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Gesucht: neues Outfit, neuer Job.

Ein Brief an BRIGITTE WOMAN und was daraus geworden ist: Karin Dörr, 56, wird von uns gestylt und bekommt eine Beratung von Berufs-Fachfrau Doris Hartmann.

Sie hat viel zu bieten: Berufserfahrung in verschiedenen Branchen, Lust auf neue Aufgaben, Flexibilität. Denn ihre fünf Kinder sind jetzt alle aus dem Haus. Und das Organisationstalent einer mehrfachen Mutter bekommt der neue Chef kostenlos dazu. Aber zählt das alles überhaupt noch auf dem Arbeitsmarkt? Karin Dörr ist da nicht mehr sicher: Seit einem Jahr sucht die 56-Jährige wieder einen Job und bekommt immer nur Absagen. Doch sie lässt den Kopf nicht hängen, sondern analysiert die Situation: Was würde ihr gut tun? Wer könnte ihr helfen? Ihr Fazit: "Ich brauche neues Selbstbewusstsein." Und sie möchte auch äußerlich mehr aus sich machen. "Aber allein komme ich nicht weiter", schreibt sie an BRIGITTE WOMAN. Wir haben ein starkes Team für sie zusammengestellt: Mode-Expertin Michaela Gerganoff hat das Styling übernommen, Karriere- Beraterin Doris Hartmann unterstützt Karin Dörr bei der Suche nach einem Job, der zu ihr passt.

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Wichtige Stationen im Leben von Karin Dörr 1949 Geboren in Duisburg 1964 Erster Job als "jugendliche Angestellte" in einer Versicherung. Eine richtige Ausbildung? Findet ihr Vater überflüssig... 1966 Heirat mit 17. Umzug nach Stuttgart, dort Stenokontoristin im Betrieb der Schwiegereltern 1967 Sekretärin in der Werbung sowie bei einem Automobilkonzern; erstes Kind. Weiterarbeiten? Auf jeden Fall... 1972 Trennung von ihrem Mann und Rückkehr ins Ruhrgebiet. Job in der Personalabteilung einer chemischen Fabrik 1974 Sekretärin des Geschäftsführers in einer Werbeagentur 1975 Neue Herausforderung: die Auslandsabteilung einer Baufirma. Auch privat ändert sich das Leben. Sie lernt ihren zweiten Mann kennen; Heirat nach knapp drei Monaten. 1977-1987 Geburt von zwei Söhnen und zwei Töchtern. Karin Dörr: "Dann das alte Muster: Mann arbeitet, Frau bleibt zu Hause. Aber ein Job wäre in dieser Zeit nicht drin gewesen" 1993 Umzug nach Berlin, wo sich ihr Mann in der Baubranche selbständig macht. Dort Mitarbeit als Sekretärin 2000 Trennung von ihrem Mann. Seit langem wieder auf Jobsuche - mit 51. In Augsburg Arbeit als Callcenter-Agent. Später baut sie in der jungen Firma die Personalabteilung mit auf. 2001 Wieder in Berlin; dort Arbeit als Sekretärin September 2005 Sie kündigt ihren Job, wird arbeitslos. Bittere Erkenntnis: "Eine starke Frau ist oft weder bei einer starken Chefin noch bei jüngeren Mitarbeitern sehr gefragt"

Coaching

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Karin Dörr: Wenn ich mir meinen Lebenslauf so anschaue, denke ich: Ich hab viel zu früh geheiratet - und eine richtige Ausbildung habe ich auch nie gemacht.

Doris Hartmann: Das ist in Ihrer Generation absolut kein Einzelfall: Damals bekamen viele junge Frauen keine Ausbildung, durften höchstens ein Jahr auf die Handelsschule gehen. "Sie heiratet ja doch . . . ", hieß es oft. Die meisten haben das tatsächlich früh getan - auch, um von zu Hause wegzukommen.

Karin Dörr: Stimmt. Und dann bin ich zigmal umgezogen, habe in zig verschiedenen Büros gearbeitet. Ein roter Faden lässt sich da kaum erkennen.

Doris Hartmann: Doch: Eigentlich sind Sie immer Sekretärin gewesen - und das in ganz verschiedenen Branchen. So viel Berufserfahrung ist ein großes Plus.

Karin Dörr: Und ich habe außerdem immer gern andere Aufgaben übernommen, zum Beispiel in Richtung Teamleitung.

Doris Hartmann: Das kann ich mir gut vorstellen. Vielen Sekretärinnen fällt es nach der Familienphase schwer, im Büro mit derselben Selbstverständlichkeit zu "dienen" wie vorher. Als Mutter von fünf Kindern waren Sie die Chefin im Haus, da bekommt man eine hohe Eigenständigkeit.

Karin Dörr: Die möchte ich auch nicht missen. Aber wenn ich mir den Stellenmarkt mit diesen extrem hohen Anforderungen anschaue. . . Da falle ich doch immer durchs Raster.

