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Elf Zentimeter über der Erde

Rote High Heels sehen atemberaubend aus, und auf ihnen zu laufen macht uns atemlos. Gut zu wissen, dass wir sie nicht wirklich brauchen. Aber sie machen trotzdem Spaß.

Es wird ungesund sein, es wird weh tun, und absolut überflüssig ist es auch. Und deshalb will ich sie. Ich bin alt genug, um Jugendsünden nachzuholen, die ich mir nie geleistet habe. Einmal nur möchte ich trippeln wie Marilyn Monroe, schreiten wie Greta Garbo und auftreten wie Madonna. Einmal nur? Ich ahne, viel öfter werde ich es nicht schaffen.

In der Hand liegt der Schuh schon mal gut. Schwarz mit Riemchen. Der giftgrüne hat auch was. Und der rote sowieso. Flach war gestern, jetzt will ich hoch hinaus. Ab sechs Zentimetern gilt ein Absatz als hoch. Ab zehn Zentimetern nennt man sie Highheels. Also dann. Ich ziehe den linken Turnschuh aus, ein Probierstrümpfchen an - und jetzt her mit dem Schwarzen. Geht doch, jedenfalls im Sitzen. Ich drehe und wende dieses mir unbekannte Teil am Ende meines Beins und finde mich sehr schön. Also aufstehen. Mein rechter Turnschuh gibt mir Halt. So hoppele ich zu einem Spiegel und sehe: eine Gazelle, die auf einem Bein zittert.

Die Gazelle entfernt den artfremden Turnschuh und schlüpft in den zweiten Huf. Ich habe genug Styling-Shows gesehen, um zu wissen, wie man die natürliche Art des Gehens außer Kraft setzt: eine Hand in die Hüfte legen, einen Fuß vor den anderen setzen, stur geradeaus schauen. Geschafft. Alle Sprunggelenke sind noch am Platz.

High Heels machen elegant und erotisch

"Der steht Ihnen aber gut", sagt die Verkäuferin. Da hat sie recht. So elegant und erotisch auf höchstem Niveau waren meine Füße bisher nie. Warum habe ich mir nicht schon viel früher solche Hacken gegönnt? Mit Vernunft hatte das nichts zu tun. Ich war nie der Typ Diva, und unter den Waffen einer Frau verstand ich als fantasievolle Feministin immer etwas anderes als Highheels. Was eigentlich? "Und wie wäre es mit diesen hier? Sie können es sich doch leisten mit Ihren schönen Fesseln", sagt die Verkäuferin.

Ich nehme die grünen, gefährlich hohen Schuhe und balanciere durch den Laden. Die Waffen wirken - gegen mich. Mein Schwanken nimmt zu. "Zwischen der Ferse einer Frau und dem Erdboden gibt es so viel Raum, mit dem man etwas anfangen kann", hat Schuhdesigner Bernard Figueroa gesagt. Vermutlich ist er nie selbst in den Dingern gelaufen.

Die Dinger sind auch nicht zum Laufen da. Oder nur für kurze Strecken. Vom Taxi bis zum Restaurant. Vom Tisch bis zum Klo. Über den roten Teppich ins Kino. Eine Runde beim Opernball. Und von der Wohnungstür bis zum Bett. Im Bett sollen sie große Klasse sein. Doch, wirklich.

Der erotische Nutzwert ist sogar wissenschaftlich, nun, vielleicht nicht bewiesen, aber untersucht worden. 2008 hat die Urologin Maria Angela Cerruto von der Universität in Verona Frauen stöckeln lassen, was das Zeug hält. Dabei stellte sich heraus: Die Haltung der Füße in Stilettos kräftigt den Beckenboden und verbessert die Kontraktionsfähigkeit der Muskulatur. So kommt man Schritt für Schritt zu super Orgasmen und beugt auch noch Inkontinenz vor. Highheels als Gesundheitsschuhe, eine steile Karriere.

Fest steht jedenfalls, dass man auf hohen Hacken keine geduckte Haltung einnehmen kann. Man muss Rückgrat zeigen und sich in Positur werfen. Das sieht nach Selbstbewusstsein aus. Und vermutlich wollten Marlene Dietrich, Gloria Swanson und Mae West genau das demonstrieren. In den 1950er Jahren wurden Stöckelschuhe zum Markenzeichen für den Typ "ungezogenes Mädchen", Jayne Mansfield und Marilyn Monroe kokettierten damit. Jeanne Moreau und Catherine Deneuve bevorzugten die hochgelegte glamouröse Eleganz. Bianca Jagger, Prinzessin Diana, alle "Sex and the City"-Darstellerinnen und ihre Fans suchten vielleicht vergeblich nach dem richtigen Mann. Den richtigen Schuh vom richtigen Designer haben sie alle gefunden.

