fluss, wispern die Pinien. Oben, in den Bergen, weht aus den Klostern Mönchsgesang, das rhythmische, fast psychedelische Geräusch der sich drehenden Gebetsmühlen, die in schneller und sich immer wiederholender Folge gemurmelten Mantras, das berühmte "om mani padme hum" - ein wenig klingt es wie Rap. Yaks und Kinder mit rotwangigen Gesichtern kreuzen die Wege, zahnlose Alte verschenken ihr freundlichstes Lächeln und murmeln "Kuzuzangpo", die tagesübliche Begrüßung in der Landessprache Dzongkha.

Manchmal führt ein schweigsamer Lama durch die Klöster und zeigt mit dem Finger auf Symbole, Zeichnungen, Opfergaben, deren Sinn sich nicht erschließt, nicht ohne mehr Wissen, doch das macht nichts. Das Staunen über die reiche Ausschmückung der Klöster und die hohen Buddha-Statuen braucht keinen Verstand, ein stilles Wundern reicht auch.

Reise Bhutan: Jeder Ort hat einen romantischen Glanz

Die Wanderungen sind nicht so schlimm wie erwartet, die Höhenluft, trotz ihres geringen Sauerstoffgehalts, erträglich. Überall wehen Gebetsfahnen. Blau, Weiß, Gelb, Rot, Grün, in allen Größen, mal waagerecht, mal senkrecht aufgefädelt, manche noch in knalligen Farben, andere vom Regen ausgewaschen, vom Wind schon fast zerfetzt, die darauf geschriebenen Gebete längst zum Himmel getragen. Ich kann mich an diesen Fahnen nicht satt sehen, mache Foto um Foto: Gebetsfahnen vor Kloster, Gebetsfahnen vor Berg, vor Wald, hinter Yak im Nebel, neugierigen Kindern, schreitenden Mönchen. Dort, in Bhutan, verleihen sie jedem Ort einen romantischen Glanz. Daheim aufgehängt, im Garten zwischen Rosen und Rittersporn, haben sie ihren Zauber verloren. Mag sein, dass die europäischen Götter nicht dazu taugen, ihnen in Sanskrit geschriebene Gebete mit Hilfe des Windes zu senden.

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Höhepunkt, auch für den Blutdruck dieser Reise, ist ein Ausflug zum Kloster Taktsang, dem "Nest des Tigers", dessen Gründung auf die Legende zurückgeht, auf diesen Felsen sei im 8. Jahrhundert der Guru Rinpoche auf einer Tigerin geflogen und habe sich zum Meditieren in eine Grotte gesetzt.

Wäre er doch nur auf einem niedrigeren Felsen gelandet! Der Aufstieg ist schwer, steil geht es bergan und nimmt kein Ende. Auf halber Strecke eine Art Rasthaus, von dort sieht man das Kloster an seinen Fels geschmiegt. Endlos weit weg. Wolken, zerfasert, ziehen in großer Eile davor und verbergen den Ausblick wieder und wieder. Nur gut, dass an diesem Morgen noch einmal die tiefe Yoga-Atmung für solche Fälle geübt wurde, und so kommt man Meter um Meter bergauf, Schweißfäden laufen vom Scheitel bis zur Sohle, zum Schluss noch 400 Stufen hinauf. Wahrlich, ein Pilgerweg. Wille, Disziplin, doch, all das braucht es und auch den Gedanken an jene Mönche, die noch weiter oben in der Klostereinsiedelei sitzen und drei Jahre, drei Monate, drei Wochen, drei Stunden in der Einsamkeit meditieren. Nur unterbrochen durch drei Stunden Schlaf, eine Mahlzeit an jedem dritten Tag, nein, da will man nicht klagen über diese einfache Übung in der Selbstbeherrschung zum Lobe Buddhas.

Endlich angekommen, wird man allerdings keineswegs von Mönchen, sondern von Soldaten begrüßt, die diesen hohen Ort schützen, wie sie sagen. Dafür werden einem Kameratasche und Rucksack abgenommen. Name, Adresse, Staatsangehörigkeit? Dann meditieren, philosophieren, umherspazieren und sich auf den Abstieg vorbereiten.

Nach so viel Tagen in wundernder Verzauberung und gelegentlichem Aus-den-Wolken- Fallen vermutet man schon fast, auch Bhutans Hauptstadt, Thimphu, sei mehr ein Hobbitort als eine Metropole. Und so ist es. Thimphu sieht aus wie eine Schimäre in einer Seifenblase, und wenn sie platzt, dann bleibt nur ein Dorf, und in einer Ecke kichert jemand belustigt.

Thimphus Läden sind Gemischtwaren- oder Stoffläden, man kann Jutetaschen und Rucksäcke kaufen, an einer Straßenecke auch Schuhe, die wohl unter die Bezeichnung Pumps fallen. Jeans, moderne Kleidung, gar Designermode gibt es nicht. Dafür mitten in der Stadt ein großes Kloster, Mönchsumzug und religiöse Feier inklusive. Straßen ohne Verkehrsstau und Leuchtreklame. Einmal hat der König angeordnet, an der "belebtesten" Kreuzung eine Ampel zu installieren. Nach lautem Protest war dieses Symbol der Moderne schnell verschwunden, regelte wieder ein Polizist mit eleganten Gesten den Verkehr.

"Bhawani, wie oft fährst du nach Thimphu?", frage ich am Abend. "Nie. Es ist mir zu laut." - "Wird dir die Stille hier nie zu viel?" - "Doch", grinst er, "aber dafür lassen wir ja Touristen ins Land."

Infos: Reise nach Bhutan

Das Himalayakönigreich Bhutan ist 47 000 Quadratkilomter groß und hat rund 2 200 000 Einwohner. Touristen werden nur in begrenzter Zahl ins Land gelassen, zur Zeit nicht mehr als 6000 pro Jahr.

Die hier beschriebene Reise bietet Bawa Tours an, eine sechstägige Bhutanreise mit drei Übernachtungen ("Metropolitan Hotel") in Bangkok, eine auf dem Hinweg, zwei auf dem Rückweg. Das Paket enthält Flüge mit Etihad Airways, z. B. von Frankfurt über Abu Dhabi nach Bangkok, von dort weiter mit Druk Air nach Paro. In Paro wohnen die Bawa-Tours-Reisenden im Exklusiv-Resort "Uma Paro". Zum Aufenthalt gehören eine Shambala-Massage, geführte Wanderungen zu Klöstern und Dzongs, ein Ausflug in das Haa-Tal nahe der tibetischen Grenze sowie ein Besuch des Klosters Taktsang. Das Wellness-Programm lässt keine Wünsche offen. Morgens und abends besteht die Möglichkeit, kostenlos Yoga-Stunden zu nehmen. Gäste können zwischen einem De-luxe-Zimmer mit Blick auf das Tal oder Übernachtungen in einer der Villen mit Butlerservice wählen. Preise: De-luxe- Version ca. 3890 Euro/Person; in der Villa-Version 4930 Euro/Person (Bawa Tours & Travel, Ulmer Str. 3, 87700 Memmingen, Tel. 08 331/76 42 49, Fax 76 42 48, www.bawa.de).

Zur Einstimmung: "Bhutan", ein beeindruckender Bildband mit Alltagsszenen, Porträts, spirituellen Landschaftsmotiven aus dem kleinen Himalayaland, dessen Maxime es ist, sich nicht auf das Bruttosozialprodukt zu konzentrieren, sondern nach dem Bruttosozialglück zu streben (Frederking & Thaler, 75 Euro).

Text: Andrea Jeska Fotos: Andrea Jeska, Sabine Steputat

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