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Doris Hartmann: Wenn ich Sie trösten darf: Ich habe auch noch nie eine Anzeige gelesen, die auf mich zutreffen würde. Tatsächlich passen die wenigsten Bewerber exakt in die "Stellenmarkt- Schubladen", die für sie vorgesehen sind. Und: Größere Firmen, Konzerne oder Behörden schauen zum Beispiel akribisch auf berufliche Abschlüsse - und die können Sie jetzt natürlich nicht noch mal eben nachholen.

Karin Dörr: Aber je länger man arbeitslos ist und sich erfolglos bewirbt, desto eher stürzt man sich irgendwann auf alle Angebote, die auch nur entfernt in Frage kommen könnten...

Doris Hartmann: ...und bekommt doch mehr oder weniger freundliche Absagen, die am Selbstbewusstsein nagen.

Karin Dörr: Ja, nach solchen Erlebnissen fühle ich mich manchmal schon ziemlich unsicher.

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Doris Hartmann: Sehen Sie diese Unsicherheit einmal positiv. Ihr Lebenslauf zeigt, dass Sie kontaktfreudig sind, gut organisieren können, und vom Typ her strahlen Sie auf mich viel Lebensfreude aus. Sie sind es von früher her gewohnt, die "Macherin" zu sein. Und jetzt weist Ihre Unsicherheit Sie darauf hin, dass in Ihrer Situation "Aufpassen" angesagt ist. Eigentlich ein gutes und wichtiges Gefühl. Es schützt Sie, weil es Sie wachsam macht.

Karin Dörr: Beim letzten Job habe ich mich von Anfang an komisch gefühlt. So, als würden die Chefs nicht wirklich hinter mir stehen. Ich habe die Teamleitung dann trotzdem übernommen und bin im Büro dann tatsächlich gemobbt worden - irgendwie tragisch, finde ich.

Doris Hartmann: Tragisch? Nein, das ist es ganz und gar nicht! Sondern eine wichtige Erkenntnis darüber, wie Ihr zukünftiger Arbeitgeber auf keinen Fall sein sollte. Seien Sie froh, dass Sie sich durch Ihre Kündigung so schnell aus dieser unglücklichen Situation befreit haben.

Karin Dörr: Dafür sitze ich jetzt ohne Arbeit da.

Doris Hartmann: Sie brauchen einfach eine neue Strategie für die Jobsuche

Karin Dörr: Aber ich kann doch nicht mehr tun, als mich immer wieder zu bewerben.

Doris Hartmann: Doch, können Sie. Indem Sie gezielter vorgehen. Klären Sie zunächst etwas Grundsätzliches: Wohin passen Sie mit Ihrem Profil besonders gut? Bei Ihrer Lebendigkeit und Ihrem Erfahrungsschatz dürften kleine, flexible, vielleicht sogar leicht chaotische Betriebe richtig für Sie sein. Also sollten Sie sich gar nicht mehr an größere Firmen wenden.

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Karin Dörr: Manchmal frage ich mich, ob es überhaupt Zweck hat, es weiter zu versuchen: 20.9.1949 - wenn jemand in einer Personalabteilung dieses Geburtsdatum liest, wird meine Bewerbung doch sowieso sofort aussortiert.

Doris Hartmann: Deswegen rate ich Ihnen auch davon ab, weiter wie bisher mit vielen anderen Bewerberinnen um eine freie Stelle zu konkurrieren. Stoppen Sie die Suche, und gehen Sie selbst mit einem Angebot auf den Arbeitsmarkt. Mit Ihren Berufs- und Branchenerfahrungen können Sie doch problemlos ein Büro führen, richtig? Wir entwickeln mal ein Angebot als "Office-Managerin". Was gehört da denn so zu Ihren täglichen Aufgaben?

Karin Dörr: Auf jeden Fall die Erledigung der Korrespondenz, Ablage, verschiedene Telefonate. Dazu kommen Terminplanung, Planen und Buchung von Dienstreisen, der Empfang und die Betreuung von Gästen.

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Doris Hartmann: Dann lassen Sie uns jetzt gemeinsam überlegen, welche Probleme Sie damit für Ihren Arbeitgeber lösen. Hier zwei Beispiele: Durch Korrespondenz, Ablage und Telefon steuern Sie ein- und ausgehende Informationen. Der Empfang von Gästen dient der Beziehungspflege...

Karin Dörr: ...und dem Image des Unternehmens.

Doris Hartmann: Richtig. Nun ist die Sache die: Ihr Angebot kommt bei zukünftigen Chefs besser an, wenn es nicht aus einer Aufzählung von Aufgaben besteht, die Sie alle souverän erledigen. Warum? Weil eine solche "Liste" bei potenziellen Arbeitgebern oft zu folgendem Gedankengang führt: "Was soll ich bloß mit so einer starken, erfahrenen Frau anfangen?"

Karin Dörr: Hm, leuchtet ein, ist aber erst mal ein ziemlich ungewohnter Blickwinkel.