High Heels sind eine Gratwanderung zwischen Vernunft und Vergnügen

Für die einen muss es ein Louboutin sein, das ist der Mann, der die Sohlen immer rot lackiert. Für die anderen kommt nichts anderes als ein echter Manolo Blahnik oder ein Killer-Teil vom malaysischen Designer Jimmy Choo an die Füße. Madonna findet, Stilettos zu tragen sei besser als Sex. Und RuPaul, amerikanischer Schauspieler, Sänger und Drag-Queen, bringt das extravagante Glück, die Zehen zu quälen, auf den Punkt: "Wie groß ich bin? Schätzchen, wenn du Haare, Absätze und Ego mitrechnest, stoße ich an die Decke."

Die Entscheidung für einen Schuh ist eine Gratwanderung zwischen Vernunft und Vergnügen. Ich habe mich entschieden. Für elf Zentimeter, in Rot und nur für zu Hause. Für den Lauf in der freien Wildbahn muss ich erst üben. Meine Beine sind jetzt giraffenlang, mein Po wölbt sich 25 Prozent mehr nach außen, weil sich mein Schwerpunkt hochhackig verlagert. Doch statt sich zu freuen, macht mein Freund sich über meine selbst gewählte Hilflosigkeit lustig. Meine Freundinnen haben mir Adressen von Orthopäden gegeben, meine Schwester hat mir die häufigsten gesundheitlichen Schäden in alphabetischer Reihenfolge aufgesagt: Abnutzung der Gelenke, Achillessehnenverkürzung, Arthrose, Deformation der Zehen, verkürzte Wadenmuskeln. Na und? Ich habe gelesen, dass Menschen, die nicht mit ideal geformten Füßen wie Barbie auf die Welt kommen, beim plastischen Chirurgen die Zehen verkürzen, das Fett an den Knöcheln absaugen und die Füße passend zum Wunsch-Schuh designen lassen können. Aber so verrückt bin ich ja nicht.

Manchmal schreite, stakse und wackele ich zu Hause über das Parkett. Dazu höre ich David Bowies Song "Put on your red shoes and dance the blues". Dann träume ich von Aschenputtel und anderen Märchen. Eines Tages wird die Vernunft siegen. Dann werde ich die Schuhe als untragbar und mit Vergnügen in die Tonne treten. Oder in die Altkleidersammlung geben. Und dann wird irgendein Mädchen irgendwo auf der Welt sein Glück gar nicht fassen können und mit roten Highheels an den Füßen die Hüften schwenken und über sich hinauswachsen. The shoe must go on.

Modestrecke: High-Heels passen zu jedem Stil. Und zu jeder Tageszeit.

Kaschmir-Ensemble von Closed, Jacke mit Kapuze ca. 200 Euro, Hose mit Tunnelzug ca. 180 Euro. Schlafbrille: Daydream. Highheels: Versace.

Zu Hause: Wäschehemdchen aus Satin mit integriertem Bügel-BH von Lise Charmel, ca. 70 Euro.

Im Fifties-Stil: Karobluse mit kleinen Puffärmeln von Pepe Jeans, ca. 60 Euro. Jeans in 7/8-Länge von Marithé +François Girbaud, ca. 240 Euro.

Zu Jeans: Tunikabluse mit kleinen Perlenstickereien von Steffen Schraut, ca. 180 Euro. Jeans im Used-Look von Calvin Klein Jeans, ca. 140 Euro.

Abendlich: Zweireiher mit edlem Glanz von Oui, ca. 230 Euro. Handtasche: Picard.

Sommerklassiker: Weißer Anzug aus Satinstretch von St. Emile, Blazer ca. 300 Euro, gerade geschnittene Hose mit Aufschlag ca. 230 Euro. Brille: Ray Ban/Fielmann.

Im Safari-Look: Hemdblusenkleid von Luisa Cerano, ca. 280 Euro.

Herstellernachweis

CALVIN KLEIN JEANS:MünchenTel: 089/21 93 79 10www.marchon.com

CLOSED:HamburgTel. 080 00/25 67 33www.closed.com

DAYDREAM:www.daydream.ch

LISE CHARMEL:BerlinTel. 030/61 62 73 00www.lisecharmel.com

LUISA CERANO:NürtingenTel. 070/227050www.luisacerano.com

MARITHÉ + FRANCOIS GIRBAUD:MünchenTel. 089/45 08 16 86www.girbaud.com

OUI:MünchenTel. 089/35 48 10www.oui.de

PEPE JEANS:WürselenTel. 024 05/45 02 50www.pepejeans.com

PICARD:ObertshausenTel. 061 04/70 40www.picard-lederwaren.de

RAY BAN über FIELMANN:HamburgService-Nummer 008 00/76 66 36 27www.fielmann.com

ST. EMILE:KleinwallstadtTel. 060 22/662 40www.st-emile.de

STEFFEN SCHRAUT:DüsseldorfTel. 02 11/405 81 80www.steffenschraut.com

VERSACE:MünchenTel. 089/21 93 79 10www.versace.com

Texte: Bettina Kramer, Susanne Knigge Produktion: Wiebke Broecker Fotos: Margaretha Olschewski Haare & Make-up: Sandra Schütz/Close up

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