Doris Hartmann: Verstehe ich. Aber Sie werden sehen: Sich auf die Problemlösung zu konzentrieren hat noch einen anderen entscheidenden Vorteil. Arbeitgeber, die eine solche Bewerbung erhalten, werden überlegen, ob sie das Problem in ihrer Firma haben oder nicht. Entsprechend sachlich wird dann auch die Antwort formuliert sein. Das heißt, es kommen keine "blöden" Absagen, die entweder nichts sagend sind oder sich immer wieder auf Ihr Alter beziehen. Allerdings: Bis ein individuelles Angebot genau zur jeweiligen Branche passt, braucht es Zeit und Arbeit. Das ist jetzt eine Hausaufgabe für Sie. Mailen Sie mir Ihre Entwürfe später gern zu - erfahrungsgemäß muss so ein Brief mehrfach umformuliert werden, bis er den passenden Ton trifft.

Karin Dörr: Leider bin ich finanziell etwas unter Druck. Was könnte ich denn kurzfristig tun, um Geld zu verdienen?

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Doris Hartmann: Bewerben Sie sich bei Büroservice- Anbietern oder Zeitarbeitsfirmen - dass Sie vielfältig einsetzbar und flexibel sind, zeigt Ihr Lebenslauf. Außerdem haben Frauen wie Sie gerade bei Zeitarbeitsunternehmen gute Chancen. Dort weiß man längst, dass die Zuverlässigkeit und das Engagement älterer Mitarbeiterinnen von den Zeitarbeitskunden sehr geschätzt wird.

Karin Dörr: Außerdem arbeite ich weiter an meinem "Problemlösungs-Angebot".

Doris Hartmann: Genau. Bedenken Sie dabei auch, dass Sie jetzt in einem Alter sind, in dem sich Ihre Leistungsfähigkeit ändern kann: Vielleicht haben Sie früher zum Beispiel durch Schnelligkeit und kompromissloses "Wegschaffen" riesiger Papierberge überzeugt, also durch Quantität. In der zweiten Hälfte des Berufslebens zeichnet sich das Leistungsverhalten vor allem durch die persönliche Qualität bestimmter Erfahrungen aus - und davon haben Sie schließlich eine ganze Menge gesammelt. Ihr nächster großer Schritt wird sein, diese besonderen Qualitäten potenziellen Arbeitgebern professionell zu präsentieren: mit einem Direktmailing in eigener Sache, das Sie gezielt an ausgesuchte, kleine und flexible Unternehmen schicken.

Was ziehe ich zum Vorstellungsgespräch an?

Natürlich überzeugen Sie in erster Linie durch einen interessanten Lebenslauf und kompetentes Auftreten. Aber Ihr Gegenüber hat nur ein paar Minuten, sich ein Bild von Ihnen zu machen. Nutzen Sie sie zu Ihrem Vorteil

Was gut sitzt, steht Ihnen Selbstbewusst und entspannt kann man sich nur bewegen, wenn man während des Vorstellungsgesprächs gar nicht mehr an seine Kleidung denken muss. Tragen Sie also nur Sachen, die Ihnen passen, und nicht die, in die Sie gern noch passen würden. Schnitte, die der Figur Form geben (Revers, Taillierung, kleine Schulterpolster), wirken seriös, Gummizüge und Knitterstoffe (Leinen) machen einen eher nachlässigen Eindruck.

Weniger ist mehr Wählen Sie Ihr Make-up so aus, dass Sie schön frisch aussehen, aber nicht wie frisch gestrichen: Concealer unter die Augen, die Wimpern tuschen, eine leichte Foundation für den Teint, rosenholzfarbener Lippenstift und dazu eine Idee Rouge - damit liegen Sie immmer richtig.

Sinnvolle Investition Bevor Sie sich ein komplett neues Outfit zulegen, investieren Sie lieber in einen guten Friseur. Ein toller Haarschnitt wirkt sich sofort positiv auf die Stimmung aus. Das Gegenteil gilt natürlich für eine schlechte Frisur - also lieber keine Experimente mit 11-Euro-Angeboten!

Dresscodes beachten Es gibt immer noch Berufssparten (Hotel, Bank etc.), in denen sehr viel Wert auf ein klassisches Äußeres gelegt wird. Machen Sie sich vorher mit den Dresscodes vertraut. Auch umgekehrt wird's peinlich: Wenn Sie im edlen Kostüm vor einem Typen in lässigen Jeans sitzen, kann höchstens noch ein lockerer Spruch die Situation retten.

Mode ist gut, Stil ist besser Es nützt nichts, wenn Sie in den neuesten Trends gekleidet sind, sich darin aber gar nicht wohl fühlen. Mischen Sie lieber ein paar Ihnen vertraute Lieblingsteile mit hochwertigen Accessoires: einer schönen Uhr, eleganten Schuhen oder einfach mit einer Handtasche aus erstklassigem Leder. Das hat Stil.

Text: Kirsten Khaschei Fotos: Lars Matzen Produktion: Michaela Gerganoff

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